Konjunkturumfrage 3. Quartal 2024
Regionale Konjunktur bricht deutlich ein
Die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg blicken mit großen Sorgen in die Zukunft. Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung in der Automobilindustrie, die Verschärfung des Nahost-Konflikts, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Energie-, Rohstoff- und Personalkosten, Fachkräftemangel und zunehmende Bürokratie bei gleichzeitiger Absatzschwäche führen zu einem Einbruch der regionalen Konjunktur. Der IHK-Konjunkturklimaindikator ist im dritten Quartal 2024 um 19 Punkte auf einen Stand von 64 gefallen, wie sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) ergibt. Damit erreicht der Indikator, der die wirtschaftliche Entwicklung in der Region widerspiegelt, seinen schlechtesten Wert nach dem Ausbruch der Coronapandemie.
Seit nunmehr zwei Jahren hat sich die Geschäftslage der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg kontinuierlich verschlechtert, wie aus der Analyse des Konjunkturverlaufs hervorgeht. Aktuell beurteilen nur noch 13 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als gut, 7 Prozent weniger als im Vorquartal. Der Anteil an Unternehmen mit schlechter Geschäftslage hat erneut zugenommen – mittlerweile berichtet fast jedes dritte Unternehmen in der Region von schlecht laufenden Geschäften. Von einer zufriedenstellenden Geschäftslage berichten zurzeit noch 56 Prozent der Unternehmen. Auch die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten fallen pessimistischer aus. So gehen im Herbst nur noch 34 Prozent der Unternehmen von einem gleichbleibenden und 8 Prozent von einem besseren Geschäftsverlauf aus. Mit 58 Prozent rechnet die überwiegende Mehrheit mit einer ungünstigen Entwicklung.
Von dem deutlichen konjunkturellen Abschwung sind alle Wirtschaftsbranchen erfasst – allen voran der Großhandel und die die Wirtschaft in der Region prägende Industrie. Der Konjunkturklimaindikator für den Großhandel ist mit 26 Punkten am stärksten gefallen, auf einen Wert von 43. Der Klimaindikator für die Industrie ist auf einen Tiefstand von 62 eingebrochen – aufgrund gesunkener Auftragsvolumina werden in der heimischen Industrie negative Auswirkungen in der aktuellen Geschäftslage sichtbar. Außerdem bereiten der Transformationsprozess in der Automobilindustrie, eine weiterhin verringerte Nachfrage sowie geopolitische Krisen den Industriebetrieben zunehmend Sorge. Die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen zudem eine weitere Verschlechterung der Konsumstimmung befürchten, sodass der Konjunkturklimaindikator für den Einzelhandel auf 57 Punkte gesunken ist. Eine gesunkene Nachfrage belastet zuletzt auch die Dienstleistungskonjunktur, die einen Indikatorstand von 78 vorzuweisen hat.
„Die gesunkene Auslandsnachfrage und die Konsumschwäche im Inland treffen die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg mit voller Wucht“, kommentiert Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg, die aktuellen Konjunkturergebnisse. „Um die Investitionsbereitschaft zu beflügeln, brauchen wir jetzt endlich eine verlässliche und wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, damit die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. Oberste Priorität haben spürbare Entlastungen bei Energiekosten, Steuern und Bürokratie sowie eine Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren“, so Zeinert.
Die Wichtigkeit der Automobilwirtschaft für Niedersachsen zeigt sich vor allem an der Bedeutung für Arbeitsplätze und Investitionen: Während in Deutschland im Durchschnitt rund 13 Prozent der Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes im Fahrzeugbau tätig sind, sind es in Niedersachsen knapp 22 Prozent. Der Anteil der Automobilindustrie an allen Investitionen der Wirtschaft liegt bundesweit bei knapp 23 Prozent – in Niedersachsen sind es rund 41 Prozent. „Niedersachsen ist Autoland und muss es auch bleiben. Für die Wende hin zu klimaneutralen Antrieben braucht es eine flächendeckende und leistungsfähige Ladeinfrastruktur, marktgängige Fahrzeugmodelle, niedrigere Energiepreise und nicht zuletzt freie Märkte anstatt neuer Handelsbarrieren“, sagt der IHKLW-Chef.
Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, macht deutlich: „Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung mit einer Verbesserung der Standortbedingungen für unsere Unternehmen muss vordringliches Ziel der Politik sein. In diesem Rahmen benötigen wir mehr öffentliche Investitionen in die Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung.“ Gleichzeitig müssen die Anstrengungen von EU und Bund beim Bürokratieabbau verstärkt werden. „Mit dem Ende September beschlossenen Vierten Bürokratieentlastungsgesetz ist ein erster Schritt erfolgt, dem weitere folgen müssen. Zu begrüßen sind auch die Vorschläge des früheren EZB-Chefs Mario Draghi zum EU-Bürokratieabbau, nach denen neue Vorschriften systematisch überprüft und auf Vereinfachungspotenzial untersucht werden sollen. Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen ist die Umsetzung des angekündigten Abbaus von Berichtspflichten für Unternehmen dringend“, so Dr. Löbermann.
Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg
Die konjunkturelle Abkühlung ist seit nunmehr zwei Jahren kontinuierlich vorangeschritten, wie vor allem der Blick auf die Geschäftslage der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig verdeutlicht. Überlagert wird diese Entwicklung zuletzt durch die negativen Rückmeldungen der Unternehmen über die Geschäftserwartungen in den kommenden zwölf Monaten. Schlechter wurden die Perspektiven nur zu Beginn der Coronapandemie 2020 und zu Zeiten der drohenden Versorgungsengpässe bei Strom und Gas zum Jahresende 2022 infolge des Russland-Ukraine-Konfliktes bewertet. Zurückzuführen ist dieser Sachverhalt auf die gesunkenen Industrieaufträge aus dem In- und Ausland sowie den anhaltend schwachen Konsum, die in einem wirtschaftlichen Umfeld stattfinden, dass wenig Zuversicht bietet. Die Unternehmen leiden nach wie vor unter hohen Energie- und Rohstoffkosten sowie steigenden Personalkosten bei anhaltendem Fachkräftemangel. Weiterhin sehen die Unternehmen trotz erster Initiativen keine Besserung bei den Bürokratiebelastungen, da sie ab 2025 mit neuen zusätzlichen Regularien konfrontiert sein werden. Gleichzeitig sorgt die Ankündigung von VW über Einsparmaßnahmen zu Unsicherheit in der Zuliefererindustrie und bei beauftragten Dienstleistern; der Einzelhandel befürchtet Kaufkraftverluste.
Die düsteren Geschäftsaussichten zeigen ihre Auswirkungen in den Investitions- und Beschäftigungsplanungen der regionalen Wirtschaft. So beträgt der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen über zukünftige Investitionsplanungen einen Wert von -4. Zurzeit beabsichtigen nur 30 Prozent der befragten Unternehmen eine Ausweitung ihrer Budgets vorwiegend für Ersatzinvestitionen, während gleichzeitig 34 Prozent Investitionstätigkeiten verringern wollen. Die Beschäftigungsplanungen fallen in den Unternehmen im Vergleich zum Vorquartal besser aus – mittlerweile rechnen 14 Prozent mit einer Steigerung der Mitarbeiterzahl. Mehr als jedes vierte Unternehmen geht dennoch von sinkenden Beschäftigtenzahlen aus.
Industrie
Die regionale Industriekonjunktur hat im Herbst aufgrund gesunkener Auftragseingänge aus dem In- und Ausland einen Dämpfer erhalten. Aktuell berichten 44 Prozent der Unternehmen aus der Region über gesunkene Auftragszahlen. Nur 14 Prozent der Industriebetriebe konnten zunehmende Auftragseingänge verzeichnen. Für 42 Prozent aus der Branche ist die Entwicklung der Auftragseingänge noch stabil geblieben. Insgesamt berichten 12 Prozent der Industriebetriebe von einer guten Geschäftslage (Vorquartal: 17 Prozent). Im Vergleich hat sich auch der Anteil von Unternehmen mit schlechter Geschäftssituation auf 34 Prozent weiter erhöht (Vorquartal: 27 Prozent). Die Erwartungen zur Entwicklung des Exports zeichnen ebenfalls ein negatives Bild. Betroffen sind vor allem energieintensive Industriezweige. Ihre Wettbewerbsfähigkeit leidet unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus Fernost und Nordamerika, die deutsche Produkte auf den Weltmärkten verdrängen. Zudem sorgt der ungewisse Transformationsprozess in der für die Region bedeutsamen Automobilindustrie für Verunsicherung. Diese Entwicklungen sorgen für pessimistische Zukunftsaussichten bei 60 Prozent aller Industrieunternehmen. Nur noch 10 Prozent rechnen mit besseren Geschäften.
