PM 67 | 23.06.2022

Ausrufung der Alarmstufe in der Gasversorgung

„Die Ausrufung der Alarmstufe Gas durch das Bundeswirtschaftsministerium betrachten wir als wichtigen Schritt, um verstärkt Kohle- statt Gaskraftwerke für die Stromerzeugung zu nutzen. Bei einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen besteht jetzt grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass entlang der Lieferkette die Gaspreise angepasst werden.
Diese Preisanpassungen bei bestehenden Verträgen hätten gravierende wirtschaftliche Auswirkungen und müssen deshalb sehr wohl überlegt sein. Deshalb sind wir froh, dass die Bundesregierung von diesem Instrument noch nicht Gebrauch macht“,
so kommentiert Martin Witschaß, stellvertretender Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Chemnitz, die aktuelle Situation.
„Die Ausrufung der Alarmstufe zeigt, dass wir alle Hebel in Gang setzen müssen, um eine Gasmangellage – insbesondere in Ostdeutschland - zu verhindern.
Neben Energieeffizienzmaßnahmen sind jetzt vor allem Energieträgersubstitution im Großen und Kleinen gefragt. Klar ist, dass wir mehr Erneuerbare und vor allem Speichermöglichkeiten brauchen, trotzdem müssen jetzt dogmatische Denkverbote - Stichwort Atomstrom oder mittelfristig Fracking – über den Haufen geworfen werden“,
so Witschaß weiter.

Die IHK Chemnitz fordert in der aktuellen Situation:
  • Sicherstellung der Versorgungssicherheit in ganz Deutschland, unter Berücksichtigung der fehlenden Gaspipelines zwischen Ost- und Westdeutschland
  • Vermeidung von Preisdifferenzierungen bei Gas und Öl zwischen Ost- und Westdeutschland
  • Überprüfung der Preisfindungsmechanismen am Strommarkt (Merit Order), in dem die teuren Gaskraftwerke den Strompreis bestimmen
  • Reduzierung von Energiepreisunterschieden zwischen Europa und Deutschland
  • schnelle Bereitstellung von Liquiditätshilfen und Zuschüsse für von den Energiepreissteigerungen stark betroffenen Unternehmen
  • Kompensationen bei Gasmangellagen
  • die Schaffung finanzieller Anreize für freiwillige Reduzierung des Gasverbrauchs von Großverbrauchern
  • die Unterstützung von Energieeffizienzmaßnahmen und Energieträgersubstitutionen zur Reduzierung der Importabhängigkeit durch Sonderabschreibungen und Fördermaßnahmen
  • die größtmögliche Nutzung von behördlichen Ermessensspielräumen bei energetischen Prozessen (Genehmigungen, Anpassungen Temperaturen Arbeitsstättenverordnung, BImSchG)

Hintergrund:
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am Donnerstag die Alarmstufe der Gasversorgung ausgerufen. Die Alarmstufe ist die zweite von drei Stufen im Notfallplan Gas. Von dem sogenannten Preisanpassungsmechanismus, den der Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes ermöglicht, macht die Bundesregierung allerdings vorerst keinen Gebrauch.
Die Alarmstufe bringt noch keine staatlichen Eingriffe in den Gasmarkt. Die Ausrufung der Alarmstufe ist aber auch Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung, verstärkt Kohlekraftwerke ans Netz zu holen, um den Gasverbrauch im Stromsektor zu reduzieren. Dies ist festgehalten im Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz, das am 8. Juli den Bundesrat passieren soll und dann nach einer Konkretisierung per Ministerverordnung rasch greifen soll.
Erst mit der Notfallstufe als letzten Schritt der Eskalationsleiter würde die Bundesnetzagentur in einer Gasmangellage zuteilen, wer noch Gas bekommt. Private Haushalte sind besonders geschützt und sollen möglichst lange versorgt werden. Die Industrie müsste sich dann auf Kürzungen einstellen.
Grund für die Ausrufung der Alarmstufe ist die seit dem 14. Juni bestehende Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und das weiterhin hohe Preiseniveau am Gasmarkt. Zwar sind die Gasspeicher laut Bundeswirtschaftsministerium mit 58 Prozent stärker gefüllt als im Vorjahr, dennoch droht bei den aktuell niedrigen Gaszuflüssen über North Stream 1 eine Mangellage.
Ansprechpartner IHK:
Martin Witschaß
Tel. 0371 6900-1250