6 min
Lesezeit
Alpine Genuss-Idylle mit herrlichem Harzblick
George Clooney war auch schon auf der Steinberg Alm. Ob der smarte US-Superstar den phänomenalen Blick über das Trüllketal und auf die Weltkulturerbestadt Goslar ebenso wie die Wildcurrywurst genossen hat, lässt sich nur vermuten. Verbrieft ist jedoch dieses: Was als cineastische Mission auf höchster Geheimhaltungsstufe begann, bei der tatsächlich bis zum Geheimdreh nichts durchsickerte, endete schließlich als opulentes Werk auf der Leinwand: „Monuments Men“ hatte 2014 Weltpremiere. Almwirt Burkhard Rösner erinnert sich vielleicht noch lieber an eine andere Filmproduktion. Brachte sie ihm doch ein künstliches Kniegelenk und nach jahrelangen Schmerzen neue Leichtigkeit ein.
Carmen und Burkhard Rösner haben sich den Traum von der gastronomischen Selbstständigkeit vor über 13 Jahren erfüllt.
© Claudia Taylor
Burkhard Rösner und seine Frau Carmen betreiben seit 2011 die Steinberg Alm. Als sie im September, vor nunmehr 13 Jahren, mit Wildgulasch und Wildbuletten, Apfelstrudel, Kaiserschmarrn und Co. an den Start gingen, schlug das Konzept „ein wie eine Bombe“. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Stichwort: Bürokratie, ick hör‘ dir trapsen. Der 61-Jährige hatte an dem Flecken oberhalb von Goslar schon immer einen Narren gefressen. Gerade mal volljährig geworden, schickte er ein Kaufgesuch für das Forsthaus an die Stadt. Gut 20 Jahre später war es dann soweit, ein lokaler Ratsherr gab ihm den Tipp, dass das Forsthaus zum Kauf stünde. 2003 schien Rösner endlich an seinem Sehnsuchtsort angekommen zu sein.
Idee eins: Bollerofen, Flaschenbier, Bratkartoffeln
„Ich wollte hier oben eigentlich etwas ganz Bodenständiges machen. Bollerofen, Flaschenbier, Bratkartoffeln. Doch dann kam Deutschland …“, sagt der Almwirt. Was er mit dem Satz, den er mit vielsagendem Blick nicht beendet und der von einem angenehm lauen Sommerlüftchen über die Wiese von dannen geweht wird, andeutet, ist dieses: Die Glut im Bollerofen drohte von einer Lawine bürokratischer Hürden erstickt zu werden. Aber Rösner ist einer, der nicht so schnell aufgibt, eher der Typ „Jetzt erst recht“. Und so entschied er sich gegen den Bollerofen und für die große Lösung: eine Almhütte. Neu gebaut, mit österreichischem Flair, wie er und seine Frau es so lieben. Auf der Homepage lässt sich noch heute nachlesen, dass „aus der Idee acht Jahre Kampf mit Papierkram, Hürden, Genehmigungen und diversen Prüfungen wurden“. Als dann endlich mit dem Bau begonnen werden durfte, ging es ganz schnell. „Ein Dreivierteljahr dauerte es bis zur Fertigstellung“, erinnert sich Rösner gern. Auch die Kalkulation passte, „wir sind exakt im Kostenrahmen geblieben“.
Wildsülze und Allgäuer Spätzle auf Harzer Fichtentischen
Die alpinen Klassiker dürfen auf der Speisekarte keinesfalls fehlen.
© Claudia Taylor
Dass ihn der Verordnungsdschungel nicht in die Knie gezwungen und schon gar nicht bitter hat werden lassen, liegt vielleicht auch daran, dass ihm ein ums andere Mal Kollege Zufall glücklich in die Hände spielte. Damals war Rösner im Außendienst in der Beleuchtungsbranche unterwegs, von einem Kunden konnte er jede Menge Altholz abnehmen, das er im eigens angeschafften kleinen Sägewerk zu Brettern verarbeiten konnte. Es war zudem die Zeit, als die Fichten dem Borkenkäfer zum Opfer fielen. Nicht schön, aber Rösner machte aus der Not eine Tugend: die Tische, an denen man auf der herrlichen Terrasse Wildsülze und Allgäuer Spätzle genießt, sind aus eben diesen Fichten. „Die konnten ja viele Jahre ablagern“, gewinnt der Almwirt den Jahren der Planungsdrangsal noch etwas Gutes ab. Gewürzt mit einer Prise Galgenhumor.
Ich wollte hier oben eigentlich etwas ganz Bodenständiges machen. Bollerofen, Flaschenbier, Bratkartoffeln. Doch dann kam Deutschland …Burkhard Rösner
Nenn’ es Intuition oder den richtigen Riecher haben, jedenfalls entschied sich Rösner schon während der Bauphase für eine Statik, die den unkomplizierten Ausbau des Dachbodens ermöglichte. Eine goldrichtige Entscheidung, denn die Hütte brummte. Abgesehen vom Tagesgeschäft buchen sich hier gerne Firmen für Feiern und Events ein, Familien feiern gern hoch droben auf der Alm, Paare geben sich dem Himmel ein Stückchen näher das Ja-Wort. Zu Firmenfesten mit der Belegschaft und Angehörigen wird auch schon mal eine Hüpfburg für die Kinder aufgestellt, nach dem Barbecue zum runden Geburtstag wird draußen wie drinnen getanzt. Auch ein Zirkuszelt hat es schon auf die Almwiese geschafft.
