„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“

Wieder zurück aus Rumänien, wo er im September an der ersten Delegationsreise der IHK Braunschweig teilnahm, erwischen wir Ole Siegel in seinem Auto irgendwo auf der Autobahn. Mitten in einem Zeitfenster zwischen zwei Terminen fährt der vielbeschäftigte Unternehmer rechts ran, um unsere Interviewfragen zu seinem ehrenamtlichen Wirken in der IHK zu beantworten. Das Auto ist neu und die Technik der Freisprecheinrichtung weigert sich hin und wieder, hält am Ende aber fast eine Stunde dem launigen Gespräch stand.
Der gebürtige Peiner hat sein Abitur abgebrochen, um sich 1990 mit gerade einmal 18 Jahren mit dem Verkauf von Badminton-Zubehör selbstständig zu machen. „Früher durfte man ja nicht“, fügt er lachend hinzu. Quasi aus dem Keller seines Elternhauses heraus meldete er das Gewerbe an, absolvierte aber parallel eine Tischlerausbildung, die ihm ebenso Spaß machte und gleichzeitig Sicherheit bot. Zu der Zeit hatte Siegel bereits eine erfolgreiche Handball-Karriere bis zur A-Jugend hinter sich, spielte aktiv Badminton und arbeitete auch als Trainer. „Ich habe aus der Sporttasche heraus Badmintonschläger verkauft“, beschreibt er seine Anfänge als Kaufmann im Sportbereich unter der bis heute gültigen Firmierung „Ole Siegel Sports“. Es sei hin und wieder vorgekommen, dass Herstellervertreter zu Hause mit seiner Mutter auf ihn warteten, bis er aus der Schule kam. Eine Erinnerung, an die er gerne zurückdenkt. Mangels Händlern in diesem Sportsegment gewann der Newcomer schnell Marktanteile, entwickelte sich rasant weiter und eröffnete kleine Geschäfte, unter anderem in Braunschweig und Hannover.

Ausprobieren und mutig sein

Schließlich änderte er recht schnell seine Strategie und wechselte zum Handball-Merchandise, da der Absatzmarkt wesentlich ergiebiger war. Ole Siegel lebt nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Für ihn gehört zu einem erfolgreichen Unternehmertum „sich immer wieder zu verändern, auszuprobieren und mutig zu sein“. Nicht jede seiner Ideen sei von Erfolg gekrönt worden, aber doch einige und diese kleine Anekdote zählt sicherlich dazu: Den Verkauf von Handball-Artikeln startete ­Siegel nicht etwa in einem Laden, sondern in einem umgebauten Ziehharmonikabus der Wolfsburger Stadtwerke, mit dem er und sein Team zu verschiedenen Sportveranstaltungen fuhren. In Spitzenzeiten besaß Siegel insgesamt vier solcher Verkaufsbusse. Im Jahr 2000 stieg er außerdem in den Onlinehandel ein. Zunächst auf eBay, wo er „Masse gemacht“ habe. Als Beispiel nennt er den Verkauf von Sportschuhen, was damals über solche Plattformen noch nicht sonderlich populär gewesen ist. Siegel aber sprang ins kalte Wasser und wurde belohnt, eröffnete sogar einen eigenen Onlineshop und 2004 das Fachgeschäft in Peine. Als der Internethandel aber explodierte und sich auch Hersteller in eigenen Onlineshops präsentierten, passte sich der 52-Jährige erneut an, stellte den Onlinehandel ein und spezialisierte sich kurz vor der Coronapandemie. Das aktuelle Geschäftsmodell besteht in der Zusammenarbeit mit Vereinen, denen Siegel ausschließlich veredelte Produkte anbietet. Darunter größtenteils bedruckte Trikots, alles Unikate. Es handelt sich um Einzelaufträge, die nur auf Bestellung von Siegel und seinen drei Mitarbeitenden gefertigt werden. Ein weiteres Ass hat der Einzelhändler noch im Ärmel: Seit 2014 trägt auch die von ihm betriebene Postagentur zum Lebensunterhalt bei. Was als sekundäres Projekt begann, „wächst stetig“ und sicherte während der Pandemie sein Einkommen.
Die Arbeit der IHK-Ausschüsse ist so wertvoll, weil wir die Ergebnisse direkt an die Vollversammlung weitergeben, die wiederum den direkten Draht zur Politik hat.

