IHK-Konjunkturumfrage 3. Quartal 2023
Regionale Konjunktur auf Talfahrt
Die Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg hat sich zum Herbst hin weiter verdüstert. Nach wie vor leidet die regionale Wirtschaft unter hohen Energiekosten, gestiegenen Preisen für Vorprodukte, zunehmenden Arbeitskosten sowie unter der gewachsenen Zinsbelastung. Dagegen herrscht auf der Nachfrageseite weiter Zurückhaltung, sowohl bei den Investitionen als auch beim Konsum. Wirksame Impulse gehen momentan weder vom Inland noch vom Ausland aus. In der Folge lassen schleppende Auftragseingänge die Auftragspolster weiter abschmelzen. Hinzu kommen grundlegende Herausforderungen wie der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel, der enorme Anpassungsdruck im Zuge der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, starke Belastungen durch überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorgaben sowie die Auswirkungen der fortschreitenden globalen außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung. Alles in allem ergibt sich daraus eine prekäre Gemengelage, die der heimischen Wirtschaft mächtig aufs Gemüt schlägt. Dies zeigt der gemeinsame Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das dritte Quartal 2023.
Demnach fiel der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die derzeitige geschäftliche Lage der Unternehmen als auch ihre Geschäftserwartungen abbildet, deutlich um 12 Punkte ab und erreichte nur noch einen Stand von 73. Nachdem er bereits im Vorquartal einen ähnlich starken Rückschlag erlitten hatte, liegt der Indikator damit wieder auf dem niedrigen Niveau, das nach Kriegsausbruch in der Ukraine herrschte. Lediglich im tiefsten Tal der Corona-Krise war er noch schwächer ausgefallen. Von der aktuellen Misere kann sich dabei keiner der befragten Wirtschaftsbereiche frei machen. Herbe Verluste mussten vor allem die Industrie und der Großhandel einstecken. In der Industrie verzeichnete der sektorale Konjunkturklimaindikator ein Minus von 13 Punkten, womit er auf einen ausgesprochen schwachen Stand von 62 absackte. Die für den Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg so wichtige Branche ziert damit erstmals seit mehreren Jahren wieder das Ende des Konjunkturzuges. Der Indikator für den Großhandel verringerte sich gar um 19 Punkte und rauschte auf einen Wert von 68 hinab. Der Einzelhandel verlor zwar aktuell nur 4 Indikatorpunkte, war aber bereits in den vorherigen Quartalen so kräftig gebeutelt worden, dass er nun einen branchenbezogenen Indikatorstand von lediglich 65 aufweist. Selbst die Dienstleister verloren 7 Punkte und rutschten mit einem sektoralen Indikator von 96 unter die neutrale 100-Punkte-Marke.
Zum beschriebenen Niedergang des regionalen Konjunkturklimas haben sowohl schwächere Lagebeurteilungen als auch die pessimistischeren Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen ihren Beitrag geleistet. Derzeit bezeichnet nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen seine Geschäftslage als gut. Etwas mehr als die Hälfte schätzt sie wenigstens als befriedigend ein. Jeder vierte Betrieb beurteilt seine momentane Situation hingegen als schlecht. Bemerkenswert ist, dass der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen mit -6 negativ ausfällt. Dies war zuletzt zu Jahresbeginn 2021 der Fall. Noch schlechter als die Lagebeurteilungen fallen die geschäftlichen Aussichten der regionalen Wirtschaft für die kommenden Monate aus. Die zuvor schon ausgeprägte Skepsis ist dabei nochmals angewachsen. Mittlerweile rechnet die Hälfte der befragten Betriebe mit geschäftlichen Einbußen. 43 Prozent meinen, das Geschäftsniveau zumindest halten zu können. An eine Aufhellung der Geschäftstätigkeit glauben inzwischen nur noch 7 Prozent der Unternehmen. Düsterer waren die Prognosen bisher lediglich zum Höhepunkt der Corona-Krise und nach dem Schock zu Beginn des Ukraine-Krieges ausgefallen.
Hierzu bemerkt IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert: „Die Ergebnisse unserer Konjunkturumfrage sind alarmierend. Spätestens jetzt muss auch dem Letzten klar sein, dass es einen schnellen und klaren Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik braucht. Hier sind alle politischen Ebenen gefordert. Anstatt immer neue Bürokratiemonster wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder kaum praktikable Vorschriften zur Umsetzung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus zu erschaffen, muss die Politik dafür sorgen, dass die Innovationskraft, wirtschaftliche Stärke und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wiederhergestellt werden. Die Unternehmen können erst dann wieder mehr Zuversicht schöpfen, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Das Gebot der Stunde ist daher eine breit angelegte wirtschaftspolitische Reformagenda.“
Dies bekräftigt Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig: „Der wirtschaftspolitische Handlungsbedarf ist unübersehbar. Statt weiterer Debatten braucht es zukunftsgerichtete und umsetzbare Weichenstellungen. Auch kurzfristige und spürbare Lösungen für unsere Mitgliedsunternehmen sind notwendig. Unternehmenssteuern sollten zum Beispiel auf ein Niveau abgesenkt werden, das vergleichbar ist mit anderen Industrieländern. Auch bei den Energiepreisen gilt es, wieder konkurrenzfähig zu werden. Die Herabsetzung der Stromsteuer würde für eine Erleichterung sorgen. Wirksame Entlastungen braucht es aber unbedingt auch beim Dauerthema Bürokratie. Von der Ankündigung der Politik, zusätzliche Bürokratielasten abzuwenden, ist bisher wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die Vorschriftenerfinder in Berlin und Brüssel agieren scheinbar ungebremst. Neueste Beispiele für kleinteilige Überregulierungen sind etwa das Energieeffizienzgesetz oder der digitale Produktpass. Es muss dringend gegengesteuert werden, damit eine wirtschaftliche Erholung überhaupt möglich wird.
Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg
Bei allen wichtigen Indikatoren zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage im Raum Braunschweig-Wolfsburg zeigen die Tendenzpfeile nach unten. Verglichen mit dem Vorquartal haben sich die Relationen also jeweils verschlechtert. Dabei verwundert es nicht, dass die beschriebene Negativentwicklung der geschäftlichen Lage und der geschäftlichen Erwartungen auch Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft hat. Aktuell beabsichtigt nur noch ein gutes Viertel der Unternehmen, seine Investitionsbudgets auszuweiten. Demgegenüber geht mehr als ein Drittel von einer Kürzung aus. Damit ist die Investitionsneigung nun bereits zum dritten Mal in Folge rückläufig. Zudem fällt auf, dass ein Großteil der Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf sowie der Rationalisierung dient. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Kapazitätserweiterung stehen dahinter zurück. Belastet wird das Investitionsklima einerseits durch die eingetretenen erheblichen Preis- und Zinsanstiege und andererseits durch die schleppende Marktnachfrage. Vor diesem Hintergrund hat die Zuversicht, dass sich potenzielle Investitionen rentieren, erkennbar gelitten.
Auch ihre Personalplanungen gehen die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg vorsichtiger an. Zwar beabsichtigen immer noch 15 Prozent der Betriebe, ihren Personalbestand auszubauen. Mehr als jedes vierte Unternehmen rechnet jedoch damit, die Anzahl seiner Mitarbeiter zu reduzieren. Gleichzeitig bleibt der Arbeits- und Fachkräftemangel präsent. So gelingt es sechs von zehn befragten Unternehmen nicht, offene Stellen mit geeigneten Arbeitskräften zu besetzen – wobei sich die vergebliche Suche nach Personal auf alle Qualifikationsniveaus erstreckt.
Industrie
In der Industrie hat sich der Stimmungseinbruch zum Herbst hin fortgesetzt und noch einmal verstärkt. Dies zeigen die Meldungen der regionalen Industriebetriebe zu ihrer aktuellen Geschäftslage. Momentan berichtet nicht einmal jeder fünfte Hersteller von guten Geschäften. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagt dagegen fast ein Drittel. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen beträgt -14 und ist damit weiter in den Minusbereich gerutscht. Noch viel schwieriger ist die Lage in der energieintensiven Industrie. Hier beträgt der Saldo aus positiven und negativen Lagebeurteilungen -53. Weite Teile der Industrie berichten von nachlassenden Umsätzen und Erträgen. Derzeit arbeitet die Branche ihre vor einiger Zeit noch recht komfortablen Auftragspolster ab. Die aktuelle Ordertätigkeit der Industriekunden verläuft aber ausgesprochen schleppend. Die Nachfrage aus dem Inland ist schwach und auch die Auftragseingänge aus dem Ausland zeigen wenig Dynamik. Daraus folgt, dass die Auftragsbestände der regionalen Industrie immer weiter zusammenschrumpfen. Mittlerweile hält mehr als ein Drittel der regionalen Industriebetriebe sein Auftragsvolumen für zu klein. Demgegenüber bezeichnet nur ein gutes Zehntel sein Auftragspolster als groß. Derartig ungünstig waren diese Relationen zuletzt zu Beginn der Coronakrise ausgefallen. Und so verwundert es nicht, dass auch die Geschäftsprognosen der regionalen Industriekapitäne weiterhin von tiefgreifendem Pessimismus geprägt sind. Mehr als 60 Prozent erwarten für die kommenden Monate eine geschäftliche Eintrübung. Bessere Geschäfte prognostiziert dagegen gerade einmal jeder zwanzigste Betrieb.