Wetter ist manchmal ein Spielverderber
Allein das Wetter ist manchmal ein Spielverderber. Doch auch hier kommt es darauf an, wie man den Kapriolen von oben begegnet: bei einer mit hochkarätiger Prominenz besuchten Geburtstagsfeier, der auch Goslars berühmtester Sohn Sigmar Gabriel beiwohnte, „kam der Regen quer“, erinnert sich Rösner mit Grausen. 25 Jagdhornbläser sahen ihren Auftritt schon davonschwimmen. Doch nach einer Stunde war es trocken, die Jagdhörner konnten übers Tal klingen. „Gänsehaut pur!“
Das Ehepaar kann bei gutem Wetter bis zu 350 Personen gleichzeitig bewirten.
© Claudia Taylor
Bei einer anderen Party machten die Gäste aus der Not eine Tugend: Klirrend kalte minus 18 Grad nutzten die Gäste zum Rodeln, um sich hernach auf den Tischen wieder warm zu tanzen. Im Tagesgeschäft gibt es auf der Homepage eine Ampel: Zeigt sie rot, wissen potenzielle Gäste, dass sie sich, wenngleich die Alm eigentlich täglich geöffnet ist, aufgrund des miesen Wetters nicht auf den Weg machen müssen. In die Knie gezwungen hat Rösner also niemals der Kleinkrieg mit Behörden, sondern eher das eigene Knie. Aber da kam ja gottlob die Immenhof-Produktion dazwischen. Der Produzent von „Immenhof 2 – Das große Versprechen“ gab ihm den entscheidenden Tipp für einen Experten in München. Der machte offensichtlich einen guten Job, denn mit dem neuen Knie ist Rösner schmerzfrei unterwegs.
Fleischloser Filmdreh mit Würsten unterm Tisch
Die finanziellen Entschädigungen für solche Filmdrehs sind verschwindend gering. Was zählt, ist eher der Werbeeffekt. Vom Clooney-Dreh zeugt immer noch eine Kulissenkleinigkeit am Gebälk der Alm. Die Almwiesen nebst Hütte sind im Immenhof-Film in der letzten halben Stunde ständig zu sehen. Und was sowieso unbezahlbar ist: der Spaß, den so ein Dreh mit sich bringt. Immenhof-Regisseurin Sharon von Wietersheim war zehn Tage mit ihrer Crew oben auf der Alm. Da gab es auch mal eine ausgelassene Party im Forsthaus, Wohnsitz von Carmen und Burkhard Rösner. Als überzeugte Veganerin besteht die Regisseurin auf fleischlose Kost. Gelegentlich steckte Rösner manchem flehentlich bittenden Crewmitglied unterm Tisch eine Wurst zu.
Der holzgetäfelte Innenbereich kommt bei den Gästen gut an.
© Claudia Taylor
Apropos Fleisch und Wurst: das Wild kommt von einem Händler aus Brandenburg, Rösner kauft zudem bei der Fleischerei Eine aus Clausthal-Zellerfeld. Oder Rösner erlegt es auf seinen Jagdtouren selbst. Der Wirt ist keiner, der in das Lamento über die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz aus VorCorona-Tagen einstimmen mag. Klagen über Dinge, die man nicht ändern kann – bringt nichts. Gewiss, das Kundenverhalten habe sich mit den Jahren geändert, und monatliche Fixkosten wie 1700 Euro für Strom und 1000 Euro für Flüssiggas musst du auch erst mal einspielen. Aber er und seine Frau, die für Personalfragen, Absprachen mit Kunden, kurz gesagt: „die Front“ verantwortlich ist, sind zufrieden. 25 Mitarbeitende beschäftigen sie, 200 Personen können in der Alm, mindestens 150 draußen bewirtet werden.
Eine Rankanlage ohne Genehmigungsgnade
Innen wie außen ist die Steinberg Alm eine gelungene norddeutsche Version der alpinen Gemütlichkeit. Ansprechend mit Lederhose und Keilerkopf dekoriert und rot-weißen Tischtüchern eingedeckt, aber eben nicht überladen. Und obwohl der Laden brummt, ist Rösner immer damit beschäftigt, etwas Neues auf die Alm zu holen. Bald wird es wieder was geben, aber für Details ist es leider noch zu früh. Nur so viel ist gewiss: von bürokratischen Scherereien lässt Rösner sich nur ausnahmsweise die Flügel stutzen. Er zeigt auf einen Pfosten am Rand der Terrasse und schmunzelt: „Mit drei weiteren Pfosten wollten wir dort eigentlich eine Rankanlage hinstellen und Hopfen ranken lassen.“ Gedacht als schöner natürlicher Schattenspender. Von Amts wegen wurde diese Idee als Zaunanlage deklariert. Die am Ende natürlich keine Genehmigungsgnade fand.
suja
6/2024