Gemeinsames Positionspapier von Arbeitnehmerkammer Bremen und Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven zur Gewerbeflächenpolitik
Mit dem GEP-Prozess steht die bremische Wirtschaftsstrukturpolitik vor einer wichtigen Weichenstellung: Wie entwickelt die Stadt ihre Gewerbegebiete weiter? Eine wichtige Priorität des Senats muss es sein, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für Gewerbeansiedlungen zu schaffen, um so Arbeitsplätze und Unternehmen sowie letztlich die mit Wertschöpfung verbundenen direkten und indirekten Steuereinnahmen für das Bundesland zu sichern. Der gesamte Senat muss hierzu an einem Strang ziehen und sich für einen starken Wirtschaftsstandort mit sicheren Arbeitsplätzen einsetzen.
- Arbeit braucht Fläche
- Flächen nach innen entwickeln
- Flächenvorratspolitik
- Innerstädtische Flächen für Produktion und Handwerk
- Gebietsmanagement flächendeckend entwickeln
- Attraktive Jobs für Fachkräfte in attraktiven Gewerbegebieten
- Prüfung und Entwicklung interkommunaler Gewerbegebiete in Kooperation mit den Umlandgemeinden
Arbeit braucht Fläche
Die Stadt Bremen ist heute mit gut 48.000 Beschäftigten im Automobilbau, der Luft- und Raumfahrt, der Stahlbranche, der Lebensmittelwirtschaft und vielen weiteren Zweigen des verarbeitenden Gewerbes einer der größten Industriestandorte Deutschlands. Häufig profitieren die dort Beschäftigten von Tarifbindung und guten Löhnen. Die Industrie in der Hansestadt sichert gute Arbeit und eine hohe Kaufkraft. Bremen ist zudem Hafenstandort und die Industrie ist auf eine leistungsstarke Logistik angewiesen. Mit gut 29.000 Beschäftigten im Bereich Verkehr und Lagerei gehört die Hansestadt somit auch zu den großen deutschen Güterdrehkreuzen. Industrie und Logistik stellen gemeinsam fast 30 Prozent aller Arbeitsplätze in der Stadt. Zudem erarbeiten sie einen bedeutenden Teil der Wertschöpfung. Allein das verarbeitende Gewerbe stellt 21 Prozent der stadtbremischen Bruttowertschöpfung. Industrie und Logistik sind für ihre Entwicklung auf ein gutes Flächenangebot in klassischen Industrie- und Gewerbegebieten angewiesen. Politik und Verwaltung müssen also durch geeignete Maßnahmen ein dauerhaftes Angebot sichern.
Flächen nach innen entwickeln
Richtig ist aber auch: die Flächenressourcen in einer Großstadt wie Bremen sind endlich. Um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben, ist ein sparsamer Umgang mit Flächen wichtig. Wo möglich und sinnvoll sollte daher die Nachverdichtung von Bestandsgebieten Vorrang in der Gewerbeflächenpolitik haben. Gewerbeflächen und Unternehmensansiedlungen sind kein Selbstzweck. Sie müssen als ein Instrument für mehr und gute Beschäftigung sowie stabile Steuereinnahmen gesehen werden. Ziel von Gewerbeflächenpolitik muss es sein, möglichst hohe Arbeitsplatzeffekte und Arbeitsplatzdichten anzustreben. Zwar hat beispielsweise die Logistik branchentypisch einen deutlich niedrigeren Arbeitsplätzebesatz als etwa ein Hightech-Standort wie der Technologiepark mit hoher Büronutzung. Dennoch sollten Politik und Verwaltung gemeinsam mit den Unternehmen Potenziale identifizieren und heben, um eine effizientere und innovative Bodennutzung - auch und gerade im Logistiksegment - zu erreichen. Dies sollte von allen Akteuren als Ansporn verstanden werden, eine Vorreiterrolle im bundesdeutschen Raum einzunehmen. Das im Rahmen des GEP 2030 vorgesehene Monitoring zur Entwicklung von Bestandsgebieten ist daher ein notwendiger und richtiger Schritt.
