Kommt, lasst uns spielen!

Wenn Gerrit Posselt mit Kunden zusammenkommt, beginnt er häufig mit der Frage: 
„Wann haben Sie zuletzt im unternehmerischen Kontext gespielt?“ Oft bekommt er dann zu hören, dass man sich auf dem Golfplatz mit Geschäftspartnern getroffen habe – doch das trifft nicht den Kern seiner Absicht. Als Geschäftsführer von BeSu.Solutions zielt Posselt darauf ab, den Lernprozess in der beruflichen Weiterbildung durch Spiele zu fördern, die speziell darauf ausgelegt sind, Fähigkeiten in einem risikofreien Umfeld zu trainieren und zu vertiefen. „Nur ein attraktives und interessantes Lernen ist effektiv“, betont er.
BeSu.Solutions ist ein junges Unternehmen, das seit 2019 als GmbH firmiert und im Braunschweiger Rollei-­Zentrum für Existenzgründer angesiedelt ist. Die drei Gründer und Gesellschafter Gerrit Posselt, Robert ­Kalanke und Stefan Böhme stammen aus dem Umfeld des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität Braunschweig. Bereits zu Hochschulzeiten entwickelten sie lernbasierte Spieleformate, um dort den Kompetenzaufbau zu unterstützen – eine Initiative, die die Grundlage für ihr späteres Unternehmen bildete.
Diese spielerische Herangehensweise ermöglicht es, in einem sicheren Umfeld aus Fehlern zu lernen.

Gerrit Posselt

Nach seiner Promotion forschte und lehrte Gerrit Posselt elf Jahre lang am TU-Institut mit einem Fokus auf nachhaltige Produktion und Lebenszyklusmanagement. Dabei konzentrierte er sich auf die ganzheitliche Betrachtung von Produkten, von ihrer Entstehung bis zur Entsorgung, und auf die damit verbundenen sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekte. „Es wurde uns immer wieder bewusst, wie herausfordernd es ist, dieses komplexe Wissen den Studierenden zu vermitteln – und dass es niemanden gibt, der praxisnahe Lernformate in unseren ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen anbietet“, erklärt der 41-Jährige. Daraus entwickelte sich eine zündende Idee: Warum nicht das Lernen auf eine spielerische Art und Weise gestalten?
BeSu.Solutions entwickelt heute, wie Gerrit Posselt es formuliert, „seriöse Spiele zum Zweck des Lernens“. Diese Spiele sind in einem interaktiven Format gehalten und verfolgen das Ziel, die Handlungs- und Problemlösungskompetenzen der Mitarbeitenden zu steigern. Die Szenarien in den Spielen simulieren reale berufliche Herausforderungen. Die Mitarbeitenden treffen Entscheidungen, die echte Konsequenzen nachahmen, jedoch in einem geschützten Rahmen, wo die Auswirkungen nicht direkt am Arbeitsplatz spürbar sind. „Diese spielerische Herangehensweise ermöglicht es, in einem sicheren Umfeld aus Fehlern zu lernen“, unterstreicht Posselt.
Nur ein attraktives und interessantes Lernen ist effektiv.

