Sommerempfang der Handelskammer und des Handelsverbands für den Einzelhandel: Stadtentwicklung vom Zentrum her denken

(PM 34-2022, 14.07.2022) Kaum eine Branche ist derzeit so radikal im Umbruch wie der stationäre Handel. Darüber war man sich beim Sommerempfang des Einzelhandels in der Bremer Bürgerschaft einig. Zum 64. Mal hatten die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven und der Handelsverband Nordwest gemeinsam rund 120 Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Politik und Verwaltung eingeladen.
Eduard Dubbers-Albrecht, Präses der Handelskammer, sagte mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Bremer Innenstadt:
„Wir müssen wieder zu einer aktiven Stadtentwicklungspolitik kommen, mutig genug, Meilensteine zu definieren, und klug genug, die Wirtschaft sehr frühzeitig mit an den Tisch zu holen.“ Verwaltung und Politik könnten große Entwicklungen anstoßen, so der Präses, „für die Umsetzung kommt es aber auch weiterhin darauf an, Investoren abzuholen.“
Wirtschaft, Politik und Verwaltung müssten gemeinsam aktiv gegen Leerstände vorgehen, Umnutzungen vorantreiben und Mut zu neuen Konzepten beweisen, betonte Präses Eduard Dubbers-Albrecht:
„Unser Augenmerk muss besonders den Zentren gelten. Die Stadtkerne sind die Aushängeschilder unserer Städte, sie wurden von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen und haben die größte Last des Strukturwandels im Einzelhandel zu tragen. Insofern muss die Stadtentwicklung vom Zentrum her gedacht werden. Was dem Stadtzentrum gut tut, dient der Stadt insgesamt. Der Einzelhandel wird ein Nukleus der Entwicklung bleiben.“
Die Innenstadt-Wirtschaft, so der Präses, sei daran interessiert, dass die Stadtzentren autoärmer werden:
„Wir wollen eine bessere Fußläufigkeit in den Innenstädten und eine verbesserte Nahmobilität für Fahrradfahrer erreichen“, sagte er: „Die neuen Wege müssen aber dort entstehen, wo es für eine Mehrheit der Nutzer Sinn ergibt. Zudem sollten wir uns genau vor Augen führen, von wo und auf welchen Wegen die Menschen in unsere Zentren kommen. Bremen und Bremerhaven sind wesentlich auf Mitarbeiter und Kunden angewiesen, die jenseits der Landesgrenze wohnen. Die Kunden in diesen Regionen haben trotz hoher Treibstoffpreise oft keine Alternative zum Pkw.“ Zudem werde der Umstieg nicht leicht gemacht, weil es zu wenige Park’n‘Ride-Stellplätze gibt: „Wer dies in der Verkehrspolitik ignoriert, blendet die Lebenswirklichkeit vieler Menschen aus.“
Präses Eduard Dubbers-Albrecht sprach das Zusammenspiel von Stadtentwicklung und Verkehrspolitik an:
„Vor allen weiteren Überlegungen muss ein Konsens über die Ziele der Stadtentwicklung bestehen. Wenn daraus dann in einem zweiten Schritt die hierfür notwendigen Verkehrsveränderungen abgeleitet werden, wird das von vielen Menschen mitgetragen.“
Erreichbarkeit bleibe die Grundlage für die Stadtzentren:
„Egal, ob die Menschen zur Arbeit, zum Einkauf oder zum Besuch einer kulturellen Einrichtung kommen“, sagte er.
Dies gelte für die Innenstadt und die Stadtteilzentren gleichermaßen. Die Handelskammer werde daher nach den Sommerferien ein Thesenpapier zur Weiterentwicklung der bremischen Stadtteilwirtschaft vorlegen und darin wichtige Handlungsfelder benennen.
Mit Blick auf die besonderen Belastungen des Handels durch die Corona Pandemie machte Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nordwest, deutlich, dass die aktuellen Herausforderungen nicht mit einem weiteren Zuwachs an Bürokratie, Einschränkungen oder staatlichen Eingriffen bewältigt werden können. Stattdessen wären pragmatische Lösungen gefragt. Der Handel werde weiter seinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, immer komplexere und zum Teil unverständliche Coroanverordnungen seien aber nicht zielführend.
Präses Eduard Dubbers-Albrecht ging auch auf die drängenden internationalen Themen ein:
„Uns alle bewegt die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Aus Sicht der Wirtschaft muss auch gefragt werden, wovon wir in Zukunft leben wollen. Die Coronakrise und der Ukraine-Krieg bringen große finanzielle Belastungen für die Zukunft. Ordnungsprinzipien und Regelmäßigkeiten des globalen Handels stehen in Frage, es mangelt an Fachkräften.“
Die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hätten gezeigt, wie zerbrechlich das bisherige System der Lieferketten und des Miteinanders von Handel und internationaler Zusammenarbeit sind:
„Die Spuren dieser Entwicklung sind auch in der bremischen Wirtschaft wahrnehmbar. Kostensteigerungen und Materialengpässe im Bau, deutlich eingetrübte Erwartungen im Groß- und Außenhandel, in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft und in der Kreditwirtschaft. Hoffnung in der Hotellerie und Gastronomie, aber gleichzeitig auch ein deutlicher Personalmangel, der zu ungewollten Schließungen und Serviceeinschränkungen führt. Begrenzte Zuversicht herrscht zudem auch im Einzelhandel und bei den sonstigen Dienstleistungen. In der Summe sind das enorme Herausforderungen“, sagte Präses Eduard Dubbers-Albrecht.
In diesem Zusammenhang wandte sich der Präses entschieden gegen die politischen Planungen zur Einführung eines Ausbildungsfonds:
„Es mangelt nahezu in allen Branchen an Fachkräften. Gleichzeitig gibt es im Land Bremen rund 2.500 offene Ausbildungsstellen, die nicht besetzt werden können. Die Wirtschaft engagiert sich in diesen schwierigen Zeiten. Dass die ohnehin belasteten Unternehmen nun auch noch für eine Ausbildungsumlage aufkommen sollen, ist widersinnig. Eine solche Umlage käme völlig zur Unzeit. Wir lehnen sie daher strikt ab.“