Energiekrise
Wie funktionieren die Strom- und Gaspreisbremsen?
Für das Jahr 2023 gelten Preisobergrenzen für Strom, leitungsgebundenes Gas, Wärme und Dampf. Diese gelten für ein bestimmtes Kontingent und sind an unterschiedliche Meldepflichten und durch das europäische Beihilferecht an vorgegebene Höchstgrenzen geknüpft. Wir haben den komplexen Sachverhalt – ohne Gewähr – für Sie zusammengetragen.
Aktuelles
- Am 7. Juli 2023 hat auch der Bundesrat dem zweiten Änderungsgesetz zu den Energiepreisbremsen zugestimmt. Damit ist nun der Weg für die Sonderregelung zu den atypischen Verbräuchen frei.
- Ab Oktober soll die Differenzbetragsanpassungsverordnung, mit der die maximalen Differenzbeträge für Unternehmen mit einer Entlastungssumme größer zwei Millionen Euro ab September auf sechs bzw. 18 Cent je Kilowattstunde abgesenkt werden sollen, gelten.
- Zudem hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) als Übergangslösung bis zur Arbeitsaufnahme der Prüfbehörde drei Postfächer für Mitteilungen nach dem Strompreisbremsegesetz (StromPBG) und Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) eingerichtet.
Änderungen bei den Energiepreisebremsen
Neben einigen redaktionellen und technischen Klarstellungen und der expliziten Einführung eines Unternehmensbegriffs für die Boni- und Dividendenregelungen (Unternehmensverbund und nicht Einzelunternehmen), wurde nun auch die von der DIHK lange geforderte Regelung zu atypischen Verbräuchen eingeführt. Konkret sieht die Gesetzesänderung hierzu folgendes vor:
Leistungsgemessene Gas- und Stromkunden (RLM) sowie Wärmekunden > 1.500.000 Kilowattstunden können bei der Prüfbehörde einen Antrag auf Gewährung eines zusätzlichen Entlastungsbetrages stellen, wenn
- Corona-Überbrückungshilfen oder Mittel aus dem Fonds „Aufbauhilfe 2021“ bzw. entsprechende Versicherungsleistungen bezogen wurden.
- Der gemessen Energieverbrauch an der Entnahmestelle 2021 mindestens 40 Prozent niedriger war als 2019.
- Die Höchstgrenze von zwei Millionen Euro voraussichtlich nicht überschritten wird.
- Der zusätzliche Entlastungsbetrag mindestens 10.000 Euro (Gas und Wärme) bzw. 1.000 Euro (Strom) beträgt sowie
- die sonstigen beihilferechtlichen Regelungen eingehalten werden.
Der Antrag ist im Zeitraum 1. bis 30. September 2023 bei Prüfbehörde zu stellen, die den zusätzlichen Entlastungsbetrag nach einer bestimmten Formel festlegt.
Übergangslösung Prüfbehörde für Mitteilungen
Das BMWK geht derzeit davon aus, dass die Prüfbehörde Anfang September 2023 ihre Arbeit aufnehmen wird. Als Übergangslösung hat die Beratungsgesellschaft PWC im Auftrag des BMWK drei Postfächer für Mitteilungen nach dem StromPBG und dem EWPBG eingerichtet. Die Adressen dieser Postfächer lauten:
- Postfach Übersendung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen beziehungsweise Erklärungen gemäß Paragraf 37 Absatz 2 Satz 1 StromPBG bzw. Paragraf 29 Absatz 2 Satz 1 EWPBG: de_preisbremsen_arbeitsplatzerhalt@pwc.com
- Postfach Übersendung von Erklärungen gemäß Paragraf 37a Absatz 6 StromPBG bzw. Paragraf 29a Absatz 6 EWPBG: de_preisbremsen_bonidividendenverbot@pwc.com
- Postfach Übersendung von Erklärungen beziehungsweise Unterlagen gemäß Paragraf 22 Absatz 2 EWPG beziehungsweise Paragraf 30 Absatz 2 StromPBG: de_preisbremsen_mitteilungen2mio@pwc.com
Weitere Änderungen zu den Klarstellungen im Boni- und Dividendenverbot, der Anpassung des Entlastungsbetrages für von Betriebsschließungen während der Corona-Zeit betroffenen Unternehmen sowie zum Rückforderungsmechanismus finden Sie hier.
