Auftakt für die "Bildungspartnerschaft"

Start für ein neues Projekt zur frühzeitigen Berufsorientierung, das Unternehmen und Schulen zusammenbringt

Der Fach- und Arbeitskräftemangel zählt zu den größten Herausforderungen für unsere Unternehmen. Wegen des demografischen Wandels verlassen immer weniger junge Leute die allgemeinbildenden Schulen, entsprechend schwierig ist es, geeignete Bewerber für die Berufliche Ausbildung zu finden. Erschwerend kommt oft eine falsche Erwartungshaltung der Jugendlichen hinzu, die zu Enttäuschungen und im schlechtesten Fall zum Ausbildungsabbruch führen kann. Die Abbruchquote liegt bei 16 Prozent. Die Situation ist sogar noch dramatischer, was junge Menschen ohne Berufsabschluss angeht, deren Zahl auf einen Rekordwert gestiegen ist: Im Jahr 2022 verfügten 2,86 Millionen 20- bis 34-Jährige in Deutschland nicht über eine formale Qualifikation, das entspricht fast einem Fünftel dieser Altersgruppe.

Jedes zweite Unternehmen gibt an, dass realistischere Berufsvorstellungen der jungen Menschen die Ausbildung erleichtern würden. Es gilt also dringendst, die Berufsorientierung auszubauen, zu intensivieren und praxisorientierter zu gestalten. Dieser Herausforderung müssen sich Wirtschaft, Schule und Gesellschaft gemeinsam stellen. Dabei ist es insbesondere beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung bzw. in die Arbeitswelt entscheidend, dass Betriebe und Schulen noch kooperativer und gezielter zusammenarbeiten. An diesem Punkt setzen „Bildungspartnerschaften“: Als Brücken zwischen Theorie und Praxis erfreuen sich solche Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen wachsender Beliebtheit.

Im IHK-Bezirk Coburg bestehen bereits Bildungspartnerschaften: Die Mittelschule Rödental-Oeslau und die Firma Werner Lieb GmbH aus Rödental gehören zu den Ersten, die eine entsprechende Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet haben. An der feierlichen Urkundenübergabe nahmen Vertreter von Unternehmen, Schule, Schulamt, Stadtverwaltung sowie IHK zu Coburg teil. Das neue Instrument zur frühzeitigen Berufsorientierung steht unter dem Claim „Gemeinsam stark – Coburger Firmen und Schulen bilden Zukunft“. IHK-Präsident Dr. Andreas Engel erklärte: „Genau darum geht es bei einer Bildungspartnerschaft: um die verlässliche Zusammenarbeit von Schule und Unternehmen, um eine langfristige Vernetzung zwischen den Partnern. Sich in einer Bildungspartnerschaft einzubringen, bedeutet: Geben und Nehmen, um Nutzen für alle Seiten zu generieren.“

Unternehmen, die Bildungspartnerschaften eingehen, handeln besonders vorausschauend, weil sie sich schon heute mit ihrer Belegschaft von morgen auseinandersetzen, ihre Bedarfe besser planen können und durch hilfreiche Impulse zu einer Verbesserung der Ausbildungsreife beitragen. Damit erhöhen sie nicht nur die Chance auf geeignete Azubis in ausreichender Zahl, sondern übernehmen auch in besonderem Maße soziale und gesellschaftliche Verantwortung. Zudem erhalten sie vertiefte Einblicke in die schulischen Abläufe und haben die Möglichkeit, die Vielfalt der dualen Berufsausbildung aufzuzeigen. Wegen dieser Effekte ist die Firma Werner Lieb dabei: „Ich finde es sehr gut, diese Kooperation einzugehen – wir können den jungen Leuten viel bieten“, betonte Geschäftsführer Bas Groenen. Er äußerte seine Hoffnung, dass sich künftig wieder mehr Schulabsolventen für technische Berufe interessieren. „Wir müssen die jungen Leute von den beruflichen Perspektiven in unserer Region überzeugen – damit kann man gar nicht früh genug anfangen.“

Für Schulen sind Bildungspartnerschaften mit einem oder sogar mehreren lokalen Unternehmen ein wertvoller Schlüssel zur Arbeits- und Berufswelt. Die Kooperationspartner aus der gewerblichen Wirtschaft bringen Praxisnähe und Bezüge zur betrieblichen Realität, besonders die Vermittlung von technischem, naturwissenschaftlichem und wirtschaftlichem Wissen wird intensiviert. Die Schulen leisten damit unmittelbare Unterstützung für ihre Schüler beim Eintritt in das Berufsleben. Diesen wichtigen Aspekt unterstrich der Schulleiter der Mittelschule Rödental-Oeslau, Stefan Landgraf, und dankte für die Möglichkeiten, die eine Bildungspartnerschaft eröffnet. Auch Rödentals Bürgermeister Marco Steiner begrüßte die Bildungspartnerschaft: „Die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Unternehmen ist wichtig, um Ausbildungsberufe vorzustellen.“ IHK-Präsident Dr. Engel bezeichnete die Bildungspartnerschaft als „eine echte Win-Win-Situation“.

