Recht
Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen beschlossen
Unternehmen sollten mit der Einrichtung eines internen Meldesystems beginnen.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ setzt die EU-Whistleblowing-Richtlinie um. Diese hat den Schutz von hinweisgebenden Personen vor Repressalien wie zum Beispiel einer Kündigung zum Ziel, aber auch den Schutz der von Hinweisen Betroffenen. Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren ist nun ein Kompromiss gefunden worden. Die dort erreichten Änderungen entsprechen dem, wofür die IHK-Organisation sich intensiv sowohl auf Landesebene für den Bundesrat als auch im Bundestag eingesetzt hat.
Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf sind:
- Keine Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldekanäle
- Anreiz zur bevorzugten Nutzung des internen Meldekanals: Hinweisgebende Personen sollten in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen.
- Die Dokumentation kann länger als drei Jahre aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist.
- Klarstellung, dass der Hinweisgeberschutz nur Hinweise auf Verstöße aus dem beruflichen Umfeld umfasst
- Absenkung des Bußgeldrahmens von 100.000 EUR auf 50.000 EUR. Zudem wird für eine Übergangszeit von 6 Monaten kein Bußgeld wegen der fehlenden Einrichtung von Meldekanälen verhängt.
- Kein Schmerzensgeld für die hinweisgebende Person bei immateriellen Schäden.
- Die Beweislastumkehr im Zusammenhang mit einer Benachteiligung der hinweisgebenden Person kommt nur dann zum Tragen, wenn sie dies selbst geltend macht.
Das Gesetz tritt wahrscheinlich Mitte/Ende Juni 2023 in Kraft (ein Monat nach Veröffentlichung).
Achtung: Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten haben nach Inkrafttreten nur einen Monat Zeit, die Anforderungen des Gesetzes umzusetzen. Unternehmen mit 50-249 Beschäftigten haben eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Anwendungsbereich
Das Gesetz betrifft Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten sowie Unternehmen, die im Finanzdienstleistungsbereich tätig oder für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungstätigkeiten anfällig und daher hohen Risiken ausgesetzt sind.
Hinweisgebende Personen müssen innerhalb dieser Unternehmen („interne Meldestelle“) oder bei Behörden („externe Meldestelle“) insbesondere Verstöße gegen Strafrechtsvorschriften, Bußgeldvorschriften zum Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder zum Schutz der Rechte von Beschäftigten oder deren Vertretungsorgane (hierunter fallen zum Beispiel Arbeitsschutz oder das Betriebsverfassungsgesetz) sowie Verstöße gegen bestimmte europäische Regelungen melden können. Außer rechtswidrigen können dies auch missbräuchliche Handlungen sein.
Eine Pflicht zur vorrangigen internen Meldung im Unternehmen besteht nicht, allerdings sollten hinweisgebende Personen in den Fällen, in denen intern wirksam gegen einen Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die interne Meldung bevorzugen. Unternehmen sollten daher Anreize schaffen, damit sich hinweisgebende Personen zunächst an die interne Meldestelle wenden, und ein effektives und glaubwürdiges internes Whistleblowing-System schaffen. In Ausnahmefällen ist auch eine öffentliche Bekanntmachung eines Verstoßes möglich (zum Beispiel indem sich eine hinweisgebende Person an die Presse wendet).
Hinweisgebende Personen
Hinweisgebende Personen sind Personen, die im beruflichen Zusammenhang oder im Vorfeld Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen, zum Beispiel Arbeitnehmende, aber auch Gesellschafterinnen oder Gesellschafter, Selbständige oder bestimmte „Dritte“ (zum Beispiel Angehörige von Beschäftigten oder Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern).
Interne Meldekanäle
Um solche Meldungen zu ermöglichen, müssen Unternehmen interne Meldekanäle einrichten oder durch Dritte bereitstellen lassen. Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können hierfür Ressourcen teilen, zum Beispiel indem sie gemeinsam einen Dienstleister beauftragen.
Außerdem sind Verfahren festzulegen, nach denen Hinweise bearbeitet und Folgemaßnahmen gesteuert werden. Hierzu ist eine Person oder eine Abteilung zu benennen, die dafür zuständig ist, die Meldungen entgegenzunehmen und entsprechende Folgemaßnahmen in die Wege zu leiten. Zudem müssen sie klare Informationen über diese internen Verfahren als auch über die Bedingungen, unter denen Meldungen extern an zuständige Behörden der Mitgliedstaaten oder der EU übermittelt werden können, zur Verfügung stellen.
Eine Pflicht zur Ermöglichung anonymer Meldungen gibt es nicht, allerdings sollte die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten.
Bei Konzernstrukturen
Grundsätzlich müssen alle Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten eine eigene interne Meldestelle einrichten. Im Konzern kann auch eine andere Konzerngesellschaft als „Dritter“ beauftragt werden. Die Verantwortung und Verpflichtung zum Abstellen des Rechtsverstoßes verbleibt jedoch bei dem jeweiligen Unternehmen. Deshalb ist sorgfältig zu prüfen, ob und in welcher Ausgestaltung ein internes Hinweisgebersystem für alle konzernangehörigen Unternehmen Sinn macht.
Es ist zu überlegen, ob und inwieweit für die Tochterunternehmen zwar ein eigenes (Schmalspur-)Hinweisgebersystem eingerichtet wird, die Beschäftigten der Tochterunternehmen aber auch das konzernweite System nutzen können. In der Kommunikation könnte dann auf die größere Erfahrung mit der Hinweisbearbeitung und weitere praktische Anwendungsvorteile bei der Nutzung des Konzernsystems hingewiesen werden. Auch das gilt es vorzubereiten.