Flächenvorratspolitik
Die Gewerbeflächenentwicklung ist angesichts eines engen Haushaltsrahmens, der besonderen Stadtgeografie Bremens sowie endlicher Flächenreserven und vielschichtiger Flächenkonkurrenzen eine besondere und dauerhafte Herausforderung. Dies umso mehr, da Flächenentwicklungen stets Vorläufe von bis zu zehn Jahren haben. Um für Gewerbe und Industrie weiterhin Ansiedlungs- und Erweiterungsangebote erstellen zu können, müssen die kommunalen Flächen effizient und nachhaltig genutzt werden.
Das Gewerbeflächenangebot ist in der Stadt Bremen allerdings nicht hinreichend angebotsorientiert, was schwer wiegt, weil bei Investitionsentscheidungen für den Standort Bremen die Flächen bereits vorhanden sein müssen. Jedoch sind die erschlossenen Flächen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen - die Erschließung neuer Gewerbeflächen hält gegenwärtig nicht mit der Vermarktung der vorhandenen Gewerbeflächen Schritt. Die bereinigte Dispositionsreserve beläuft sich derzeit auf knapp 30 Hektar, die unmittelbar für eine Vermarktung zur Verfügung stehen. Bremen sollte als Dispositionsreserve ein differenziertes Angebot an ungebundenen, unreservierten, marktgängigen und sofort verfügbaren Gewerbeflächen im Umfang von rund 100 Hektar vorhalten - hierbei sind Potenziale der Innenentwicklung und Flächenoptimierung einzubeziehen.
Für einen anzustrebenden Beschäftigungsaufbau und Neuansiedlungen sind in einem bestimmten Maß auch neue Gewerbeflächenausweisungen nötig. Dieses Instrument sollte auch über das Jahr 2030 hinaus zur Verfügung stehen. Die A 281 stellt eine enorm wichtige verkehrs- und wirtschaftsstrukturpolitische Maßnahme dar. Mit Blick auf zusätzliche Beschäftigungseffekte gilt es, die von der Vollendung des Autobahnrings um Bremen ausgehenden Entwicklungsimpulse für die anliegenden Gewerbegebiete zu nutzen.
Innerstädtische Flächen für Produktion und Handwerk
Im Bremer Stadtgebiet stehen nur wenige Gewerbeflächenreserven für KMU aus den Bereichen kleinteiliges verarbeitendes Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung und Technologie zur Verfügung. Hier deutet sich bereits eine auch in anderen Kommunen zu erkennende Tendenz an, dass Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und der allgemeinen materiellen Produktion aus dem städtischen Raum verdrängt werden. Um eine funktionale Ausdünnung der Stadt zu verhindern und in einer wachsenden Stadt im Sinne einer vielfältigen funktionalen Mischung auch Orte für das produzierende Gewerbe zu erhalten, sind vorhandene Flächenpotenziale beschleunigt zu entwickeln und die hierfür erforderlichen finanziellen Rahmenbedingungen zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Mit dem Ziel, urbane Produktion und Wertschöpfung zu erhöhen sowie bestehenden Betrieben eine Entwicklung am bzw. nahe zum eigenen Standort zu ermöglichen, sollten die vorhandenen Standorte weiter qualifiziert und ggf. auch räumlich weiterentwickelt werden.
Im Bremer Westen besteht beispielsweise mit dem Gewerbegebiet Bayernstraße ein traditionell gewachsener, gefestigter und gut funktionierender Standort. Die ansässigen Unternehmen stellen einen Branchenmix aus den Bereichen Handwerk, Produktion und Dienstleistung dar. Auf Grund der Verkehrsgunst und der Lagevorteile in der Stadt ist dieses Gebiet hochattraktiv. Eine Erweiterung des Areals sollte dringend geprüft werden, um so Flächennachfragen bedienen zu können. Im Zuge dessen könnte die verkehrliche Anbindung des Gebietes verbessert, die bestehenden Belastungen infolge des zu verzeichnenden gewerblichen Verkehres durch das südlich angrenzende Wohngebiet reduziert und damit die aktuell verfolgte Lärmminderungsstrategie des Senats unterstützt werden.