Einzelhandel
Trotz anhaltender Konsumschwäche hat sich die Lage der Einzelhandelsunternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg leicht verbessert. Im Herbst berichten nur noch 24 Prozent der Händler von schlecht laufenden Geschäften. Der Anteil der Befragten mit höherer Nachfrage hat sich allerdings ebenfalls auf 2 Prozent verringert. So können mit 74 Prozent der überwiegende Anteil der Einzelhändler von einer befriedigenden Geschäftslage sprechen. Vor allem Händler im Online-Vertrieb konnten ihre Umsätze stabilisieren, wie aus der differenzierten Analyse hervorgeht. Auch das stationäre Geschäft ist wieder etwas besser als im Sommer gelaufen. In der Branche bestehen angesichts der Aufkündigung der Beschäftigungsgarantien bei VW allerdings Befürchtungen über Kaufkraftverluste in der Bevölkerung. Wegen des Nahost-Konfliktes wird außerdem eine schlechtere Stimmungslage bei den Konsumenten angenommen. 61 Prozent der befragten Unternehmen erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine ungünstigere Geschäftsentwicklung, mit besseren Geschäften rechnen lediglich 3 Prozent der Händler. Mehr als jeder dritte Einzelhändler geht von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Immerhin haben sich die Beschäftigungsabsichten in der Branche im Vergleich zum Sommer verbessert. Investitionen werden zurückgefahren.
Großhandel
Der Konjunkturklimaindikator für den Großhandel hat im Herbst einen historischen Tiefstand erreicht, obwohl sich die Lage in der Branche in den letzten Monaten leicht verbessert hat. 43 Prozent der befragten Großhändler berichten noch von schlecht laufenden Geschäften, während 5 Prozent der Befragten dieser Branche eine gute Geschäftssituation verzeichnen können. Immerhin 52 Prozent der Grossisten bezeichnen ihre Lage als befriedigend. Die Erträge und Umsätze im Großhandel haben sich stabilisiert, wie aus der Umfrage hervorgeht. In Anbetracht der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen blicken die Grossisten allerdings mit Pessimismus auf die zukünftige Geschäftsentwicklung. Drei von vier der befragten Unternehmen rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage; im Sommer hatten nur 37 Prozent der Großhändler ihre geschäftlichen Aussichten als schlecht vorausgesagt. Insgesamt 19 Prozent gehen noch von einer gleichbleibenden Entwicklung aus und nur 5 Prozent vermelden positive Geschäftsprognosen. In diesem Rahmen fallen auch die Investitionsplanungen in der Branche zurückhaltender aus. Die Beschäftigungsabsichten sind im Vergleich zum Sommer weniger negativ.
Dienstleistungen
Die konjunkturelle Entwicklung für die Dienstleistungsunternehmen folgt den negativen Tendenzen der Gesamtwirtschaft. So fällt der sektorale Konjunkturklimaindikator im Branchenvergleich zwar am besten aus, dennoch haben auch die Dienstleister eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage zu verzeichnen. So berichtet aktuell nur noch jedes fünfte Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche von einer guten Geschäftslage und immerhin 49 Prozent von zumindest befriedigenden Geschäften. Der Anteil der Dienstleister mit einer aktuell schlechten Geschäftssituation hat sich allerdings auf 30 Prozent erhöht – im Vorquartal berichteten nur 22 Prozent von einer ungünstigen Lage. Aus der detaillierten Analyse geht hervor, dass vor allem unternehmensbezogene Dienstleistungen weniger nachgefragt sind. Für die konsumnahen Dienstleister laufen die Geschäfte besser. Insgesamt fällt die Beurteilung der Unternehmen zur zukünftigen Geschäftsentwicklung schlechter aus: So rechnen aktuell 44 Prozent der befragten Dienstleistungsbetriebe mit einer ungünstigen Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten, wohingegen nur 11 Prozent besser laufende Geschäfte erwarten. Keine Änderungen zeichnen sich in diesem Rahmen bei den Beschäftigungsplanungen der Dienstleister ab. Erfreulicherweise steigt die Investitionsbereitschaft der Branche.
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Je mehr Unternehmen sich an der IHK-Konjunkturumfrage beteiligen, desto repräsentativer und verlässlicher sind deren Ergebnisse. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert maximal fünf Minuten - bei vier Befragungen im Jahr. Machen Sie mit und stärken Sie die Aussagekraft unserer regionalen Konjunkturberichterstattung. Melden Sie sich hier an.
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