Das Hinweisgeberschutzgesetz: Was müssen Unternehmen beachten?

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten, nachdem es 1 Monat vorher im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2023, Nr. 140) verkündet worden war. Der Inhalt des Gesetzes konnte dank des intensiven Einsatzes der IHK-Organisation im Bundestag und Bundesrat noch zu Gunsten der Unternehmen geändert werden.
Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss am 9. Mai 2023 und der Zustimmung des Bundesrates am 12. Mai 2023 sowie der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 2. Juni 2023 ist das Gesetzgebungsverfahren des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie abgeschlossen. Die dort erreichten Änderungen entsprechen dem, wofür die IHK-Organisation sich intensiv sowohl auf Landesebene für den Bundesrat als auch im Bundestag eingesetzt hat.

Allgemeines

Am 7. Oktober 2019 wurde die „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (2018/0106 COD) vom Rat der Europäischen Union verabschiedet und soll einerseits Hinweisgebern, sogenannten Whistleblowern, die Verstöße gegen EU-Recht melden wollen, mehr Schutz garantieren und andererseits öffentliche und private Organisationen sowie Behörden dazu verpflichten, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.
Die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland ließ lange auf sich warten. Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben der Bundestag am 11. Mai 2023 und der Bundesrat am 12. Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Das Gesetz trat am 2. Juli 2023 in Kraft.
Das HinSchG sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße melden gegen
  • Rechtnormen, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurde (zum Beispiel Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder über Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmittel, öffentliche Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz etc.).
  • bußgeldbewehrte Vorschriften, wie Regelungen zum Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Mindestlohn et cetera
  • deutsche Strafvorschriften.
Dabei stellt der Gesetzestext klar, dass der Hinweisgeberschutz nur Hinweise auf Verstöße aus dem beruflichen Umfeld umfasst.

Pflichten der Unternehmen

Nach dem Gesetz sind Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder im Finanzdienstleistungsbereich tätig sind sowie öffentliche Arbeitgeber künftig verpflichtet, ein internes Meldesystem einzurichten. Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern sollen nach dem Gesetzesentwurf nicht verpflichtet sein, ein Meldesystem einzurichten.
Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sind seit dem 2. Juli 2023 zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens verpflichtet. Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten erhalten eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Diesen Unternehmen wird zudem erlaubt, eine gemeinsam betriebene Meldestelle mit anderen Unternehmen zur Kosteneinsparung einzurichten.
Mögliche Meldewege sind:
  • telefonisch,
  • schriftlich (Mail/Brief),
  • persönlich oder
  • mittels eines Whistleblowing-Portals.
Dabei sollte ersichtlich sein, an wen die Meldung gerichtet ist, wer Zugriff auf diese hat, wie mit Rückfragen verfahren wird und innerhalb welcher Frist eine Rückmeldung erfolgen sollte. Dem Hinweisgeber muss auch ermöglicht werden, zwischen einer schriftlichen und einer mündlichen Übermittlung wählen zu können. Das Gesetz sieht zudem vor, dass die Personen, die für die Entgegennahme der Meldungen zuständig sind, regelmäßig geschult werden. Meldungen sind zu dokumentieren und auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, um anschließend entsprechende Folgemaßnahmen, wie etwa interne Untersuchungen oder die Abgabe an eine zuständige Stelle, einzuleiten. Es besteht zudem keine Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldekanäle.
Die Unternehmen sind verpflichtet, dem Hinweisgeber auf eine Meldung hin innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung zu geben.

Hinweisgeber

Das Gesetz sieht all diejenigen als Hinweisgeber an, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die vom Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darunter fallen beispielsweise Angestellte, Freiwillige, Praktikanten, nicht geschäftsführende Mitglieder oder Gesellschafter.
Den Hinweisgebern wird ein Wahlrecht eingeräumt, wie sie einen Verstoß melden möchten. Es steht ihnen frei, den Hinweis erst über den intern eingerichteten Meldeweg an das Unternehmen weiterzugeben oder unmittelbar an eine (externe) Behörde. Dabei sollen Arbeitgeber Anreize für Beschäftigte schaffen, zunächst interne Meldeverfahren zu nutzen. Die Ausgestaltung dieser Anreize wird zwar durch das Gesetz nicht vorgegeben. Dennoch wird davon auszugehen sein, dass der Zugang zu den externen Meldestellen nicht durch interne Vorschriften oder Vereinbarungen eingeschränkt werden darf.