Wie hoch ist die Preisbremse?
Alle Preisbremsen funktionieren ähnlich. Es werden zwei Verbrauchergruppen unterschieden. Die Grenze bildet jeweils ein definierter Verbrauch an der Netzentnahmestelle. Verbraucher, die sich unter dieser Grenze befinden, haben einen einheitlichen Deckel, ebenso wie die Verbraucher darüber. Dieser Deckel wird für ein bestimmtes Kontingent gewährt.
Bei den Strompreisbremsen profitieren etwa Unternehmen mit einem Stromverbrauch von maximal 30.000 Kilowattstunden im Jahr von einer Preisobergrenze von 40 Cent/Kilowattstunden (brutto) für eine Verbrauchsmenge, die 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs entspricht. Darüber hinaus gehende Verbräuche werden zu den Konditionen des aktuellen Versorgungsvertrages abgegolten. Für Verbraucher oberhalb von 30.000 Kilowattstunden im Jahr gilt eine Preisobergrenze von 13 Cent/Kilowattstunden (netto).
In Paragraf 14 Absatz zwei des Gas- und Wärmepreisbremsengesetzes ist festgelegt, dass die Bremse auch für den Bezug von Dampf gilt. Dies ist besonders für zahlreiche Industriebetriebe von Relevanz. Die Herstellung von Dampf auf verschiedenen Druckstufen erfordert in der Regel deutlich mehr Erdgas als zur Fernwärmeerzeugung und ist damit entsprechend kostspieliger. Vor diesem Hintergrund soll Kunden, die unmittelbar mit Dampf versorgt werden, ein Nettopreis von 9 Cent/Kilowattstunden für ein Kontingent von 70 Prozent der jährlichen Referenzmenge garantiert werden.
Besonderheit KWK
Für selbst genutzte Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen oder deren Kunden, die im Bereich der Wärme nicht gefördert werden, gilt die Gaspreisbremse auch. Allerdings müssen die an Dritte gelieferten Strom- und Wärmemengen von der Entlastung abgezogen werden. Gleiches gilt für Gas, das zur Erzeugung von Kondensationsstrom benötigt wird. Die maximale Entlastung für Netzentnahmestellen mit KWK-Anlagen beträgt allerdings zwei Millionen Euro. Reine Stromerzeugungsanlagen auf Gasbasis sind von einer Förderung ausgeschlossen.
Besonderheit Weiterleitung an Dritte
Als Verpflichtete zur Weiterleitung der Preisbremsen kommen nicht nur “klassische Versorger” in Betracht. Vor allem bei der Drittbelieferung bzw. Weiterleitung von Energie können Anlagenbetreiber von Kundenanlagen zu Lieferanten werden und damit bestimmten Pflichten unterliegen.
Bei der Weiterleitung an Dritte gibt es je nach Art der Bremse unterschiedliche Betrachtungsweisen; eine erste Einschätzung:
- Weiterleitung von Gas: Der Weiterverkauf von Gas macht Betreiber von Kundenanlagen zum Lieferanten. Der Letztverbraucher der Kundenanlage hat dann Anspruch auf Entlastung.
- Weiterleitung von Fernwärme: Die Ermäßigung gilt für eigene Zwecke sowie für Miet- und Pachtverhältnisse, allerdings nicht beim Weiterverkauf ohne Mietverhältnis.
- Weiterleitung von Strom: Handelt es sich nicht um ein öffentliches Netz, wird der Kundenanlagenbetreiber nicht als Lieferant eingestuft. Es entsteht keine Entlastungspflicht bei der Weiterleitung.
Es sollte also intensiv geprüft werden, ob man sich in einer Konstellation befindet, selbst Preisbremsen gewähren zu müssen. Dann sollte man sich u. a. auch rechtzeitig um die Einreichung von Vorauszahlungs-/Erstattungsanträgen kümmern.
