Reisegewerbe
Definition
Reisegewerbetreibender ist, wer gewerbsmäßig ohne vorherige Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben
- Waren feilbietet und/oder Bestellungen aufsucht und/oder
- Waren ankauft und/oder
- Leistungen anbietet und/oder
- Bestellungen auf Leistungen aufsucht
- unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt
Beispiele sind der Vertreter an der Haustür, der Verkauf "aus dem Bauchladen" und andere Formen der Erwerbstätigkeit "im Umherziehen". Wer einen Straßenstand betreibt, der täglich auf- und abgebaut wird, ist ebenfalls Reisegewerbetreibender.
Wer auf Grund vorheriger Terminvereinbarung ins Haus kommt, um z. B. eine Ware zu liefern oder eine Reparatur auszuführen, ist kein Reisegewerbetreibender (z. B. mobile Massage/mobile Fußpflege mit vorheriger Bestellung).
Wer bedarf einer Reisegewerbekarte?
Der Reisegewerbetreibende benötigt eine Reisegewerbekarte. Zuständig ist die Wohnsitz-Gemeinde. Für Reisegewerbetreibende aus Drittstaaten und für Reisegewerbetreibende aus EU- und EWR-Vertragsstaaten (soweit erforderlich) ist diejenige Behörde zuständig, in deren Bezirk das Reisegewerbe ausgeübt wird bzw. werden soll.
Da solche Reisegewerbetreibende vielfach bundesweit tätig sind, ist für die Bestimmung der behördlichen Zuständigkeit auf den Bezirk abzustellen, in dem das Reisegewerbe überwiegend ausgeübt wird.
Bei Gewerbetreibenden aus sogenannten Nicht-EG-Ländern müssen vor Aufnahme einer Reisegewerbetätigkeit die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein.
Vom Grundsatz der Erfordernisse einer Reisegewerbekarte gibt es jedoch Ausnahmen. Einer Reisegewerbekarte bedarf danach zum Beispiel nicht, wer
-
von einer mobilen Verkaufsstelle in regelmäßigen, kürzeren Zeitabständen an derselben Stelle Lebensmittel oder andere Waren des täglichen Bedarfs vertreibt;*
-
Druckwerke auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten anbietet; *
-
gelegentlich an nach Titel IV festgesetzten Veranstaltungen (Märkte, Messen, Ausstellungen) teilnimmt;
-
selbst gewonnene Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft, des Gemüse-, Obst- und Gartenbaus, der Geflügelzucht und Imkerei sowie der Jagd und Fischerei vertreibt;
- ein Reisegewerbe in der Gemeinde seines Wohnsitzes oder seiner gewerblichen Niederlassung ausübt, sofern die Gemeinde nicht mehr als 10 000 Einwohner zählt;*
* Aber hier: Anzeige nach § 55 c GewO bei der zuständigen Behörde (Stadt/Gemeinde) erforderlich, soweit nicht schon ein "stehendes Gewerbe" nach § 14 GewO angezeigt worden ist.
Die Reisegewerbekarte muss bei Ausübung der Tätigkeit mitgeführt werden und auf Verlangen den zuständigen Behörden oder Beamten vorgezeigt werden.
Eine Reisegewerbekarte ist nicht erforderlich, wenn der Gewerbetreibende andere Personen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufsucht (z. B. Anzeigenvertreter sucht ohne vorherige Vereinbarung ein Unternehmen auf).
Wie erhalte ich eine Reisegewerbekarte?
Die Reisegewerbekarte ist bei der zuständigen Gewerbebehörde (Gemeinde) zu beantragen. Auf die Erteilung der Reisegewerbekarte besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch; bei Unzuverlässigkeit des Antragstellers ist sie zu versagen. Demgemäß sind bei der Antragstellung ein Führungszeugnis und ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister beizubringen. Der Antrag ist auf einem Formular zu stellen, das bei den Gemeinden erhältlich ist. Die Reisegewerbekarte gilt für die gesamte Bundesrepublik.
Will der Reisegewerbetreibende auf öffentlichen Straßen und Plätzen tätig werden, so benötigt er (in der Regel zusätzlich) eine Sondernutzungserlaubnis.
