Job-Turbo zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Im Gespräch mit Kerstin Kuechler-Kakoschke

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufene „Job-Turbo“ soll Geflüchteten einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Das Programm zielt darauf ab, die Integration von Geflüchteten in die Arbeitswelt zu beschleunigen und ihre beruflichen Perspektiven zu verbessern. Durch gezielte Maßnahmen sollen Barrieren abgebaut werden, die bisher oft eine Herausforderung darstellten. Verschiedene Ansätze sind gesetzt worden, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehören unter anderem die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, intensive Sprachkurse sowie gezielte Weiterbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus werden auch Unternehmen dazu ermutigt, Geflüchteten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben, indem sie beispielsweise finanzielle Anreize schaffen. Im Interview spricht Kerstin Kuechler-Kakoschke, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar, über den Job-Turbo und erklärt, wie das ambitio­nierte Unterfangen vor allem im regionalen Wirkungskreis gelingen kann.
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„Alle müssen an einem Strang ziehen“

Frau Kuechler-Kakoschke, der Job-Turbo soll die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt beschleunigen. Wie soll das funktionieren?
Kerstin Kuechler-Kakoschke:
Seit der starken Zuwanderung von Asylsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 haben wir viel gelernt und stehen heute vor einer ganz anderen Ausgangslage. Während es damals keine berufsbegleitende Sprachförderung gab, haben wir heute Kurse, in denen Geflüchtete neben dem Beruf weiter Deutsch lernen können. Arbeit und Sprache sind die Schlüssel für die Integration und Arbeitsmarktintegration bedeutet auch gesellschaftliches Ankommen und finanzielle Unabhängigkeit. Durch eine enge Betreuung und gezielte Vermittlung durch die Jobcenter in passende Arbeitsverhältnisse wollen wir Geflüchtete unmittelbar nach dem Integrationskurs in Arbeit bringen und sie bei einer berufsbegleitenden Weiterqualifizierung unterstützen. Dazu arbeiten wir jetzt auch enger mit Migranten­verbänden und Interessenvertretungen zusammen. Durch die Erfahrungen der letzten Jahre wissen wir nun außerdem besser, was Unternehmen brauchen, die Geflüchtete beschäftigen wollen.
Was wäre das?
Vor allem Unterstützung bei der Bewältigung der Bürokratie und der Klärung rechtlicher Fragen. Und sie brauchen Flexibilität, um auf die individuellen Bedürfnisse der Geflüchteten eingehen zu können, wenn diese beispielsweise mit Herausforderungen wie Arztterminen, Behördengängen oder anderen persönlichen Angelegenheiten konfrontiert sind. Wir werben bei allen Arbeitgebern dafür, sich zu öffnen und Geflüchteten mit geringen Deutschkenntnissen eine Chance zu geben und ihnen die Teilnahme an einem Berufssprachkurs, auch nach der Arbeitsaufnahme, zu ermöglichen. Denn immer mehr Unternehmen signalisieren uns, dass Deutschkenntnisse nicht das entscheidendste Kriterium für die Arbeitsaufnahme sind. Wir unterstützen mit Weiterbildungen und Zuschüssen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Job-Turbo wirkt?
Der Job-Turbo ist keine Einzelleistung. Ein enges Netzwerk aus Agenturen für Arbeit und Jobcentern, Arbeitgebern, Ländern, Kommunen, Verbänden, Interessenvertretungen und Communitys der Geflüchteten ist gefordert, an einem Strang zu ziehen. Die Jobcenter müssen die Geflüchteten über die vorhandenen Förderinstrumente dabei unterstützen, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und ihnen die Sorge nehmen, dass der erste Job, auch wenn es vielleicht eine Tätigkeit ist, die nicht ihrer Qualifikation entspricht, nicht der letzte sein wird. Wir versuchen es vielmehr so zu beschreiben: Der Einstieg ist der Aufstieg. Gleichzeitig müssen wir unsere Informationsangebote für Betriebe ausbauen und uns noch stärker mit den Unternehmen vernetzen, denn viele von ihnen haben noch keine Erfahrung mit der Beschäftigung von Geflüchteten und brauchen hier Begleitung.
Wie können sich Unternehmen einbringen, damit das Vorhaben gelingt?
Je höher die Anforderungen im Beruf sind, desto höher sind auch die Anforderungen an das Sprachniveau. Gerade deshalb ist es wichtig, die Menschen jetzt schneller in Arbeit zu bringen, wo sie ihre Deutschkenntnisse ausbauen können. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sie eine gewisse Offenheit gegenüber Arbeitskräften zeigen müssen, die unsere Sprache noch nicht perfekt beherrschen. Branchen wie die Logistik oder die Gastronomie sind es seit Jahren gewohnt, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen einzustellen. Schauen wir uns jedoch den Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre an, wird deutlich, dass dies in Zukunft branchenübergreifend eher die Regel als die Ausnahme sein wird. Die Demografielücke ist schon heute Realität. 2023 sind mehr Deutsche in Rente gegangen, als junge Deutsche nachkamen. Dies wurde nur durch den Beschäftigungszuwachs von Migrantinnen und Migranten ausgeglichen. Damit die gesellschaftliche Integration durch Arbeit gelingt, brauchen wir zudem eine Willkommens- und vor allem Bleibekultur, denn viele ausländische Arbeitskräfte verlassen das Land auch wieder.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten für Betriebe gibt es und wie wollen Sie diese noch bekannter machen?
Den zügigen Einstieg in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen unterstützen wir mit passgenauen Förderinstrumenten. Um diese noch bekannter zu machen, haben wir eine regionale Kampagne gestartet. Unternehmen, Geflüchtete, Netzwerkpartner und LocalHeros haben mitgemacht. Herausgekommen ist eine Online-Kampagne mit vielen Statements zum Job-Turbo, die entsprechend auf Onlinekanälen und in den Zielgruppen beworben wurde.
4/2024