Eine Profilierung des Gebiets sollte auch das Thema Klimaschutz/Klimaneutralität widerspiegeln, indem beispielsweise die Dächer neuer Gewerbeimmobilien durchgehend mit Solaranlagen bestückt werden und die Art der Energieversorgung von vornherein einen Vorbildcharakter aufweist. Zum besonderen Profil einer erweiterten Bayernstraße sollte auch gehören, dass neue Gewerbeflächen insbesondere der Erweiterung und Ansiedlung lokaler Betriebe dienen, die aus den Bereichen mittelständischer Produktion und Handwerk kommen und deren Hauptabsatzgebiete in der Stadt Bremen und dem näheren Umland liegen.
Gebietsmanagement flächendeckend entwickeln
Um konkrete Potenziale, Bedarfe und Herausforderungen zu erkennen, reicht ein gesamtstädtischer Blick nicht aus. Es bedarf eines genauen und koordinierten Blicks auf die einzelnen Gewerbegebiete selbst. Das gilt insbesondere für ältere, gewachsene Bestandsgebiete, die nicht im Fokus von Clusterpolitik und Neuvermarktung stehen. Kommunen in den Niederlanden haben langjährige positive Erfahrungen mit dem Instrument des Gewerbegebietsmanagements gemacht. Es agiert als proaktive Kümmerin, die die Entwicklung ihres Gewerbegebiets im gemeinsamen Interesse von Stadt und Unternehmen steuert. Das Instrument erfährt auch in Deutschland Zuspruch, auch in Bremen sind jüngst zwei Gewerbegebietsmanagerinnen für kleine Gewerbegebiete im Bremer Westen und Süden eingestellt worden.
Gewerbegebietsmanagements können etwa dabei helfen, nicht erwünschte Fehlnutzungen und Probleme, etwa durch Vermüllung und fremdparkende Lkw, zu erkennen. Außerdem können sie Unternehmen dabei unterstützen, gemeinsam von mehreren Betrieben genutzte Infrastrukturen (wie 3D-Drucker, Gabelstapler, Ladesäulen etc.) zu etablieren. Ebenso können Sie Bedarfe für eine bessere digitale Infrastruktur identifizieren, um die Gebiete auf dem aktuellen Stand zu halten und langfristig attraktiv für Unternehmensentwicklungen zu machen. Die Erfahrungen aus dem Bremer Pilotprojekt leisten einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Gewerbegebiete Bremens. Perspektivisch sollten Gewerbegebietsmanager/-innen für alle Bremer Gewerbegebiete eingeführt werden.
Zu den Aufgaben eines Gewerbegebietsmanagements gehört auch der konsequente Einbezug der Bestandsunternehmen sowie insbesondere die Abfrage und mögliche Berücksichtigung von Entwicklungsvorhaben und Flächenbedarfen dieser Unternehmen bei Vermarktungsaktivitäten im Umfeld dieser Standorte.