Setzt der Reisegewerbetreibende Beschäftigte seines Unternehmens für diese Tätigkeit ein, ist den Beschäftigten eine Zweitschrift oder beglaubigte Kopie der Reisegewerbekarte auszuhändigen, wenn diese mit Kunden in Kontakt treten sollen.
Die Behörde kann dem Reisegewerbetreibenden die Beschäftigung einer Person im Reisegewerbe untersagen, wenn diese Person die für das Reisegewerbe erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Welche Tätigkeiten sind im Reisegewerbe nicht gestattet?
Im Reisegewerbe können von einigen Ausnahmen abgesehen die gleichen Tätigkeiten ausgeübt werden wie im stehenden Gewerbe. Um spezifische Gefahren abzuwehren, die vom Reisegewerbe ausgehen können, sind jedoch einige Tätigkeiten verboten:
Der Vertrieb von:
- Giften und gifthaltigen Waren; zugelassen ist das Aufsuchen von Bestellungen auf Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel sowie auf Holzschutzmittel, für die nach baurechtlichen Vorschriften ein Prüfbescheid mit Prüfzeichen erteilt worden ist,
- Bruchbändern, medizinischen Leibbinden, medizinischen Stützapparaten und Bandagen, orthopädischen Fußstützen, Brillen und Augengläsern; zugelassen sind Schutzbrillen und Fertiglesebrillen,
- elektromedizinischen Geräten einschließlich elektronischer Hörgeräte; zugelassen sind Geräte mit unmittelbarer Wärmeeinwirkung,
- Wertpapieren, Lotterielosen, Bezugs- und Anteilscheinen auf Wertpapiere und Lotterielose; zugelassen ist der Verkauf von Lotterielosen im Rahmen genehmigter Lotterien zu gemeinnützigen Zwecken auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen oder anderen öffentlichen Orten,
- Schriften, die unter Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden;
Das Feilbieten und der Ankauf von.
- Edelmetallen (Gold, Silber, Platin und Platinbeimetallen) und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie Waren mit Edelmetallauflagen; zugelassen sind Silberschmuck bis zu einem Verkaufspreis von 40 Euro und Waren mit Silberauflagen,
- Edelsteinen, Schmucksteinen und synthetischen Steinen sowie von Perlen;
Das Feilbieten von:
- alkoholischen Getränken; zugelassen sind Bier und Wein in fest verschlossenen Behältnissen, alkoholische Getränke im Sinne von § 67 Abs. 1 Nr. 1 zweiter und dritter Halbsatz Gewerbeordnung und alkoholische Getränke, die im Rahmen und für die Dauer einer Veranstaltung von einer ortsfesten Betriebsstätte zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden.
Der Abschluss sowie die Vermittlung von Rückkaufgeschäften (§ 34 Abs. 4 Gewerbeordnung) und die für den Darlehensnehmer entgeltliche Vermittlung von Darlehensgeschäften.
Handwerk im Reisegewerbe
Wann gilt eine Tätigkeit als im Reisegewerbe ausgeübt und wann unterliegt sie als stehendes Gewerbe der Handwerksordnung und damit dem Meistervorbehalt?
Der grundsätzliche Unterschied ist, wie der Gewerbetreibende seinen Auftrag erhält: Im Reisegewerbe muss die Initiative zur Erbringung der Leistung eindeutig vom Anbietenden ausgehen. Er muss also die potenziellen Kunden aufsuchen und nach Aufträgen fragen. Wer nach vorheriger Terminvereinbarung zum Kunden ins Haus kommt, ist kein Reisegewerbetreibender, sondern führt ein stehendes Gewerbe. Allerdings darf der Reisegewerbetreibende vorbereitende Tätigkeiten getrennt vom eigentlichen Auftrag ausführen (z. B. Maße nehmen, Kostenvoranschläge erstellen, sonstige geringfügige Vorarbeiten).
Sind die Voraussetzungen für ein Reisegewerbe gegeben, unterliegt dieses nicht den Bestimmungen der Handwerksordnung (kein Meister erforderlich, keine Handwerkskammerzugehörigkeit).