Einzelhandel
Der Einzelhandel leidet weiterhin unter der Kaufzurückhaltung seiner Kunden. Dauerkrisen und die immer noch hohen Inflationsraten drücken auf die Konsumlaune der Verbraucher und schmälern deren verfügbares Einkommen. Zudem müssen die Einzelhandelsbetriebe auch selbst mit den gestiegenen Kosten zurechtkommen. Herausforderungen bestehen also sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. All dies schlägt sich in den Rückmeldungen der Einzelhändler zu ihrer geschäftlichen Lage nieder. Derzeit bezeichnen nur 6 Prozent der Einzelhändler ihre geschäftliche Situation als gut, sieben von zehn Händlern empfinden sie immerhin noch als befriedigend. Fast ein Viertel berichtet hingegen von schlecht laufenden Geschäften. Im Vergleich zum Vorquartal haben sich die Relationen damit nochmals zum Schlechteren entwickelt. Schwer hat es dabei keineswegs nur der stationäre Handel, auch im Onlinehandel wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Vor allem der Absatz langlebiger Konsumgüter gestaltet sich derzeit mühsam. Zwar hofft der Handel, dass mit sinkenden Inflationsraten und den zu erwartenden Lohnzuwächsen die Kaufkraft der Kunden demnächst auch wieder zulegen kann, dennoch bleibt der Blick nach vorn ausgesprochen trostlos. So geht annähernd die Hälfte der Handelsunternehmen von einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage aus, mit besseren Geschäften rechnet hingegen nicht ein einziger der befragten Händler.
Großhandel
Der deutliche Abfall des sektoralen Konjunkturklimaindikators für den Großhandel gründet sich auf die negative Entwicklung beider Eingangsfaktoren. Zum einen haben die geschäftlichen Lagebeurteilungen der Großhändler deutlich nachgelassen, zum anderen hat sich der zuvor schon recht trübe Ausblick auf die kommenden Monate zum Herbst hin nochmals verfinstert. Bei der Einschätzung der geschäftlichen Lage überwiegen erstmals seit mehr als zwei Jahren nun wieder die Negativmeldungen. So berichten derzeit nur noch 12 Prozent der Grossisten von gut laufenden Geschäften. Zwei Drittel der Betriebe bewerten ihre Situation als befriedigend, 22 Prozent klagen hingegen über schlechte Geschäfte. Ursächlich für das Stimmungstief ist das zögerliche Bestellverhalten der Großhandelskunden, von dem weite Teile der Branche betroffen sind. So leidet der produktionsbezogene Großhandel unter der Schwäche der Industriekonjunktur, den konsumnahen Großhandel trifft dagegen die anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher. In der Folge sind die Umsätze und Erträge der Branche unter Druck geraten. Aussicht auf Besserung scheint vorerst nicht in Sicht, wie die Vorausschau auf die Geschäfte in den nächsten Monaten zeigt. So bewertet mit 48 Prozent fast jeder zweite Großhändler seine Geschäftsaussichten als schlecht. Etwas mehr als die Hälfte geht wenigstens von einem gleichbleibenden Verlauf aus. Bessere Geschäfte erwartet dagegen kein einziges der befragten Großhandelsunternehmen.
Dienstleistungen
Die Dienstleister stehen zwar immer noch mit sichtlichem Abstand an der Spitze des Konjunkturzuges, auch sie mussten im Herbst aber weiter Federn lassen. So fallen die Rückmeldungen der Branche zur geschäftlichen Lage aktuell auch deutlich schwächer aus als noch im Sommer. Momentan bewerten 28 Prozent der Dienstleister ihre Geschäftslage als gut. 48 Prozent sehen sie als befriedigend an, 24 Prozent hadern hingegen mit ihrer Situation. Obwohl die positiven Rückmeldungen die negativen Lagebeurteilungen immer noch leicht überwiegen, ist festzuhalten, dass schwächere Relationen bisher nur im Zuge der Coronakrise aufgetreten waren. Zurückhaltung prägt daher auch das Feedback der Dienstleister im Hinblick auf ihre Umsätze, Erträge und Auftragseingänge. Immerhin haben sich die Geschäftsaussichten nicht weiter eingetrübt. Ähnlich wie bei der Vorumfrage überwiegt aber auch im Herbst die Skepsis. Fast 30 Prozent der Dienstleistungsbetriebe rechnen mit einer geschäftlichen Eintrübung. Gleichbleibende Geschäfte erwartet gut die Hälfte und nur 18 Prozent glauben an eine geschäftliche Aufhellung. Damit ist der Pessimismus unter den Dienstleistern zumindest weniger stark ausgeprägt als in den übrigen betrachteten Wirtschaftszweigen. Und so bleibt auch die Investitionsneigung der Branche halbwegs stabil. Vorsichtiger sind die Dienstleister hingegen bei ihren Beschäftigungsplanungen geworden. Verglichen mit den anderen Branchen fallen die Investitions- und Beschäftigungspläne der Dienstleister aber immer noch annehmbar aus.
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Je mehr Unternehmen sich an der IHK-Konjunkturumfrage beteiligen, desto repräsentativer und verlässlicher sind deren Ergebnisse. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert maximal fünf Minuten - bei vier Befragungen im Jahr. Machen Sie mit und stärken Sie die Aussagekraft unserer regionalen Konjunkturberichterstattung. Melden Sie sich hier an.
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