Was ist das Besondere an der öffentlichen Bestellung?
Mit zunehmender Industrialisierung reichte es im Wirtschaftsleben und bei den Gerichten immer weniger, sachkundige Experten im Einzelfall zu suchen und für einen Prozess zu vereidigen und so ihre Sachkunde zu nutzen. Man brauchte vielmehr eine möglichst breit aufgestellte Liste von hochqualifizierten Sachverständigen, auf deren Sachkunde und Neutralität man sich generell verlassen konnte. Deshalb hat der Gesetzgeber den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeführt und dessen Bestellung auf den Gebieten der Wirtschaft in die Hand der Selbstverwaltungskörperschaften gelegt. Die Rechtsgrundlage ist § 36 Gewerbeordnung. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist allerdings nicht die Zulassung zu einem Beruf, sondern die öffentliche Zuerkennung einer besonderen Qualifikation. Diese Qualifikation wird in einem aufwändigen Verfahren festgestellt und regelmäßig überwacht. Der Gesetzgeber hat den öffentlich Bestellten deshalb eine hervorgehobene Stellung unter den Sachverständigen eingeräumt. Ihre Bezeichnung ist strafrechtlich und wettbewerbsrechtlich geschützt. Von den Gerichten sind die öffentlich Bestellten bevorzugt einzusetzen. Selbstverständlich können sie auch Privatgutachten schreiben, was faktisch häufig auch überwiegend der Fall ist. Aber auch bei Privatgutachten sind sie an den strengen Pflichtenkatalog gebunden, der ursprünglich für die Gerichtstätigkeit entwickelt wurde, insbesondere persönliche und eigenständige Leistungserbringung, strikte Neutralität und Unabhängigkeit: Sie haben einen Eid abgelegt, dass sie ihre Leistungen unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft, und unparteiisch erbringen.