Bildungspartnerschaften sind kooperative Vereinbarungen zwischen Schulen und Unternehmen, die darauf abzielen, Schülern durch direkte Einbindung in die Arbeitswelt praktische Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln. Sie ermöglichen, das im Klassenzimmer Gelernte in realen Arbeitsumgebungen anzuwenden, wodurch die Jungen und Mädchen ein tieferes Verständnis und eine größere Wertschätzung für mögliche zukünftige Berufe entwickeln können. Damit unterstützen diese Partnerschaften nicht nur die berufliche Orientierung, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen.

Der Erfolg einer Bildungspartnerschaft basiert auf gegenseitigem Engagement und klaren Absprachen. In der Regel beginnt eine solche Kooperation mit der Identifizierung gemeinsamer Interessen und Ziele zwischen einer Schule und einem Betrieb. Beide Seiten schließen eine Partnerschaftsvereinbarung, in der sie die Umsetzung gemeinsam beschlossener Maßnahmen vereinbaren. Dazu zählen beispielsweise Betriebsbesichtigungen, Vorstellung von Ausbildungsberufen, Schülerpraktika, Patenschaften für Schüler, Bewerbungstrainings, gemeinsame Projekte in der Lehrwerkstatt sowie Infomaterial zu Unternehmen und Ausbildung. Nach jedem Schuljahr findet ein Monitoring statt, um zu prüfen, ob die gemeinsam festgelegten Ziele erreicht wurden und wie die Zusammenarbeit fortgesetzt oder auch modifiziert werden soll. Dies hilft, den Nutzen der Kooperation sowohl für die Schüler als auch für die Unternehmen sicherzustellen und Anpassungen vorzunehmen, wo nötig. Wichtig ist auch, dass es auf beiden Seiten feste Ansprechpartner gibt, die u.a. Termine und Themen koordinieren.

Die Industrie- und Handelskammer zu Coburg spielt eine entscheidende Rolle bei Anbahnung und Unterstützung von Bildungspartnerschaften. Sie dient als Vermittlerin, die Schulen und Unternehmen zusammenbringt und dabei hilft, Projekte zu entwickeln, die sowohl den Bildungszielen als auch den Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechen. „Als Ansprechpartner für Unternehmen und Schulen vermitteln, koordinieren und unterstützen wir die Bildungspartnerschaften, unter anderem durch Kontaktvermittlung und Moderation der Abstimmungsgespräche, Fachvorträge für Schüler, Lehrer und Eltern, Unterstützung bei der Evaluation sowie Feedback-Gespräche“, erläuterte Alexander Arnold, Leiter des Kompetenzzentrum 4.0 für Maschinen- Anlagenbau und Automotive der IHK zu Coburg, wo die Bildungspartnerschaften gebündelt sind.

IHK-Präsident Dr. Andreas Engel stellte heraus, dass die Berufschancen für junge Menschen derzeit sehr gut sind, es komme darauf an, sie zu erkennen und zu erschließen. Er berichtete, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Bewerber um eine Ausbildungsstelle im Agenturbezirk Bamberg-Coburg um 9,3 Prozent zugelegt hat. Damit sind die Bewerberzahlen seit 2016 zum ersten Mal wieder gestiegen – und das bei sinkenden Schulabsolventenzahlen. „Es ist eine gute Nachricht für unsere Unternehmen und ein wichtiger Schritt für jeden und jede Einzelne, wenn die Entscheidung wieder öfter zugunsten des dualen Erfolgsmodells fällt: Eine solide Ausbildung ist nun mal der perfekte Start in die Karriere mit Lehre“, so Dr. Engel.

Für die IHK zu Coburg steht das Thema Fachkräftesicherung ganz oben auf der Agenda, entsprechend flankiert die Kammer seit vielen Jahren mit unterschiedlichsten Projekten, Initiativen und Angeboten die Bemühungen der Coburger Unternehmen zur Deckung des Personalbedarfs. Beispiele sind: die jährliche Berufsbildungsmesse, die IHK-Ausbildungsscouts, die bundesweite Kampagne #könnenlernen sowie das Kompetenzzentrum 4.0 für Maschinen- Anlagenbau und Automotive. Mit den Bildungspartnerschaften gibt es nun ein weiteres Instrument zur Vorbereitung junger Menschen auf die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt.

Die Mittelschule Rödental-Oeslau und die Firma Werner Lieb zählen zu den Wegbereitern für Bildungspartnerschaften in unserem IHK-Bezirk. Einige weitere Bildungspartnerschaften sind bereits in Vorbereitung, unter anderem in Coburg, Bad Rodach sowie in Neustadt und in Ebersdorf bei Coburg.