Entschädigung wegen Altersdiskriminierung versagt
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zielt unter anderem darauf ab, Diskriminierungen wegen des Alters zu unterbinden. Im Bereich des Zivilrechts kann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter Umständen zum Entstehen eines Entschädigungsanspruchs der benachteiligten Person führen.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch am 05.05.2021 geurteilt, dass eine Privatperson, der der Zutritt zu einem Konzert verwehrt wurde, in der dortigen Konstellation keine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG bekommt (Az. VII ZR 78/20).
Es lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der 44-jährige Kläger wollte 2017 ein Open-Air-Konzert mit elektronischer Musik besuchen. Die Teilnehmerkapazität betrug 1.500 Personen. Karten waren nur am Abend im Rahmen der Einlasskontrolle zu erwerben, nicht im Vorverkauf. Der Kläger und seine ca. gleichaltrigen Begleiter wurden jedoch abgewiesen, da sie nicht der vom Veranstalter definierten Zielgruppe (18-28jährige) entsprachen. Der Kläger sah sich darin wegen seines Alters diskriminiert.
Die Entscheidung: Der BGH urteilte vorliegend, dass der im Raum stehende Werkvertrag in dieser Konstellation kein „Massengeschäft“ oder ähnliches Schuldverhältnis im Sinne von § 19 AGG darstellt. Veranstaltungen dieser Art zeichneten sich dadurch aus, dass eine Interaktion zwischen den Teilnehmern entstehe. Daher wurde ein legitimes Interesse darin gesehen, wenn der Veranstalter vorab eine Zielgruppe definiere und dementsprechend eine individuelle Auswahl treffe, wer Zutritt erhalte. Das dies vorliegend mit Bezug zum Alter geschehe sei unschädlich. Die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs lagen daher nicht vor.
Daraus folgt:
- Bei der Durchführung einer Veranstaltung handelt es sich in der Regel um einen Werkvertrag zwischen 2 Privaten. Diese Verträge sind im Allgemeinen „Massengeschäfte“ im Sinne von § 19 AGG. Ein „Massengeschäft“ ist gegeben, wenn der Anbieter grundsätzlich zum Vertragsabschluss mit Jedermann bereit ist. Demnach führt eine Differenzierung nach dem Alter potentiell zu einem Entschädigungsanspruch. Weitere unzulässige Unterscheidungsmerkmale nach § 19 AGG sind: Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung oder die sexuelle Identität.
- Zu beachten ist, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei dieser Art von Verträgen für die Begründung, Durchführung und Beendigung eines Vertragsverhältnisses gilt – demnach also für alle Stadien von der Vertragsanbahnung bis zum Abschluss der Rechtsbeziehung.
- Ein konkreter Vertrag stellt kein „Massengeschäft“ dar, wenn der Veranstalter/Anbieter ersichtlich ein besonderes und nachvollziehbares Interesse an der Einflussnahme auf die Gruppe der Teilnehmer hat (z. B. durch Definition einer Zielgruppe). Ein Anzeichen für die Relevanz der Zugehörigkeit zur Zielgruppe ist es, wenn die Eintrittskarten z. B. nur an der Abendkasse und nicht im – anonymen – Vorverkauf angeboten werden. Solch ein Fall lag der BGH-Entscheidung zugrunde; daher wurde die Entschädigung abgelehnt.
- Die Verletzung des Benachteiligungsverbots führt nach § 20 des AGG auch dann nicht zu einem Entschädigungsanspruch, wenn ansonsten ein sachlicher Grund für eine eintretende Ungleichbehandlung vorliegt.
- Vorstehende Grundsätze gelten für den Großteil aller zivilrechtlichen Vertragstypen (z. B. auch für Kauf- und Dienstverträge).