Der etwas andere Einblick in die Tarifierung und was KI-Tools können

Beim bereits dritten Treffen des Arbeitskreises Zoll in diesem Jahr drehte sich alles um das wichtige Thema der Tarifierung von Waren, welches allzu oft unterschätzt wird. Im Detail schaute der Arbeitskreis jedoch nicht auf die Tarifierung an sich, sondern insbesondere auf eine mögliche Zuhilfenahme von KI-Tools und diskutierte diese ausführlich.

Warum ist Tarifierung so wichtig?

Die Bedeutung der Zolltarifnummer hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Egal, mit welchen Systemen gearbeitet wird, wie groß die Export- oder Importerfahrung ist, ob Waren und Güter von Sanktionen betroffen sind, die Kernfrage in der Praxis lautet dabei stets: „Kenne ich mein Produkt und habe ich dieses richtig zugeordnet?“, verlautbarte Bernhard Morawetz von der Morawetz Außenhandelsberatung. Viele neue Regulierungen und Anwendungen erfordern zwingend die Zuordnung einer Ware zu einer passenden Zolltarifnummer. Dies betrifft nicht nur die Angaben im Rahmen der Intrahandelsstatistik oder Zollanmeldungen, die Prüfung von Verboten oder Genehmigungsvorbehalten, sondern auch die Prüfung, ob eine der neuen EU-Regelungen wie die CBAM-Verordnung oder die Entwaldungsverordnung auf das Unternehmen und deren Waren zutreffen.
Erfahrungsgemäß werden bestimmte Zolltarifnummern verwendet, weil es schon immer so gemacht wurde oder die Angaben ungeprüft aus den Dokumenten des Lieferanten übernommen wurden. Auch gibt es die Idee, aktiv Einfuhrzölle zu „vermeiden“ oder die Verantwortung vermeintlich auf den Spediteur zu übertragen. Diese Liste ist beliebig erweiterbar. Die Haftung für die Verwendung der richtigen Zolltarifnummer – und das ist wesentlich – liegt jedoch immer beim zollrechtlichen Einführer oder Ausführer der Ware selbst, nicht bei seinem Vertreter.

Die richtige Tarifierung: ein komplexer Prozess

Die richtige Tarifierung ist nicht leicht, denn das Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik enthält in 21 Abschnitten und 96 zweistellig bezifferten Kapiteln 9755 achtstellig bezifferte Warennummern. Zu tarifieren ist grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften zur Einreihung von Waren 1 bis 6. Darüber hinaus sind die Anmerkungen zu den oben bereits genannten Kapiteln und Abschnitten sowie die jährlichen Ergänzungen oder Änderungen im Warenverzeichnis zu prüfen.
Die Hilfsmittel zur Tarifierung sind vielfältig: Dazu gehören die Datenbank der Zolltarifauskünfte der EU, eine neue Suchmaschine des Statistischen Bundesamtes für Zolltarifnummern, verbindliche Zolltarifauskünfte des Zolls und möglicherweise zukünftig auch geeignete KI-Tools.

Was muss KI können?

Bei der Auswahl geeigneter KI-Tools ist es wichtig, dass diese zuverlässig und präzise arbeiten, um die komplexen Anforderungen der Tarifierung zu erfüllen. Allgemeine Tools, die auf die täglichen Fragestellungen trainiert sind, werden diesem konkreten Sachverhalt eher selten gerecht. Für konkrete Anwendungsfälle sind speziell auf den Anwendungsfall trainierte KI-Modelle Voraussetzung und bei einem Anbietercheck muss sich zwingend mit der Frage des Serverstandortes auseinandergesetzt werden.
Für die Tarifierung selbst muss zum Beispiel sichergestellt sein, dass die KI nicht auf Basis von Recherchen in Webshops Aussagen trifft. Spezielle Informationen müssen berücksichtigt werden, wie Warenbeschreibungen und Bezeichnungen, Werkstoffe, Materialien, chemische Bestandteile oder Formeln, Legierungen, Technische Informationen wie Länge, Breite, Höhe, Stromstärke, Kraft, Gewicht und Produktionsverfahren („gegossen“, „gewirkt“, „gewebt“, „gestrickt“). Es müssen aber vor allem die Datenqualität und -quantität, mit der die KI trainiert wird, stimmen. Diese Daten sollten insbesondere historische Tarifierungsentscheidungen, Produktbeschreibungen, Zolltarifnummern und andere relevante Informationen wie die Zolldatenbanken (EZT-Online, VZTA) beinhalten. Auch sollte die Ausgabe der KI mit einer Erklärung der Entscheidungen verbunden sein, da der Nutzende selbst immer den finalen Check und die Freigabe durchführen muss.
Der Einblick in eine praktische und vielversprechende KI-Anwendung ließ die Teilnehmenden einerseits staunen. Letzten Endes blieb aber auch die Gewissheit bestehen, dass die Unterstützung durch eine gute KI vor allem Zeit sparen und viele Fälle automatisiert vorbearbeiten kann. Ganz ohne den Menschen wird es damit nicht funktionieren.
dw
8/2024