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„Die Arbeit weist den Weg“
Er mache es wegen der Sache und nehme sich nicht zu wichtig, beschreibt Tobias Friedrich seine Motivation für seine zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen. Die Erfolge – und seien sie auch noch so klein – treiben den Wolfenbütteler Unternehmer an. Er plädiert für mehr Empathie, weniger Egoismus und eine große Portion Eigenverantwortung, wenn es um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Mitgestaltung unserer Region geht. Für die IHK Braunschweig setzt er dies bereits seit einigen Jahren in verschiedenen Ausschüssen um und zählt seit 2024 außerdem zu den neuen Mitgliedern der IHK-Vollversammlung.
Tobias Friedrich
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Kindheit, Schulzeit sowie sein Wirtschaftsinformatik-Studium verbrachte der gebürtige Braunschweiger in seiner Heimatstadt. Während seiner Zeit an der Technischen Universität Braunschweig widmete sich Friedrich parallel der Musik. Ein Popstar sei er zwar nicht geworden, sagt er lachend, aber sein Hobby habe schließlich zu seiner Selbstständigkeit geführt. Der 53-Jährige, inzwischen im Landkreis Wolfenbüttel ansässig, betreibt die „Musikbox – Die Musikschule in Cremlingen“ mittlerweile im zwanzigsten Jahr erfolgreich. Um neben Noten, Tönen und Oktaven den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, legte Friedrich ein Studium in Bildungswissenschaften nach. „Das war genau das Richtige, um Führungskompetenzen zur Leitung einer Bildungseinrichtung zu entwickeln“, bestätigt er. Nebenbei konnte er außerdem sein persönliches Interesse für die Sozial- und Entwicklungspsychologie vertiefen. In der Musikbox unterrichtet er neben Schlagzeug vor allem die musikalische Früherziehung. Dass es schwierig sein kann, Kinder zwischen ein und sechs Jahren für Vivaldis Vier Jahreszeiten zu begeistern, liegt auf der Hand. Friedrich bringt dem musikalischen Nachwuchs fachliche Inhalte jedoch spielerisch näher und nutzt dabei den „Katalysator Musik“, um Sozialverhalten und Selbstreflektion zu fördern, damit das Spiel in der Gruppe funktioniert. Klar, dafür braucht man Geduld. Die habe er aber und betont, wie wertvoll ihm die Arbeit mit Kindern sei. Dem Vater zweier Töchter ist wichtig, sich für grundlegende Werte stark zu machen und diese auch in seinen Kursen zu vermitteln. Dazu zählen für ihn neben der erwähnten Empathie und Eigenverantwortung auch Ehrlichkeit und Toleranz sowie die Bereitschaft, sich stets weiterzubilden.
Wertekompass
Seinem Wertekompass liegt gewiss auch sein ehrenamtliches Engagement zugrunde, das er schon lange ausübt. Als „perfekten Einstieg“ für ihn beschreibt Friedrich seine Mitarbeit bei den Wirtschaftsjunioren Braunschweig, deren Sprecher er 2009 war. Nicht zuletzt durch die Wahl zum Senator im Jahr 2010 fühlt er sich bis heute eng mit den Junioren verbunden. Friedrich ist außerdem langjähriges Mitglied im Regionalen Wirtschaftsausschuss Wolfenbüttel der IHK, wo er die Nähe zur Wirtschaftsförderung schätzt. Doch damit nicht genug: Der Unternehmer ist ferner Mitglied in der Union Kaufmännischer Verein von 1818 – wobei ihm für die abwechslungsreichen Veranstaltungen leider häufig die Zeit fehle – sowie Bürgervertreter im Jugend-, Sport- und Kulturausschuss der Gemeinde Cremlingen, wo auch die Musikbox ansässig ist. Die meiste Zeit seiner ehrenamtlichen Arbeit wendet er zurzeit auf den Kiwanis Club Cremlingen auf – hinter UNICEF ist Kiwanis die weltweit größte Organisation, die sich um das Wohl von Kindern kümmert. Friedrich zählt zu den Cremlinger Gründungsmitgliedern von 2019 und ist seither Präsident der Organisation. „Mich begeistert die Idee, direkt vor Ort Kindern zu helfen, schnell und unkompliziert. Wir versorgen sie beispielsweise mit einem Schulranzen, wenn sie ihn sich nicht leisten können oder veranstalten regelmäßig in den Grundschulen ein Theaterstück zur Gewaltprävention und haben kürzlich eine Aktion zum toten Winkel bei LKWs gemacht“, berichtet er begeistert. Als aktiver Unterstützer der Wirtschaftsregion erschien es Friedrich schon in der Vergangenheit des Öfteren sinnvoll, sich auch in dem höchsten Gremium der IHK, der Vollversammlung, aktiv einzubringen. Denn „es ist immer leicht, sich über Entscheidungen zu beschweren. Mitzugestalten ist viel schwieriger“. Während es in der Vergangenheit nie an seinem Engagement, durchaus aber an seiner verfügbaren Zeit scheiterte, ließ er sich 2023 dennoch zur Wahl aufstellen und zählt seit diesem Jahr zu den aktiven Mitgliedern.