Attraktive Jobs für Fachkräfte in attraktiven Gewerbegebieten
Das Gebietsmanagement muss die Interessen aktueller und zukünftiger Beschäftigter systematisch berücksichtigen. Viele Gewerbegebiete leiden auf Grund ihrer planungsrechtlichen Struktur, Randlage und Historie an einem Mangel an geeigneten Infrastrukturen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitsplatznahe und ansprechende Angebote der Gastronomie, etwa für den Mittagstisch, Supermärkte für den Einkauf nach Feierabend, Kitas vor Ort aber auch Grünflächen, um vom Arbeitsalltag kurz abschalten zu können, sind nicht nur ein Element guter Arbeit, sie leisten einen Beitrag zur Fachkräftegewinnung für die Stadt. Gewerbegebiete - neue wie alte - müssen sich dem stellen und Angebote entwickeln. Gegebenenfalls müssen planungsrechtliche Grundlagen, wie Bebauungspläne, angepasst werden. Gesamtstädtische Konzeptionen, wie das Zentren- und Nahversorgungskonzept, können in Einzelfällen einer gewünschten Fortentwicklung von Gewerbegebieten entgegenstehen. Daher muss es nach sorgfältiger Prüfung möglich sein, Abweichungen von den Festschreibungen solcher Programme zuzulassen. Die verkehrstechnische Anbindung der Gebiete für alle Verkehrsträger ist zu reflektieren und den Bedarfen anzupassen. Insbesondere muss ein leistungsfähigerer und attraktiverer ÖPNV entwickelt werden, durch den Erreichbarkeit aus Stadt und Umland für den Arbeitsweg, nicht nur zu den Stoßzeiten, garantiert wird. Dies ist eine wichtige Herausforderung für die Zukunft. Attraktive Gewerbegebiete mit einer ansprechenden arbeitsplatznahen Infrastruktur sind ein Baustein, Bremen für Fachkräfte attraktiv zu machen und zu halten.
Prüfung und Entwicklung interkommunaler Gewerbegebiete in Kooperation mit den Umlandgemeinden
Für die Gewerbeflächenentwicklung bedarf es auch einer verstärkten gemeinsamen strategischen Flächenentwicklung mit dem niedersächsischen Umland, wie es derzeit zwischen der Stadt Achim und der Stadt Bremen angestoßen wird. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung profitiert auch das Land Bremen anteilig von einer gemeinsamen Gewerbeflächenentwicklung mit den Umlandgemeinden, zum Beispiel durch Einkommen, Beschäftigung und Steuern.
Interkommunale Gewerbegebiete sind komplexe Angelegenheiten. Hierfür bedarf es Offenheit bei allen beteiligten Akteuren, Verlässlichkeit über Wahlperioden hinweg sowie das Grundverständnis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Erfahrungen zu interkommunalen Flächenkooperationen sind eher rar - sie müssen zwischen Bremen und Niedersachsen erst noch gesammelt werden. Jedoch ist der Weg richtig und das Projekt Bremer Kreuz/Achim-West könnte eine Anleitung für weitere Kooperationen sein. Eine abgestimmte Vermarktungsvereinbarung kann die Vermarktungschancen erhöhen und gleichzeitig Ansiedlungskonkurrenzen und damit mögliche interkommunale Konflikte im gemeinsamen Wirtschaftsraum verhindern.
Interkommunale Gewerbegebiete sind komplexe Angelegenheiten. Hierfür bedarf es Offenheit bei allen beteiligten Akteuren, Verlässlichkeit über Wahlperioden hinweg sowie das Grundverständnis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Erfahrungen zu interkommunalen Flächenkooperationen sind eher rar - sie müssen zwischen Bremen und Niedersachsen erst noch gesammelt werden. Jedoch ist der Weg richtig und das Projekt Bremer Kreuz/Achim-West könnte eine Anleitung für weitere Kooperationen sein. Eine abgestimmte Vermarktungsvereinbarung kann die Vermarktungschancen erhöhen und gleichzeitig Ansiedlungskonkurrenzen und damit mögliche interkommunale Konflikte im gemeinsamen Wirtschaftsraum verhindern.
Unsere Kammern begrüßen das Projekt Achim-West ausdrücklich. Seit langem ist es unsere Zielvorstellung, dass sich Bremen an diesem Projekt beteiligen muss, weil es nicht nur für die Stadt Achim und den Landkreis Verden, sondern auch für Bremen positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Arbeitsplätzen, Einwohnerzahlen und Vorleistungsgütern haben wird. Um dieses bundesweit einmalige interkommunale und Landesgrenzen übergreifende Vorhaben gut auf den Weg zu bringen, muss die konkrete finanzielle und organisatorische Beteiligung Bremens ausgestaltet werden - beispielsweise durch Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft sowie einer verbindlichen und fairen Verabredung zur Gewerbesteuerteilung.
Bremen, 18. Januar 2021