Umfrage

Unternehmerische Perspektiven zur „Circular Economy”: Was sagen Unternehmen aus Südhessen?

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat im März 2024 Unternehmen zum Thema „Kreislaufwirtschaft (Circular Economy)” befragt. Knapp 2.000 Unternehmen haben sich bundesweit an der Umfrage beteiligt, davon allein 244 aus Südhessen. Zentrale Ergebnisse für Südhessen finden Sie hier.
Die Kreislaufwirtschaft, auch als „Circular Economy” bezeichnet, ist ein Wirtschaftsmodell, das darauf abzielt, Ressourcenverbrauch und Abfall zu minimieren, indem Materialien und Produkte so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf gehalten werden. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene wird an Strategien zur Förderung der Kreislaufwirtschaft gearbeitet, denn die zirkuläre Wertschöpfung wird als ökologische Notwendigkeit und zugleich als Innovationstreiber und Chance für mehr Resilienz in den Rohstofflieferketten gesehen. Damit die Perspektiven der unternehmerischen Praxis in die Strategieprozesse einfließen können, hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) im März 2024 Unternehmen bundesweit zu Ihren Einschätzungen befragt. Beteiligt haben sich 1.955 Unternehmen, davon 244 allein aus Südhessen. Herzlichen Dank an alle Unternehmerinnen und Unternehmer für Ihre Teilnahme!
Die regionale Auswertung spiegelt nicht nur das Meinungsbild der hiesigen Wirtschaft wider. Uns als IHK liefert sie wichtige Hinweise für die politische Kommunikation und die Angebote, die Unternehmen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft brauchen.

Die zentralen Ergebnisse im Überblick

Starke Stimme der südhessischen Wirtschaft

Mit der Kreislaufwirtschaft geht es in der öffentlichen Wahrnehmung ordentlich aufwärts. Es werden politische Strategien ausgearbeitet, Preise ausgelobt, Konferenzen und Veranstaltungen abgehalten. Welche Relevanz hat das Thema aber heute schon im unternehmerischen Alltag?
In Südhessen ist das Thema offenbar angekommen. Mit zwölf Prozent der bundesweiten Antworten kommt ein überproportional größerer Anteil der Umfrage-Teilnehmer aus Südhessen. Somit zeigen die hessischen Unternehmen, dass sie das Thema auf dem Radar und vor allem auch was zu sagen haben.

Geschäftsmodell unter die Lupe genommen 

In der allgemeinen Wahrnehmung wurde die Kreislaufwirtschaft lange Zeit in erster Linie mit dem Ende des Produktlebenszyklus in Verbindung gebracht und mit den Stichworten Abfallbeseitigung und Recycling gleichgesetzt. Dabei bestimmt bekanntlich die Produktdesignphase bereits 80% der Umweltwirkung eines Produkts. Das Konzept der R-Strategien (reuse, repair, remanufacture usw.) eignet sich gut dafür, die vielfaltigen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Transformation zu einer zirkulären Wertschöpfung aussehen kann. Dieses umfassende Verständnis ist den Unternehmerinnen und Unternehmern in Südhessen größtenteils vertraut oder findet sogar bereits Anwendung in der unternehmerischen Strategie.
Die Mehrheit der befragten Unternehmen setzt sich außerdem systematisch mit den Potenzialen der Kreislaufwirtschaft auseinander und prüft, wie das eigene Geschäftsmodell mit Elementen der Kreislaufwirtschaft angepasst werden kann, oder plant, dies zu sondieren:

Circular Economy wird als Chance wahrgenommen 

Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer sehen die Kreislaufwirtschaft überwiegend als Chance für das eigene Geschäftsmodell. Während knapp 45 Prozent der Befragten diese Meinung teilen, überwiegen für 9 Prozent die Risiken. Allerdings fällt es knapp der Hälfte der Befragten schwer, überhaupt eine Einschätzung zu treffen:
Die Befragung zeigt zugleich, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer die strategische Bedeutung erkennen, denn es ist in knapp 80 Prozent der Fälle die Geschäftsführung, die sich des Themas Kreislaufwirtschaft annimmt:
 
Legende:
  1. Geschäftsführung
  2. F&E-Bereich
  3. Nachhaltigkeitsverantwortliche
  4. Einkauf
  5. Vertrieb
  6. Querschnittsaufgabe

Materialauswahl und Produktionsprozess aktuell im Fokus 

Befragt wurden die Unternehmen auch, welche konkreten Maßnahmen sie geplant oder bereits umgesetzt haben. Diese sind in erster Linie aus den Bereichen der nachhaltigeren Produktentwicklung (Materialauswahl) und effizienteren Produktionsprozessen (Digitalisierungsmaßnahmen). Unter dem Punkt „Sonstiges“ fügen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer häufig auch das Thema „Verpackungen” hinzu. Zirkuläre oder neue Geschäftsmodelle werden im Vergleich seltener genannt:
Legende:
  1. Keine
  2. Lieferantenwechsel (nachhaltige Einsatzstoffen)
  3. Nachhaltige Produkte
  4. Recyclingsfähige Materialen
  5. Zirkuläres Geschäftsmodell (Reuse, Repair...)
  6. Neues Geschäftsmodell (Sharing, „pay-per-use“...)
  7. Digitale Lösungen in der Produktion
  8. Weitere Maßnahmen