Ole Siegel


Das große Ganze

Der sportbegeisterte Unternehmer, der im Jahr 2020 sein 30-jähriges Jubiläum feierte, intensivierte seinen Kontakt zur IHK Braunschweig mit dem Plan, ausbilden zu wollen. Aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung wurde ihm die Ausbildung junger Menschen gestattet und führte bei ihm zu einem Aha-Erlebnis seitens der IHK-Organisation, da er die gesamte Vielfalt an Unterstützungsmöglichkeiten bis dato nicht kannte. 2009 gründete ­Siegel die CityGemeinschaft Peine e. V. – ein Zusammenschluss Peiner Kaufleute, deren Vorsitzender er war. Parallel trat er in den Vorstand der Kaufmannsgilde zu Peine von 1652 ein, der er bis heute angehört. Darüber entstand der Kontakt zu Ulrike Brandes-Peitmann, die ihn als ehemalige und langjährige IHK-Vizepräsidentin sowie damalige Vorsitzende des Regionalen Wirtschaftsausschusses Peine für den IHK-Handelsausschuss gewinnen konnte. Schließlich folgte 2021 außerdem seine Mitgliedschaft im Regionalen Wirtschaftsausschuss Peine und in der IHK-Vollversammlung. „Die Arbeit der IHK-Ausschüsse ist so wertvoll, weil wir die Ergebnisse direkt an die Vollversammlung weitergeben, die wiederum den direkten Draht zur Politik hat“, so Siegel. Als Beispiel nennt er das Haus der Musik, welches in das ehemalige Karstadt-Gebäude am Braunschweiger Gewandhaus ziehen soll. Daran ist der Handelsausschuss um den Vorsitzenden Olaf Jaeschke maßgeblich beteiligt gewesen, was zeigt, „dass es sich lohnt, dranzubleiben“. Die Entwicklung der Innenstädte und des Einzelhandels sind für den Ehrenamtler die zentralen Themen seiner Gremienarbeit, auch wenn er den oft vorherrschenden Pessimismus nicht teilt: „Wenn zwei Geschäfte in der Innenstadt schließen, berichten die Medien über nichts anderes. Öffnet aber ein neues Geschäft, wird es eigentlich nicht erwähnt.“ Er trotzt der Hiobsbotschaft, dass es den Stadtzentren zunehmend schlechter geht, schon seit 2009 und bleibt positiv. „Wir haben in der Coronakrise gelernt, wie sich der stationäre Handel weiterentwickeln kann und sollten diese Bereitschaft zu Veränderung und Optimierung beibehalten.“ Mindestens genauso wichtig wie der Handel seien die anderen Branchen, mit deren Vertreterinnen und Vertretern er sich insbesondere in der Vollversammlung austauschen könne. Er schätze die Themenvielfalt und die Mischung der Interessen, die das „große Ganze“ dieses Gremiums ausmachen würden.

„Ich bin ein Vereinsmensch“

Als bisheriges Highlight seiner IHK-Zeit nennt der gesellige Peiner neben den Sommer- und Neujahrsempfängen die erst kürzlich stattgefundene IHK-Delegationsreise nach Rumänien. Der Wissenstransfer sowie der Austausch untereinander und mit den Firmen vor Ort sei immens gewesen. Und bevor er ins Schwärmen gerät, ermahnt er sich scherzhaft selbst, „damit sich bei der nächsten Reise nicht noch mehr anmelden und ich nicht mitkomme“. Das Ehrenamt habe ihn als „Vereinsmenschen“ schon immer begleitet und sei bereits in der Schulzeit mit der Wahl zum Klassensprecher gestartet. Auch abseits seiner offiziellen Ämter ist Ole Siegel vielseitig engagiert. So hängt er jedes Jahr um die Weihnachtszeit gemeinsam mit alten Schulfreunden die Weihnachtsbeleuchtung in Peine auf – eine Tradition, die für ihn selbstverständlich geworden ist. Wie er dieses Engagement an die nachfolgende Generation weitergeben würde? Laut Siegel ist es vor allem für junge Unternehmerinnen und Unternehmer anfangs schwer, sich die Zeit freizuschaufeln. Und es müsse auch ein gewisser Nutzen erkennbar sein. Für die Vollversammlung schlägt er eine Art Praktikum vor. „Damit man ein Verständnis davon bekommt, was dort passiert, und man sieht, dass es Spaß macht.“ Die IHK und ihr Ehrenamt sieht er darüber hinaus in den sozialen Medien und auf den vielen Veranstaltungen gut repräsentiert.
Der seit Dezember 2023 frisch gebackene Vater versucht, Haupt- und Ehrenamt sowie seinem Privatleben gleichermaßen gerecht zu werden, wobei für ihn die Zeit zu Hause mit der Familie zweifellos die „schönste Zeit“ ist.
ar
7/2024