Gerrit Posselt

Ein anschauliches Beispiel dafür ist ein für den Mannheimer Traktorhersteller John Deere entwickeltes Planspiel. Es wurde konzipiert, um jungen, frisch ausgebildeten Ingenieuren das Systems Engineering näherzubringen und ihnen zu demonstrieren, wie sie dieses Rahmenwerk in ihrem Unternehmen etablieren können. Das Spiel vermittelt grundlegende Kenntnisse über Prozesse, Werkzeuge und Rollen und illustriert, wie diese Elemente in den Abteilungen ihrer Organisation zusammenspielen.
Das Spielprinzip ist einfach gestaltet: 24 Ingenieurinnen und Ingenieure sitzen gemeinsam in einem Raum, jeder ausgestattet mit einem Tablet. Auf den Tablets laufen Simulationen, die Bilanzen berechnen und die Effektivität der Spielerinnen und Spieler bei der Aufgabenbewältigung bewerten. Die Simulationen verdeutlichen den Teilnehmenden, wie sich ihre Entscheidungen – basierend auf den strategisch eingesetzten Spielkarten – auswirken. „Auf diese Weise lernen alle spielerisch, wie Systems Engineering praktisch in ihr Unternehmen integriert werden kann“, erklärt Gerrit Posselt.
Neben der Entwicklung interaktiver Lernspiele gestaltet BeSu.Solutions realitätsgetreue Lernfabriken, die industrielle Prozesse in vereinfachter und weniger komplexer Form nachbilden. Gerrit Posselt erläutert ein Beispiel, in dem eine bislang rein mechanische Fertigungslinie eines Unternehmens im Rahmen von Industrie 4.0 mit Sensoren ausgestattet wird. Diese verkleinerte Produktionslinie simuliert die gesamte Prozesskette und ermöglicht es den Mitarbeitenden, in einer quasi-­realen Umgebung zu experimentieren und zu verstehen, wie und warum bestimmte Prozesse ablaufen und wo die Vorteile der Digitalisierung liegen. Sie können direkt eingreifen, Änderungen in Echtzeit beobachten und Mehrwerte erleben.
Spielerische Elemente, also Gamification, sind ebenfalls ein fester Bestandteil dieser Lernfabriken, welche das Verständnis der Prozesse weiter vertiefen. Die Mitarbeitenden erhalten spezifische Aufgaben, dürfen unterschiedliche Strategien ausprobieren und die unmittelbaren Auswirkungen ihrer Entscheidungen erleben. „Wir unterstützen derzeit die Technische Universität Braunschweig beim Aufbau einer Lernfabrik für die Produktion und das Recycling von Batteriezellen. Diese Lernfabrik soll den Lebens­zyklus von Traktionsbatterien in Autos simulieren“, heißt es weiter. BeSu.Solutions unterstützt die TU bei der didaktischen Konzeptionierung der Lernfabrik, der Integration der Inhalte und der Art und Weise, wie Lernziele erreicht werden sollen.
Transformation und Kompetenzvermittlung sind untrennbar miteinander verbunden.

Gerrit Posselt

Der Name BeSu steht für Become Sustainable und spiegelt die Verpflichtung des Unternehmens zu Nachhaltigkeit als Handlungsprinzip wider. Mit Beratungsleistungen ist BeSu.Solutions häufig in die Transformationsprozesse von Betrieben eingebunden, um diese auf ihrem Weg zu einer nachhaltigeren und agileren Organisation zu unterstützen. Die entwickelten Lernplattformen sind darauf ausgelegt, das Lernen nahtlos in den Arbeitsalltag zu integrieren, und ermöglichen es den Mitarbeitenden, neue Fähigkeiten zu erwerben.
„Transformation und Kompetenzvermittlung sind untrennbar miteinander verbunden“, betont Gerrit Posselt. „Wir begleiten unsere Auftraggeber durch den Transformationsprozess und zeigen ihnen, wie man Kompetenzen gezielt verstärkt, um Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. Unser Ansatz verfolgt einen nachhaltigen Zweck, der nicht nur langfristig ausgerichtet ist, sondern auch das Zusammenwirken von ökologischen, ökonomischen und sozialen Sichtweisen umfasst.“
Nachhaltigkeit spielt auch in der Entwicklung von BeSu.Solutions eine zentrale Rolle. „Wir haben viele Pitches gemacht und uns dabei den Luxus erlaubt, alle Angebote von Investoren abzulehnen“, erzählt der gebürtige Göttinger. „Natürlich könnte man mit Investoren schneller wachsen, aber unser Hauptziel ist es, das Unternehmen mit Menschen zu entwickeln, deren Profile und Fähigkeiten zu uns passen.“ Das aktuelle Team besteht aus sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die alle entscheidend für den Erfolg von BeSu.Solutions sind: eine Pädagogin, eine Medienwissenschaftlerin, ein Game-Designer, ein Informa­tiker, ein Maschinenbauer sowie ein Wirtschafts- und ein Umwelt­ingenieur.
Gerrit Posselt ist fest davon überzeugt, dass BeSu.Solutions in Sachen Bildung am Puls der Zeit ist. Er erklärt, dass frühere Generationen von Arbeitnehmenden oft ihr ganzes Berufsleben lang mit dem Wissen auskamen, das sie während ihrer Ausbildung erworben hatten. Heute jedoch, betont er, entwickle sich die Technologie so rasant, „dass man, kaum hat man seine Ausbildungsstätte verlassen, schon in die nächste Weiterbildung starten muss“.
Nach seiner Meinung sind tagelange Frontalseminare, die mit einem Stapel kaum genutzter Unterlagen enden, längst überholt. Gerrit Posselt weist darauf hin, dass viele Unternehmen dazu neigen zu denken, dass nach einem solchen Seminar keine weitere Fortbildung für lange Zeit nötig sei – für ihn ein großer Trugschluss. „Mitarbeitende sollten sich eigentlich einen Tag pro Woche dem Lernen widmen“, betont er. „Kontinuierliche Weiterbildung, also ein lebenslanges Lernen, wird immer mehr zu einem integralen Bestandteil des Arbeitslebens.“
boy
5/2024