Kaufrecht

Gewährleistung spezial

Berührt die Nacherfüllung die Verjährung der Mängelansprüche und kann der Verkäufer nach einer Ersatzlieferung eine Nutzungsentschädigung verlangen?
Ein Käufer kauft einen PC und stellt nun 15 Monate nach der Lieferung fest, dass die eingebaute Festplatte statt 500 Gigabyte tatsächlich nur eine Speicherkapazität von 256 Gigabyte aufweist. Die Gewährleistungsfrist, also der Zeitraum bis zur Verjährung der Mängelansprüche, beträgt 24 Monate. Der Käufer rügt den Mangel und fordert den Verkäufer auf, ihm einen neuen PC mit der vereinbarten Festplatte zu liefern. Der Verkäufer tauscht die Geräte auch aus, verlangt dann aber vom Käufer eine Entschädigung für die Nutzung des mangelhaften ersten PC. Zudem erklärt der Verkäufer, dass die Mängelhaftung (Gewährleistung) für den neuen Computer nun aber schon nach neun Monaten, also 24 Monate nach Lieferung des ersten PC verjähre. Keinesfalls werde die Mängelhaftung (Gewährleistungsfrist) für den zweiten PC wieder erneut beginnen.

Was passiert mit der Verjährungsfrist?

Hier stellen sich nun folgende Fragen:

1. Berührt die Nacherfüllung die Verjährung der Mängelansprüche?

Gemäß Paragraf 433 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu liefern. Diese Verpflichtung hat der Verkäufer verletzt. Der Käufer kann dann vom Verkäufer verlangen, dass dieser zunächst nacherfüllt. Gemäß Paragraf 439 BGB ist Nacherfüllung der Oberbegriff für Neulieferung oder Reparatur. Die Wahl der Art der Nacherfüllung hat der Käufer. Wählt nun der Käufer entweder die Neulieferung oder die Reparatur und kommt der Verkäufer dieser Forderung nach, hat er hierdurch anerkannt, eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, nämlich eine mangelhafte Sache geliefert zu haben. Gemäß Paragraf 212 Absatz 1 Nummer 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt.
Sieht also der Verkäufer ein, eine mangelhafte Sache geliefert zu haben und ersetzt diese Sache durch eine neue oder repariert er die Sache, beginnt die Verjährung der Mängelhaftung grundsätzlich erneut. Nach der hier vertretenen Lösung führt eine Nachbesserung des Verkäufers oder eine Neulieferung zum Neubeginn der Verjährung, das heißt, der Käufer hat nach Übergabe des zweiten PC wieder 24 Monate die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche, die Gewährleistungsfrist beginnt folglich erneut. Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn der Verkäufer aus reiner Kulanz handelt und somit eine Pflichtverletzung nicht anerkennt.

2. Ist der Käufer bei Ersatzlieferung zur Nutzungsentschädigung verpflichtet?

Entscheidet sich der Käufer einer mangelhaften Sache für eine Ersatzlieferung, also die Lieferung einer neuen, ungebrauchten Sache, hat der Verkäufer den Nachteil, dass er die alte praktisch unverkäufliche, da mangelhafte Sache behält und eine neue Sache liefern muss. So stellt sich die Frage, ob der Käufer zumindest eine Nutzungsentschädigung für die Zeit zahlen muss, in der er die alte Sache nutzen konnte.
Hierzu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 17. April 2008 in der Rechtssache C-404/06 entschieden, dass ein Unternehmer vom Käufer keinen Wertersatz für die bisherige Nutzung einer Sache verlangen darf, wenn diese während der Gewährleistungsfrist ausgetauscht werden muss.
In diesem zugrunde liegenden Fall hatte eine Käuferin im August 2002 bei einem Versandhandelsunternehmen einen Herd gekauft. Im Januar 2004 löste sich die Emailleschicht des Backofens, weshalb die Käuferin Ersatzlieferung verlangte. Das mangelhafte Gerät gab sie dem Unternehmen zurück. Dieses verlangte daraufhin von der Käuferin Nutzungsersatz für die Dauer der Nutzung (etwa eineinhalb Jahre) des mangelhaften Geräts auf der Grundlage des Paragraf 439 Absatz4 BGB. Nachdem bereits die Vorinstanzen Landgericht Nürnberg-Fürth und Oberlandesgericht Nürnberg befunden hatten, dass dem Unternehmen entgegen der gesetzlichen Regelung ein Nutzungsersatz nicht zustehe, wurde dem Bundesgerichtshof nach Revision die Sache zur Entscheidung vorgelegt.
Auch dieser bezweifelte, dass die deutsche Regelung im Einklang mit Artikel 3 Absatz 2 bis 4 der Richtlinie 1999/44 stehe, wonach die Ersatzlieferung „unentgeltlich” und „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher” erfolgen müsse. Vor diesem Hintergrund hatte der BGH diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des EuGH erfüllt der Verkäufer anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt hat, seine vertragliche Verpflichtung nicht ordnungsgemäß, wenn er ein nicht vertragsgemäßes Verbrauchsgut liefert. Er muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Seine finanziellen Interessen werden zum einen durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren und zum anderen durch die Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese als unverhältnismäßig erweist, weil sie ihm unzumutbare Kosten verursachen würde.
Der Gerichtshof kommt also zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Verkäufer, der ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen. Im zu Beginn gestellten PC-Fall wäre der Käufer folglich zu keiner Nutzungsentschädigung verpflichtet.
Stand: Juli 2022