Seit 36 Jahren Teil der Energiewende: enco mit neuer Geschäftsführung

Während im Mittelstand gegenwärtig ein hoher Nachfolgedruck herrscht, der mit vielen Unsicherheiten einhergeht, ist der enco Energie- und Verfahrens-Consult GmbH der Generationenwechsel vorbildlich gelungen: Das unabhängig beratende Braunschweiger Ingenieurbüro konnte eine geregelte Unternehmensnachfolge und damit den Wechsel in der Geschäftsführung zum 1. Mai 2024 implementieren. Seither stellen sich Bernhard Ehß und Robert Kaiser als Geschäftsführer-Duo der Mammutaufgabe Energiewende und setzen für ihre Kundschaft verfahrens- und versorgungstechnische Projekte in Form von Energieerzeugungsanlagen, über kleinere Anlagenoptimierungen, Neubauten bis hin zur Planung und Begleitung von Stillstandsrevisionen um.
Zum 30. April 2024 trat Jörg Ramdor, Gründer und langjähriger Geschäftsführer der enco, in den Ruhestand. Sein Ausscheiden hatte er über mehrere Jahre sorgfältig geplant, berichten Kaiser und Ehß anerkennend. Beide waren schon vorher im Unternehmen beschäftigt. Ehß, der Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Energie- und Verfahrenstechnik an der TU Braunschweig studiert hat, ist seit 2010 Teil des Teams. Bevor der Ingenieur im Jahr 2020 neben Ramdor in die Geschäftsführung eintrat, war er Technischer Leiter und Prokurist. Auch ­Kaiser, der als Wirtschaftsinformatiker seit 2014 im Unternehmen ist und die Zentralen Dienste leitete, ebenfalls zunächst als Prokurist, ergänzt seit Anfang 2023 die Geschäftsführung. „Dass es vorübergehend drei Geschäftsführer gab, war natürlich geplant“, so Kaiser. Es sind zwei Nachfolger geworden, „weil Jörg Ramdor das Arbeitsaufkommen nicht nur einer Person zumuten wollte“, ergänzt Ehß. Eine Entscheidung, die sich für die beiden Geschäftsführer, die auch ihren Familienalltag nebenher gut meistern können, bewährt hat. Das Duo hat seine Aufgabenverteilung klar strukturiert – der eine kümmert sich um die technischen Belange, der andere um die kaufmännischen Aufgaben. Schon im Laufe der letzten ­Jahre habe sich Ramdor allmählich aus der Geschäftsführung rausgenommen. Kaum spürbar für die Beschäftigten, die überrascht waren, dass „wir das nun schon eineinhalb Jahre machen. In der Zeit konnten wir überzeugen“, bestätigt Kaiser, dass sich mit dem Wechsel vom Kollegen zum Vorgesetzten dadurch nur wenig verändert hat. Ein weiterer Clou der neuen Führungsebene ist die Installation einer erweiterten Geschäftsleitung mit zwei Prokuristen: ­Phillip ­Güttler und Nele Otto, die auch an dem Gespräch teilnimmt. „Dass wir eine Geschäftsführung und eine erweiterte Geschäftsleitung haben, war ebenso ein Schritt in der Nachfolgeregelung, den Ramdor noch selbst eingeleitet hat“, erklärt Ehß. Der ehemalige Geschäftsführer habe schon vor fünf Jahren in den Entwicklungsgesprächen mit seinen Mitarbeitenden vorausgeplant, erinnert sich Otto. Als Architektin für Kraftwerks- und Industriebau arbeitet sie auch weiterhin an den Projekten mit und ist ebenso Leiterin der Bautechnik-Abteilung sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Stetiges und nachhaltiges Wachstum

Der Mittelständler zählt heute 53 Mitarbeitende und „wir möchten uns je nach Bedarfslage in den einzelnen Fachdisziplinen noch erweitern“, so Kaiser. Erst im September 2023 ist enco aus den zu klein gewordenen Büros am Wendenring ausgezogen. In den neuen, großzügig geschnittenen Räumlichkeiten in der dritten Etage des Bürogebäudes am Mittelweg „hätte man theoretisch das Potenzial, sich zu verdoppeln“, aber die Geschäftsführer legen großen Wert auf ein gesundes Wachstum. „Nur so können wir neuen Mitarbeitenden unser Leitbild und unsere Arbeitsweise auch vermitteln und ihnen ermöglichen, langsam an ihrem Arbeitsplatz anzukommen und unsere Qualitätsstandards kennenzulernen. Das klappt nicht, wenn wir 20 Mitarbeitende gleichzeitig einstellen“, vervollständigt Ehß. Eine strategisch wichtige Entscheidung, wenn man bedenkt, dass das Ingenieurbüro stark von der politischen Gesetzgebung abhängig ist. So sollte im Jahr 2015 ursprünglich das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) auf den Weg gebracht werden, was sich aber bis 2016 hinzog. „In der Zeit hat niemand in der Kraftwerksbranche etwas geplant oder gebaut“, so Ehß weiter. Die Aufträge bei enco blieben vorerst aus, Kurzarbeit und Abgänge von Angestellten waren die Folge. Verständlich, dass der Mittelständler mit Bedacht in diese Unternehmensressource investiert.