Wie erhalte ich die Preisbremse?
Der Energielieferant ist verpflichtet, die monatlichen Abschlagszahlungen an die neuen gesetzlichen Regelungen anzupassen. Das heißt, die Abschläge reduzieren sich für die Verbraucher, ohne dass es dazu eines gesonderten Antrags bedarf. Allerdings müssen Verbraucher, deren
- jährliche Entlastung über 100.000 Euro und/oder
- monatliche Entlastung über 150.000 Euro
an einer Entnahmestelle liegt, in einer Selbsterklärung bestimmten Meldepflichten nachkommen (siehe Paragraf 22 EWPG und Paragraf 30 StromPBG).
Bei Mietern erfolgt die Abrechnung in der Regel über die Betriebskostenabrechnung.
Welche Höchstgrenzen gelten?
Für die Summe aller staatlich gewährten Entlastungen (im Unternehmensverbund) greifen verschiedene Höchstgrenzen, die mit zusätzlichen Zugangsvoraussetzungen verbunden sind (siehe Paragraf 18 und folgende EWPBG und Paragraf 9 StromPBG).
Für die besonders großen industriellen Verbraucher mit einer Gesamtentlastung von mehr als vier Millionen, 50 Millionen, 100 Millionen und bis zu 150 Millionen Euro gelten unterschiedliche Regelungen abhängig vom Gewinnrückgang des Unternehmens, der Einordnung als energieintensiver Betrieb oder der Energie- und Handelsintensität der jeweiligen Branche. Für Förderungen ab einer Höhe von 150 Millionen Euro sind Einzelnotifizierungen bei der Europäischen Kommission erforderlich.
Absolute Höchstgrenzen
... gelten für sämtliche Entnahmestellen im Unternehmensverbund, summieren sich über alle staatlichen Beihilfen für krisenbedingte Energiemehrkosten - insbesondere alle Preisbremsen, Dezember-Soforthilfe und das Energiekostendämpfungsprogramm. Sie stehen darüber hinaus in Bezug zu relativen Höchstgrenzen und damit einhergehenden maximalen Entlastungshöhen.
Die Anforderungen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Grenze
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Anforderung |
---|---|
bis 150 Millionen Euro
|
|
bis 100 Millionen Euro
|
|
bis 50 Millionen Euro
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Relative Höchstgrenzen
… gelten auf der Ebene der Letztverbraucher, kaprizieren auf krisenbedingte Energiemehrkosten und stehen in Bezug zur absoluten Höchstgrenze. Sie beschreiben im Grunde, welcher Teil der krisenbedingten Mehrkosten erstattungsfähig ist und welche Voraussetzungen daran geknüpft sind.
Die Mehrkosten berechnen sich nach einer Formel in der Anlage 1: Sie ergeben sich vereinfacht aus der Summe der berücksichtigungsfähigen Energiemehrkosten im Zeitraum 1. Februar 2022 bis 31. Dezember 2023. Übersteigen diese Kosten im betrachteten Monat das 1,5 fache der durchschnittlichen Kosten im Referenzmonat, dann werden diese je nach Auflage bis zur maximalen Höchstgrenze erstattet (siehe folgende Tabelle).
Grenze
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Auflage |
---|---|
bis 150 Mio. Euro
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ab 100 Mio. Euro
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bis 50 Mio. Euro
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bis vier Mio. Euro
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bis zwei Mio. Euro
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* EBITDA: siehe Paragraf 9 Absatz 7 StromPBG
Zur Berechnung des EBITDA soll es eine Berechnungshilfe des BMWK geben.
Achtung: Je nach der Strom- und Erdgaskostenentwicklung und dem EBITDA-Verlauf ergeben sich unternehmensindividuelle Entlastungszeiträume. Die Höchstgrenzen teilen sich verbundene Unternehmen untereinander auf.
Was muss gemeldet werden?