Folgen eines Verstoßes gegen das HinSchG

Ein Verstoß gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG wird als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet.
Ein Unternehmen, das gegen eine hinweisgebende Person Repressalien (zum Beispiel Gehaltskürzung) verhängt, macht sich gegenüber der hinweisgebenden Person schadensersatzpflichtig. Im Gegenzug ist die hinweisgebende Person im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet.
Der Bußgeldrahmen wurde durch den Vermittlungsausschuss von 100.000 Euro auf 50.000 Euro abgesenkt. Zudem wird für eine Übergangszeit von 6 Monaten kein Bußgeld wegen der fehlenden Einrichtung von Meldekanälen verhängt.

Empfehlung

Unternehmen mit mehr 249 Beschäftigten müssen sich sputen, ihr internes Meldesystem in Kraft zu setzen, weil für sie nur ein Monat ab der Veröffentlichung Zeit bleibt. Eine Schonfrist gibt es allerdings insofern, als zumindest 6 Monate lang kein Bußgeld droht, wenn sie noch keine Meldekanäle eingerichtet haben. Dennoch gilt trotz Schonfrist: Jedes Unternehmen, das keine internen Meldemöglichkeiten anbietet, muss damit rechnen, dass Hinweisgeber sich dann direkt mit ihren Hinweisen an die externe Meldestelle (Behörden) wenden.
Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten bleibt noch Zeit bis zum 17. Dezember 2023. Danach gilt aber auch hier, dass jede interne Meldung hilft, Verstöße unternehmensintern zu beseitigen und externe Meldungen mit entsprechenden Reputationsschäden zu vermeiden.
Da es im Eigeninteresse jedes Unternehmens ist, die internen Meldemöglichkeiten so auszugestalten, dass Hinweisgeber aufgrund von niedrigen Hemmschwellen und Vertrauen sich zunächst an diese wenden, sollten Unternehmen sich zeitnah darüber Gedanken machen,
  • ob bereits ein Hinweisgebersystem besteht und inwieweit dieses angepasst werden müsste.
  • welche Meldekanäle eingerichtet werden sollen, wie die Vertraulichkeit gewahrt werden kann und wie die Mitarbeiter (und gegebenenfalls auch andere hinweisgebende Personen) darüber informiert werden können.
  • ob auch anonyme Meldungen möglich sein sollen, wofür nach dem aktuellen Gesetzestext jedoch keine Verpflichtung besteht.
  • wer innerhalb des Unternehmens zuständig sein soll für die Entgegennahme und Bearbeitung der Hinweise, auch im Hinblick auf die Wahrung der Vertraulichkeit und ob die zuständigen Personen auch unabhängig und ausreichend qualifiziert sind.
  • auf welche Weise die konkrete Vorgehensweise bei einer Meldung ausgestaltet und dokumentiert wird, wohlmöglich sogar durch einen externen Dienstleister.
Des Weiteren sollten unbedingt in die Überlegungen die jeweiligen Datenschutzbeauftragten und notwendigen Fachbereiche sowie der Betriebsrat und die Personalabteilung mit einbezogen werden. Insbesondere die Personalabteilung muss sich bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegenüber einer hinweisgebenden Person über die durch das Gesetz verschärfte Beweislastregel bewusst sein. Wenn der Hinweisgeber eine Benachteiligung infolge einer Meldung bzw. Offenlegung geltend macht, muss zukünftig das Unternehmen beweisen, dass nicht der Hinweis zu der jeweiligen arbeitsrechtlichen Maßnahme geführt hat, sondern dass es dafür andere Gründe gab.