Schutz vor Repressalien
Zum Schutz vor Repressalien gehört auch, dass bei Verfahren, zum Beispiel im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, vermutet wird, dass die die hinweisgebende Person benachteiligende Maßnahme eine Reaktion auf die Meldung oder Offenlegung war. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die hinweisgebende Person die Vermutung selbst geltend macht. Das Unternehmen muss dann beweisen, dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte (Beweislastumkehr).
Personalabteilungen
Personalabteilungen sollten sich auf die verschärften Beweislastregeln vorbereiten. Sie werden künftig beweisen müssen, dass nicht der Hinweis zu der jeweiligen arbeitsrechtlichen Maßnahme geführt hat, sondern dass es dafür andere Gründe gab. Eine entsprechende Dokumentation von Gründen für arbeitsrechtliche Sanktionen ist insofern hilfreich, wobei sicher der Aufwand einer solchen (noch umfangreicheren) Dokumentation und das Risiko von Beweisschwierigkeiten nach Hinweisen immer abgewogen werden müssen.
Sanktionen
Ein Verstoß gegen die Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann – je nach Art des Verstoßes – mit Bußgeldern in Höhe von 10.000 Euro bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Die Bußgeldregelung im Zusammenhang mit der Einrichtung einer internen Meldestelle soll erst sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes greifen.
Folgende Fragen sollten Sie in Ihrem Unternehmen klären:
- Welche Kanäle will ich einrichten? Telefonisch, E-Mail, webbasierte Lösung, Ombudsperson?
- Wie stelle ich sicher, dass nicht nur Beschäftigte, sondern auch alle Personen das Hinweisgebersystem nutzen können, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen – das heißt eigene Beschäftigte, aber auch externe Geschäftspartner/Dienstleister/Auftragnehmer und deren Beschäftigte?
- Wie will ich darüber informieren? Informationen zu den Meldemöglichkeiten und dem Verfahren müssen klar und leicht zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmenswebseite und im Unternehmens-Intranet/Schwarzen Brett.
- Wie gestaltet man das Hinweisgebersystem einerseits so, dass sich hinweisgebende Personen mit Meldungen nicht gleich an die externe Behörde oder gar an die Presse wenden, sondern den internen Kanal nutzen, aber andererseits auch so, dass es nicht zu von missbräuchlichen Beschwerden kommt?
- Wie stelle ich Vertraulichkeit sicher? Das ist zum Beispiel bei einem Meldekanal per E-Mail schwierig, da nicht einmal der IT-Administrator auf eine solche E-Mail Zugriff haben dürfte.
- Wer soll zuständig sein für die Entgegennahme der Hinweise? Wer hat Zugriffsrechte für die Bearbeitung von Beschwerden? Wie und durch wen werden Beschwerden nach dem Eingang weiterbearbeitet? Es darf jedenfalls nicht passieren, dass bei Eingang eines Hinweises erstmal im Haus an verschiedenen möglichen Stellen nachgefragt wird, wer sich weiter darum kümmert – dies wäre mit dem Vertraulichkeitserfordernis nicht vereinbar. Nach dem Gesetz soll die Person „fachkundig“ sein. Was dies konkret bedeutet, sagt das Gesetz jedoch nicht.
- Wer versendet fristgerecht die Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person?
- Wie ist das Vorgehen bei anonymen Meldungen?
- Datenschutzrechtliche Fragen mit Datenschutzbeauftragtem klären
- Betriebsrat einbeziehen, auch für die Kommunikation über das Hinweisgebersystem.
Folgende Punkte sind dabei zu beachten:
- Es müssen sowohl schriftliche als auch mündliche Hinweise erfasst sein, auf Ersuchen einer hinweisgebenden Person auch im Wege einer physischen Zusammenkunft.
- Die Vertraulichkeit der hinweisgebenden Person muss gewahrt bleiben. Ob vor diesem Hintergrund ein Meldeweg per E-Mail ausreicht, ist fraglich. Zumindest sind sehr eingeschränkte Zugriffsrechte notwendig.
- Die Hinweismöglichkeit muss für alle Personen eröffnet sein, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen – das heißt eigene Beschäftigte, aber auch externe Geschäftspartner/Dienstleister/Auftragnehmer und deren Beschäftigte.
- Innerhalb von sieben Tagen muss eine Rückmeldung an die hinweisgebende Person über den Eingang des Hinweises erfolgen.
- Informationen zu den Meldemöglichkeiten und dem Verfahren müssen klar und leicht zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmenswebseite und im Unternehmens-Intranet/Schwarzen Brett.
- Alle rechtlichen Bedingungen des Datenschutzes (DSGVO) sind einzuhalten. Die Datenschutzkonferenz hat hierzu Hinweise veröffentlicht.
- Meldebeauftragte müssen innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Meldung Folgemaßnahmen ergreifen und der hinweisgebenden Person hierzu Rückmeldung geben.
- Dokumentation für grundsätzlich zwei Jahre nach Abschluss des Verfahrens, anschließend Löschung, es sei denn die längere Aufbewahrung ist nach dem Hinweisgeberschutzgesetz oder anderen Vorschriften erforderlich und verhältnismäßig
- Gegebenenfalls kann externe Unterstützung hilfreich sein. Vor allem für kleinere Unternehmen mit Beschäftigten zahlen zwischen 50 und 249 Beschäftigten werden wahrscheinlich Möglichkeiten für unternehmensexterne Meldestellen (zum Beispiel Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin, Ombudsperson) eröffnet werden.
- Bei der Einführung eines neuen bzw. bei der Änderung bestehender Hinweisgebersysteme ist der Betriebsrat zu beteiligen.