- Bei einer zu erwartenden Entlastung von mehr als zwei Millionen Euro im Jahr müssen die Verbraucher (die Summe gilt einschließlich verbundener Unternehmen) gegenüber ihrem Energielieferanten und der Prüfbehörde dies mitteilen (Angaben und weitere Details siehe Paragraf 30 (2) StromPBG bzw. Paragraf 22 (2) EWPBG). Bis zum 31. Mai 2024 muss dies unter Angabe der tatsächlichen Entlastungsbeträge noch einmal final gemeldet werden.
- Unternehmen, die einen Entlastungsbetrag von mehr als 150.000 Euro im Monat erhalten, müssen dies bis zum 31. März 2023 ihren Lieferanten melden. Die tatsächlich in Anspruch genommene Menge ist dann bis zum 31. Mai 2024 an den Übertragungsnetzbetreiber (bei Strom) oder den Lieferanten (bei Gas) zu melden (zu Inhalten und Anforderungen der Meldung siehe Paragraf 30 (1) StromPBG und Paragraf 22 (1) EWPBG).
- Bei Entlastungsbeträgen von mehr als 50 Millionen Euro im Jahr müssen die Unternehmen bis zum 31. Dezember 2023 einen Energieeffizienzplan vorlegen und erklären, welche Maßnahmen sie im Rahmen des Umweltschutzes oder der Versorgungssicherheit der Letztverbraucher ergreifen (Paragraf 30 (6) StromPBG). Nach der Wärme- und Gaspreisbremse gilt der 31. Dezember 2024 als Grenze (Paragraf 22 (6) EWPBG).
- Betreiber von KWK-Anlagen müssen ihren Lieferanten bis zum 1. März 2023 über mögliche Ansprüche und deren Voraussetzungen informieren (Paragraf 10 (4) EWPBG).
- Unternehmen, die einen Entlastungsbetrag von mehr als 100.000 Euro im Kalenderjahr 2023 in Anspruch nehmen werden, müssen dies bis zum 30. April 2024 an ihren Übertragungsnetzbetreiber melden.
Welche weiteren Pflichten gibt es?
- Nach Paragraf 37 Strompreisbremse müssen Unternehmen, die Hilfen von mehr als zwei Millionen Euro (pro rechtlich selbstständigem Unternehmen) in Anspruch nehmen, einen Nachweis zum Erhalt des Standorts und von Arbeitsplätzen gegenüber einer noch zu definierenden Prüfbehörde erbringen. Sie können das über Betriebsvereinbarungen regeln oder über eine Selbsterklärung. Dies muss bis zum 15. Juli 2023 gegenüber der Prüfbehörde gemeldet werden.
- Bis zu 25 Millionen Euro Entlastungsbetrag dürfen Unternehmen eingeschränkt Boni und Dividenden auszahlen; zwischen 25 und 50 Millionen Euro dürfen vereinbarte Boni nicht erhöht werden. Ab 50 Millionen Euro ist die Auszahlung von Boni und Dividenden ganz verboten (Paragraf 29a EWPBG oder Paragraf 37 StromPBG). Bei der Auszahlung von Boni gelten Opt-Out-Regelungen, d. h. verzichtet ein Unternehmen auf höhere Entlastungsbeiträge (mehr als 25 Millionen Euro) und zahlt höhere Boni aus, muss dies gegenüber der Prüfbehörde bis zum 31. März 2023 gemeldet werden.
FAQ und weitere Hinweise
Das DIHK-Energie-Team hat im Dezember 2022 zu den Grundlagen der Preisbremsen ein Webinar durchgeführt. Die Aufzeichnung dieses Webinars finden sie hier: https://www.dihk.de/energiekrise.
Die Gesetzestexte finden Sie hier:
- Gas-, Wärme- und Dampfpreisbremse (EWPBG)
- Strompreisbremse (StromPBG)
Das BMWK informiert auf seiner Internetseite und hat dort auch zahlreiche FAQ veröffentlicht.
Die Dena betreibt eine kostenfreie Hotline zur Funktions- und Wirkungsweise der Energiepreisbremsen unter der Telefonnummer 0800 78 88 900.