Gemeinsam für nachhaltige Mobilität in der Innenstadt einsetzen

Viele Wege führen zum Ziel der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, ein wesentlicher Ansatzpunkt ist die Mobilität. „Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der Kreisverband Coburg-Stadt der Grünen ein ‚Sofortprogramm für eine verkehrsberuhigte Innenstadt‘ erarbeitet hat“, erklärt Dr. Andreas Engel, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Coburg. Das in den lokalen Medien bereits thematisierte Konzept beinhalte gute Anregungen, die weiter verfolgt werden sollten, wie beispielsweise Optimierung der Nutzerfreundlichkeit in den Parkhäusern, Ausbau des Parkleitsystems sowie Begrünung der Innenstadt.

Ebenso gibt es aber auch Kritikpunkte an den Vorschlägen der Grünen: „Notwendig ist ein ganzheitliches Konzept, das wirklich alle Verkehrsträger berücksichtigt, und zwar ohne ideologische Vorurteile oder Ausschlüsse. Hier aber hat man sich nur auf einen Ausschnitt der Mobilität in Coburg fokussiert und dabei auch das Umland ausgeklammert, obwohl das Oberzentrum Coburg nicht ohne die Kaufkraft des Landkreises auskommt“, stellt der IHK-Präsident fest. So drehen sich viele vorgeschlagene Maßnahmen vor allem um das Ziel, Autos aus der Stadt zu verbannen – und das gegen die ausdrücklichen Bedürfnisse der Menschen! So ist in Städten bis 50.000 Einwohner der Pkw mit Abstand das Haupt-Verkehrsmittel zum Erreichen der Innenstadt. Wenig überraschend dominiert der motorisierte Individualverkehr gerade im ländlichen Raum aufgrund mangelnder, gut ausgebauter ÖPNV-Alternative. Das ist ein Ergebnis der „Deutschlandstudie Innenstadt“ (aus dem Jahr 2022), an deren Erstellung neben dem Handelsverband Deutschland auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer beteiligt war. Eine Online-Befragung durch die Coburger „Stadtmacher“ im Sommer 2021 kam zu ähnlichen Ergebnissen: Demnach nutzen 60 Prozent der Befragten Pkw oder andere Kfz, um in die Coburger Innenstadt zu gelangen. Laut der HDE-Studie „Mobilität beim Innenstadtbesuch“ (2022) sind es sogar 63 Prozent der Befragten, die regelmäßig das Auto nutzen, um in die Innenstadt zu kommen. Für 53 Prozent ist das Auto das Hauptverkehrsmittel.

Eine repräsentative Befragung des Verbandes der Automobilindustrie zum Mobilitätsverhalten in Deutschland (2021) kam unter anderem zu dem Schluss, dass Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Innenstädten reduzieren oder ganz aus den Städten verbannen sollen, in der Bevölkerung nur wenig Unterstützung finden. Zudem sind die Menschen nicht auf eine bestimmte Mobilitätsform festgelegt, sondern offen für unterschiedliche Verkehrsmittel, soweit dies passgenau Angebote sind, die Flexibilität, Unabhängigkeit und Effizienz ermöglichen.

„All das zeigt doch, dass die Menschen ein System wollen, das auf ihre individuellen Bedürfnisse optimal abgestimmt ist. Deshalb lehnen wir als IHK solche Vorschläge ab, die von vornherein bestimmte Verkehrsträger ausschließen. Es müssen Lösungen gefunden werden, die sich in ein Gesamtkonzept einfügen, und diese Lösungen können je nach räumlicher, wirtschaftlicher, städtebaulicher und verkehrlicher Situation unterschiedlich ausfallen“, betont IHK-Präsident Dr. Engel. Beschränkungen der individuellen Mobilität vorzunehmen, ohne dass es adäquate Alternativen gibt, gehe an den Bedürfnissen der Bürger vorbei. Und ebenso wenig dürften Gewerbetreibende in ihrer wirtschaftlichen Betätigung eingeschränkt werden – eine Einschätzung, die nicht wenige Coburger Einzelhändler teilen: In Gesprächen mit Branchenvertretern wird beispielsweise oft auf die Bedeutung von Kurzzeitparkplätzen hingewiesen, um nicht gegen Einkaufszentren auf der „Grünen Wiese“ vollends zu verlieren. Im Osten der Innenstadt wird das Fehlen einer Quartierparkanlage beklagt, denn alle Parkhäuser befinden sich im Westen der Stadt, was Parksuchverkehr quer durch die Stadt mit zusätzlichem Schadstoffausstoß bedeutet. Mit Blick auf Möblierung und Begrünung der Innenstadt, wie in den Medien dargestellt, wurde öfter geäußert, dass dieses Ambiente gerade in der jetzigen Zeit, außerhalb der Vegetationsperiode, eher trostlos und traurig wirken könnte.

„Das Programm der Grünen ist eher Wunschvorstellung als auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Aber mit diesem Papier ist ein erster Schritt getan und jetzt müssen die entscheidenden Akteure – Stadtverwaltung, Wirtschaft, Tourismus, Banken, Haus- und Grundeigentümer, Vereine und Verbände, Einzelhändler und Bevölkerung – an einen Tisch, um ein für alle tragfähiges Konzept für eine lebendige, attraktive Coburger Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln“, sagt IHK-Präsident Dr. Andreas Engel. Zugleich ist er überzeugt, dass es weniger Verbote braucht, sondern mehr Anreize für neue Lösungen ganzheitlicher und nachhaltiger Mobilität. „Dazu gehören neben Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Fahrradwege eben beispielsweise auch innerstädtische Kurzzeitparkplätze, besser aufeinander abgestimmte Ampelschaltungen und die Verbesserung der Park-and-Ride-Angebote.“