Ein Handwerker benötigt meist eine Werkstatt. Folgt daraus automatisch, dass es sich um ein stehendes Gewerbe handelt?
Nein, nach § 55 Abs. 1 GewO kann Reisegewerbe auch ausgeübt werden, wenn der Gewerbetreibende eine Werkstatt hat. Diese darf jedoch nur für die Ausführung der vorbereitenden Tätigkeiten (s. o.) verwendet werden. Kann dies bejaht werden, reicht eine Reisegewerbekarte aus.
Ist die Betriebsstelle jedoch "Anlaufstelle" auch für Kunden und ihre Aufträge, handelt es sich um ein dem Handwerksrecht unterliegendes stehendes Gewerbe, für das eine Eintragung in der Handwerksrolle erforderlich ist. Einer zusätzlichen Reisegewerbekarte bedarf es wohl nicht. Ist eine feste Werkstatt vorhanden, spricht der Anschein für ein stehendes Handwerk.
Erfordert die Ausübung von Handwerk im Reisegewerbe eine sofortige Arbeitsausführung?
Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Leistung nicht sofort erbracht werden muss, vielmehr kann die Ausübung der Arbeiten nach einem vorausgehenden Angebot durch den Reisegewerbetreibenden vor Ort auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Wie ist es zu bewerten, dass Auftraggeber nach dem Geschäftskontakt sich dann an den Anbieter wenden, um ihm weitere Aufträge zu erteilen?
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dem konkreten Fall nicht dazu geäußert. Zudem ist heute durch die Benutzung von mobilen Kommunikationsmitteln das Erhalten von Aufträgen auch ohne Büro bzw. Werkstatt möglich.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gewerbetreibende die Schwelle zum stehenden Gewerbe nicht überschreiten darf. Daher ist in diesen Fällen im Zweifel davon auszugehen, dass ein stehendes Gewerbe ausgeübt wird. Dann greift die Handwerksordnung, und der Gewerbetreibende muss seinen Meister oder eine vergleichbare Qualifikation nachweisen.
Welche Anwendungsfälle für handwerkliche Tätigkeiten im Reisegewerbe sind dann denkbar?
Nach dem Bundesverfassungsgericht kann es sich nur um "Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle beim Kunden" handeln. Damit wird der Bereich einer reisegewerblichen Handwerkstätigkeit zutreffend eng gesehen.
Ist Werbung möglich?
Werbung für die reisegewerbliche Tätigkeit ist nur sehr eingeschränkt möglich. Anzeigen können nicht geschaltet werden, da bei einer telefonischen Bestellung aufgrund einer Anzeige kein Reisegewerbe mehr vorliegt, sondern ein stehender Gewerbebetrieb (s.o.). Möglich sind jedoch Autowerbung "Reisegewerbe Hair Design Maria Mustermann" oder die Verteilung von Handzetteln (ohne Kommunikationsdaten), mit denen der Reisegewerbetreibende seinen Besuch ankündigt "Sie benötigen einen neuen Haarschnitt? - Reisegewerbe Hair Design Maria Mustermann besucht Sie morgen zwischen 15-18 Uhr".
Um eine Irreführung der Kundschaft zu vermeiden, dass der Reisegewerbetreibende keinen Meisterbetrieb führt, empfiehlt es sich, einen Hinweis auf das Reisegewerbe in die Werbung mit aufzunehmen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Besteller dann ohne weiteres bewusst, dass keine Meisterqualifikation vorliegt.
Um eine Irreführung der Kundschaft zu vermeiden, dass der Reisegewerbetreibende keinen Meisterbetrieb führt, empfiehlt es sich, einen Hinweis auf das Reisegewerbe in die Werbung mit aufzunehmen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Besteller dann ohne weiteres bewusst, dass keine Meisterqualifikation vorliegt.
Diese Übersicht zu Handwerkstätigkeiten im Reisegewerbe wurde mit der gebotenen Sorgfalt erstellt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann jedoch keine Gewähr übernommen werden. Die vorstehenden Informationen geben ausschließlich die Rechtssicht der IHK-Organisation wieder, die in einigen Punkten von der Sichtweise der Handwerkskammern abweicht.