Industrielle Dekarbonisierung

Ein weiteres Unternehmensziel ist die Betreuung von Projekten, die ausschließlich auf erneuerbare Energieträger setzen – zumindest bei zukünftigen Neubauten. Ein Vorhaben, das die beiden Geschäftsführer noch ein wenig in die Ferne rücken müssen, denn „es ist sicherlich noch eine Weile erforderlich, konventionelle Kraftwerke zu betreuen, da die Versorgungssicherheit für Gesellschaft, Unternehmen und Netzbetreiber gewährleistet sein muss und Priorität hat“, erklärt Kaiser den Umstand, dass man in der Energiewende nicht einfach einen Schalter umlegen kann. Bernhard Ehß, der als Projektingenieur früher häufiger zu den Baustellen gefahren ist als heute, führt die Problematik weiter aus: „Gleichzeitig steigt ja auch der Energiebedarf stetig. Wenn das Ziel der Dekarbonisierung erfüllt werden soll, muss man sich überlegen, wo der ganze Strom herkommen soll“, so der 46-Jährige. Dass die Klimaneutralität in der Energieerzeugung nicht von einem auf den anderen Tag erreicht werden könne, sind sich beide einig. In der Übergangsphase sei vor allem die Installation von Großwärmepumpen als aktuell emissionsärmste Alternative bei Kunden besonders gefragt. Der „Boom“ ist seit etwa einem Jahr bei enco spürbar. Zu den mehrjährigen Großprojekten zählen daher vermehrt Energieerzeuger, die in die Installation einer oder mehrerer Wärmepumpen investieren wollen. Wie zum Beispiel die Stadtwerke Flensburg GmbH, für die enco als Generalplaner die erste in Deutschland mit Meerwasser betriebene Wärmepumpenanlage in dieser Größenordnung an der Flensburger Förde plant. Im unmittelbaren Umfeld des Ingenieurbüros – enco ist in einem Wirkungskreis bis 400 km aktiv, um die Belastung auf die Mitarbeitenden zu minimieren und die Familienfreundlichkeit zu erhalten – hat sich BS Energy als langjähriger Kunde bereits mit seinen Transformationsplänen auf den Weg zu einem CO2-neutral agierenden Unternehmen gemacht: Im Heizwerk Süd und West sind zwei neue Spitzenlastkessel entstanden. Ebenso am Standort Heizkraftwerk Mitte, wo die Modernisierung außerdem die Errichtung und Inbetriebnahme eines Biomasseheizkraftwerkes einschließlich eines Biomasselagers sowie eines Gasturbinenheizkraftwerkes beinhaltete und damit das Ende der Energiegewinnung aus Kohle besiegelt hat. Ironischerweise fuhr der letzte Kohlezug im März 2024 direkt an dem Bürogebäude der enco vorbei, da das Heizkraftwerk in unmittelbarer Nähe liegt. „Wenn ein Kohlekraftwerk vom Netz und die Biomasseanlage ans Netz geht, ist auf einen Schlag ganz viel CO2-Ersparnis da. Es dauert zwar lange, aber die Umsetzung ist ein großer Step“, freut sich Otto und zeigt dabei auf die Gleise, die unter dem Fenster des Besprechungsraumes zu sehen sind.

Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze haben Priorität

Das Vorgehen bei BS Energy beschreibt den tatsächlichen Prozess der Energiewende sehr gut, der in kleinen Schritten vorangeht. Nach und nach werden weitere Kohlekraftwerke vom Netz genommen und dennoch bleibt viel zu tun. „Großprojekte laufen bei uns drei bis fünf Jahre, erst dann haben wir eine neue Erzeugungsanlage realisiert“, beschreibt Ehß den Projektablauf. Der Geschäftsführer, der ursprünglich aus Österreich kommt, weist in diesem Zusammenhang auf die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) hin, die weitere Industrieunternehmen dazu bewegen wird, ihren Strom und ihre Wärme „grün“ herstellen zu wollen. Allerdings mangelt es aus Sicht des Ingenieurs an den benötigten Fachkräften in Deutschland, um die Transformation zeitnah umzusetzen. Berechnungen, die Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck in Auftrag gegeben habe, kämen auf 760 000 benötigte Ingenieure, es fehlten aber heute schon mehr als 210 000 Fachkräfte. „Um die Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze zu garantieren, nehme ich auch in Kauf, dass wir den Fortschritt nicht ganz so schnell erreichen“, priorisiert Kaiser, der unter anderem auch die Personalverantwortung trägt. Ihm ist beim Thema Energiewende mindestens genauso wichtig, dass enco rund 50 Angestellten einen Job bieten kann. Dabei genießt das Unternehmen einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Mitbewerbern: Die Branche rund um die Erzeugung klimaneutraler Energie und Dekarbonisierung der Industrieprozesse erfreut sich aktuell großer Beliebtheit. Angehenden Mitarbeitenden ist eine sinngebende Tätigkeit sehr wichtig geworden, was sich nicht zuletzt auch an den gestiegenen Zahlen von Studierenden in den entsprechenden Fachdisziplinen abzeichnet. „Das ist für uns als Mittelständler natürlich ein Pluspunkt, mit dem wir werben und auch mit anderen großen Unternehmen konkurrieren können“, betont der 38-Jährige, der einen deutlichen Zulauf an Bewerbungen wahrnimmt.
Insgesamt hat enco seit 36 Jahren einen großen Anteil an treibhausgasärmerer Energieversorgung und sorgt auf dem Weg dorthin dafür, dass die Stromnetze stabil und die Großindustrie unserer Region arbeitsfähig bleibt. Wie nachhaltig die Versorgungssicherheit der Zukunft aussehen kann und welche Lösung die Branche und die Politik für die sogenannte Dunkelflaute – also Phasen, in denen Solar- als auch die Windenergieerträge massiv abfallen – erarbeitet, bleibt abzuwarten.
ar
6/2024