Kommunale und branchenbedingte Herausforderungen
Den Inhaber eines Wolfenbütteler Unternehmens beschäftigen entsprechend viele kommunalspezifische Anliegen: So auch die Gestaltung attraktiven Lebensraumes, was neben der grundlegenden Versorgung auch die Ansiedelung von Unternehmen, Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und eines funktionierenden Einzelhandels bedarf. Er fügt hinzu, dass er sich aktuell mit seiner Musikschule bei dem Bildungs- und Begegnungszentrum, das derzeit in Cremlingen gebaut wird, einbringen möchte. „Ich bin froh, dass die Verwaltung die ansässigen Vereine und Einrichtungen bereits seit der Planung einbezieht.“ Schwierigkeiten bereiten dem Kleinunternehmer die infrastrukturellen Voraussetzungen des Landkreises also nicht, vielmehr leide seine Branche an einer erfolgreichen Gewinnung von Mitarbeitenden. Die Coronapandemie habe ihr Übriges getan: „Ich habe drei Lehrkräfte verloren, die sich in dieser Zeit umorientiert haben. Und es ist sehr schwierig, Verstärkung für unser Team zu finden.“ Abhilfe könne die Verbesserung der Anstellungsverhältnisse für Dozentinnen und Dozenten an Musikschulen schaffen, wodurch den Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft sehr geholfen wäre. „Von staatlicher Seite sollte es hier mehr Unterstützung geben. Bildung, insbesondere kulturelle Bildung findet nicht nur in öffentlichen Einrichtungen statt“, gibt der Musiklehrer zu bedenken.
Zugang zu Bildung
Gerade die Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen sind es auch, die Friedrich in der IHK-Vollversammlung vorantreiben möchte. Während er als neues Mitglied bisher nur beobachtete, „muss ich nun lernen, wie ich in der Vollversammlung anpacken kann“, verkündet der ambitionierte Ehrenamtler. Verständlich, dass ihm durch seine tägliche Arbeit in der Musikbox vor allem Bildungsthemen am Herzen liegen: „Unsere Region steht vor großen Aufgaben, da Bildung einen zentralen und komplexen Bereich darstellt, der ständigen Wandel und Anpassung erfordert. Gesellschaftliche Veränderungen, finanzielle Ressourcen, die Entwicklung geeigneter Lehr- und Lernmethoden oder der technologische Fortschritt bis hin zu KI sind nur einige der aktuellen Herausforderungen.“ Friedrich, der bei Bildungsthemen einen ganzheitlichen Ansatz sowie innovative Lösungen verfolgt, nennt mit der Erhöhung des Bildungsgutscheins sogleich eine mögliche Intervention, um den Zugang zu Bildung für alle Menschen zu erleichtern. In seinem neuen IHK-Amt möchte er insbesondere den kontinuierlichen Austausch zwischen Bildungseinrichtungen, Politik und Wirtschaft fördern. Dabei liegt sein persönlicher Gewinn nicht ausschließlich darin, eigene Ideen einzubringen, sondern gemeinsam mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten ehrenamtlich tätig sein zu können. „Mich erfüllt vor allem der Austausch mit den Menschen, die ich in meinen Ehrenämtern kennenlernen durfte und mit denen ich das Ziel des ehrbaren Unternehmertums teile.“
Mich erfüllt vor allem der Austausch mit den Menschen, die ich in meinen Ehrenämtern kennenlernen durfte.Tobias Friedrich
Tobias Friedrich sieht sich durchaus als „Macher“, wenn es um seine vielen haupt- und ehrenamtlichen Verpflichtungen geht. Auf die Frage, wie er alles unter einen Hut bekommt, zitiert er einen Freund, der ihm einst im Rahmen von Renovierungsarbeiten mit dem Satz „Die Arbeit weist den Weg“ Mut machte. Darin erkenne er sich wieder, denn er setze stets einen Fuß vor den anderen. Sein bescheidender Wunsch? Seine „Lebensgeschwindigkeit“ dürfe sich gerne etwas verlangsamen. Denn das Schönste für den Familienmenschen ist die gemeinsame Zeit mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Töchtern, die er gerne mehr auskosten würde. Sein großes Hobby Musik übt Friedrich privat nur noch selten, aber leidenschaftlich aus – ob mit seiner Band Bluespower oder an der Gitarre, wenn er mit seiner Frau zusammen ist. Mit jener lernt er außerdem Italienisch, da es den Italienliebhaber immer wieder in den Süden zieht, wo er gerne mehr Zeit verbringen würde.
ar
6/2024