Chance für mehr Umweltschutz und Innovationstreiber zugleich 

In erster Linie sehen die Unternehmen in der „Circular Economy” eine Chance, durch die Steigerung der Ressourceneffizienz einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Des weiteren versprechen sie sich, neue umweltbewusste Kundengruppen zu gewinnen, sowie Kostenvorteile und Resilienz durch die interne Kreislaufführung und die Umstellung auf nachhaltige Einsatzstoffe:
Legende:
  1. Neues Geschäftsmodell
  2. Resilienz (nachhaltigere Einsatzstoffe)
  3. Kostensenkung (interne Kreislaufführung)
  4. Beitrag zum Umwelt-/Klimaschutz 
  5. Neue Kundengruppen
  6. Weitere 
Darüber hinaus bestätigt mehr als die Hälfte der Befragten, dass die zirkuläre Wertschöpfung ein Innovationstreiber für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein kann. Das Innovationspotenzial könnte beispielsweise darin liegen, grüne Technologien auf den Markt zu bringen, Produkte und Prozesse zu digitalisieren und statt Produkte "nur" zu verkaufen, Umsatz und Gewinn aus zusätzlichen (produktbezogenen) Dienstleistungen zu generieren:

KMU-freundliche Rahmenbedingungen setzen 

Die zirkuläre Wertschöpfung wird zurzeit stark über Regulierung und Anreize politisch vorangetrieben (Green Deal, Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie etc.) und darin sehen die befragten Unternehmen ein erhebliches Risiko.  Sie fürchten einen größeren Dokumentationsaufwand und geben an, dass die Vielzahl neuer Vorgaben die Planungssicherheit gefährdet. Diese Risiken der zirkulären Wirtschaft sind „hausgemacht“ und können durch eine KMU-freundliche Regulierung gesteuert werden. Außerdem sind die Unternehmerinnen und Unternehmer über potenziell steigende Kosten beim Einkauf von Produktionsstoffen besorgt, und äußern Bedenken, dass der Fachkräftemangel die Transformation hin zu einer zirkulären Wertschöpfung bremsen könnte:
Legende:
  1. Verlust etablierter Geschäftsmodelle
  2. Fehlende Fachkräfte für die Transformation
  3. Hoher Dokumentationsaufwand
  4. Verfügbarkeit sekundärer Rohstoffe 
  5. Kostensteigerung Produktionsstoffe
  6. Zusätzliche Kosten (z.B. Lagerhaltung für Ersatzteile)
  7. Unzureichende Planungssicherheit 
  8. Weitere Risiken

Experimentierräume zulassen

Ein Ansatz, wie Regulierung Hand in Hand mit der unternehmerischen Praxis entwickelt werden kann, sind Reallabore, die als Experimentierräume dienen. So kann an konkreten Projekten und Beispielen ein handhabbarer Rechtsrahmen für die Zukunft entwickelt werden. Das würde mehr als die Hälfte der Befragten begrüßen:
 

Digitale Ansätze, wie der digitale Produktpass, sind kein Selbstläufer

Die Digitalisierung wird in der unternehmerischen Praxis aktuell in erster Linie im Bereich der effizienten und ressourcenschonenden Prozessoptimierung gesehen. Der Digitale Produktpass hingegen, dessen Einführung in der EU beschlossen ist und an der konkreten Ausgestaltung gearbeitet wird, kennen 80 Prozent der südhessischen Unternehmen nicht.
Der digitale Produktpass (Digital Product Passport, DPP) ist eine Art Ausweis für ausgewählte Produktgruppen. Produktspezifische Daten und Informationen zu Herkunft, Zusammensetzung, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten, einschließlich Optionen zum Recycling oder zur Entsorgung am Ende der Lebensdauer werden so digital vorgehalten und können einfach abgerufen werden. Viele der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer fürchten, dass der Digitale Produktpass zu einem "Bürokratiemostrum" werden könnte, und wünschen sich mehrheitlich eine KMU-freundliche Umsetzung:
 

Unterstützungsmöglichkeiten für die südhessischen Unternehmen 

Mit Blick auf die zukünftige Herausforderung der „Circular Economy” wünschen sich die südhessischen Unternehmen allem voran finanzielle Unterstützung oder Förderprogramme, Informations- und Beratungsangebote sowie Qualifizierungsmöglichkeiten für Ihre Belegschaft.
Legende
  1. Kann ich nicht beurteilen
  2. Keine
  3. Qualifizierungangebote (Aus- und Weiterbildung)
  4. Informations- und Beratungsangebote (Webinare, Coachings, Leitfäden, etc.)
  5. Finanzielle Unterstützung / Förderprogramme
Die IHK Darmstadt bietet unterschiedliche Informationen und Formate an, die Unternehmerinnen und Unternehmern helfen, den Überblick über die anstehende Regulierung zu behalten, passende Förderprogramme zu identifizieren und sich fachlich auszutauschen und zu vernetzen. Weitere Informationen erhalten Sie über die Themenseite Kreislaufwirtschaft.