IHK-Konjunkturumfrage 2. Quartal 2024

Regionale Konjunktur weiterhin kraftlos

Auch das sommerliche Umfeld hat die meist trübe Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg nicht aufhellen können. Stattdessen bleibt die konjunkturelle Lage in der Region weiter angespannt. Dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das zweite Quartal 2024. Demnach erreicht der IHK-Konjunkturklimaindikator aktuell lediglich einen Stand von 83 Punkten – zwei Punkte weniger als der bereits sehr mäßige Wert des Vorquartals. Dass die regionale Wirtschaft auf vergleichsweise niedrigem Niveau stagniert, ergibt sich zum einen aus den nach wie vor schwachen Beurteilungen der geschäftlichen Lage und zum anderen aus den unverändert pessimistischen Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen.
Derzeit bezeichnet nur jeder fünfte Betrieb seine Geschäftslage als gut. Die Hälfte sieht die Situation immerhin als befriedigend an, jedoch beurteilen 30 Prozent der Unternehmen ihre Lage als schlecht. Aus den guten und schlechten Lagebewertungen ergibt sich ein Saldo von -10 (Vorquartal: -8). Derartig schwach war dieser Wert zuletzt vor fast vier Jahren inmitten der Pandemie ausgefallen. Durchgreifende Besserung scheint kaum in Sicht. So fallen die geschäftlichen Prognosen für die kommenden Monate weiterhin pessimistisch aus. Nicht einmal ein Zehntel der Befragten erwartet in nächster Zeit eine geschäftliche Aufhellung. 58 Prozent gehen von einem unveränderten Geschäftsverlauf aus. Ein Drittel befürchtet hingegen eine geschäftliche Eintrübung. Der Saldo aus günstigen und ungünstigen Geschäftserwartungen beträgt folglich -24 (Vorquartal: -22) und kennzeichnet die nun schon seit längerer Zeit anhaltende Verunsicherung der regionalen Wirtschaft.
Von der insgesamt sehr schwachen Dynamik des Konjunkturgeschehens können sich auch einzelne Wirtschaftsbereiche nicht absetzen. So liegen die sektoralen Konjunkturklimaindikatoren aller betrachteten Branchen deutlich unter dem neutralen Wert von 100. Tristesse herrscht weiterhin im Einzelhandel mit einem sektoralen Indikatorstand von 68. Kaum besser ist die Stimmung im Großhandel mit einem branchenbezogenen Indikatorwert von 69. In der Industrie wird lediglich der bescheidene Wert von 86 erreicht. Und auch unter den Dienstleistern ist die Laune bei einem sektoralen Indikatorstand von 94 nur durchwachsen.
Welche Sorgen die regionale Wirtschaft derzeit umtreiben, verrät ein Blick auf die größten Risiken, die die Unternehmen für ihre künftige Geschäftsentwicklung sehen. Etwa jedem zweiten Betrieb bereitet der Fach- und Arbeitskräftemangel erhebliche Kopfzerbrechen. Etwas mehr als die Hälfte befürchtet, dass die Entwicklung der Arbeitskosten die künftige Geschäftsentwicklung belasten wird. Auch die immer noch hohen Energie- und Rohstoffpreise stellen für 55 Prozent der Unternehmen ein beträchtliches Problem dar. 59 Prozent der Befragten sorgen sich um die Inlandsnachfrage. An allererster Stelle der Risiken werden aber die herrschenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. Fast drei Viertel der befragten Betriebe sehen darin ein erhebliches Risiko für ihre künftige Geschäftsentwicklung – ein Rekordwert.
An diesen Punkt knüpft Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, an und sagt: „Die regionale Wirtschaft tritt auf der Stelle. Impulse sind derzeit kaum auszumachen. Investitionen werden zurückgestellt, der inländische Konsum bleibt schwach und auch auf der Exportseite zeigt sich immer mehr die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. In unserer Umfrage kritisieren die heimischen Unternehmen vehement die überbordenden bürokratischen Lasten und zeigen wenig Vertrauen in die unstete Wirtschaftspolitik. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Es ist höchste Zeit, die Weichen wieder in Richtung Wachstum zu stellen. Hierzu kann die kürzliche Verständigung der Ampel-Koalitionsspitzen auf ein Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft ein erster Schritt sein. Entscheidend ist nun, dass die damit verbundenen Gesetze zügig formuliert und verabschiedet werden, um in den Betrieben dann auch tatsächlich Wirkung zu entfalten.“
„Für mehr Investitionsfreude brauchen unsere Unternehmen Verlässlichkeit, Freiräume und spürbare Entlastung. Nur so kommen wir international wieder auf Augenhöhe“, bekräftigt IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert und fügt an: „Ganz oben auf der Agenda muss jetzt neben der schnellen Umsetzung von gesetzlichen Impulsen für Wirtschaftswachstum der wirklich radikale Abbau von Bürokratie stehen. Die Ankündigung, dass Gesetze und Regelungen nun Praxis-Checks unterzogen werden sollen, muss konsequent umgesetzt werden. Wir setzen dabei auf eine echte Bürokratiebremse auf der Grundlage einer ‚One‑in‑two‑out‑Formel‘. Denn dann müssten mit jeder neuen Vorgabe zwei bestehende Bürokratielasten entfallen. Diese Formel würde also nicht nur als Kompensationsmechanismus wirken, sondern zu realer Entlastung für die Wirtschaft führen.“

Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg

Auch wenn sinkende Inflationsraten und teilweise rückläufige Energiepreise der regionalen Wirtschaft zuletzt etwas Erleichterung verschafft haben, bleiben die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Unternehmen heikel. Die Kosten für Energie und Vorprodukte sind immer noch hoch und auch die Kosten für den Faktor Arbeit steigen spürbar an. Hinzu kommen die gewachsene Zinsbelastung und der allgegenwärtige Fach- und Arbeitskräftemangel. Auf der Nachfrageseite herrscht dagegen weiter Zurückhaltung. Dies gilt zum einen für den Konsum, der bisher noch nicht nachhaltig von der robusten Arbeitsmarktlage und den jüngsten Reallohnsteigerungen profitieren konnte. Zum anderen bleibt auch die Nachfrage nach Investitionsgütern begrenzt – und zwar sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Hinsichtlich des Auslandsgeschäfts ist festzustellen, dass die anziehende Weltkonjunktur nicht bei der regionalen Exportwirtschaft ankommt. Die Exporte werden dabei keineswegs nur durch geopolitische Unsicherheiten und Handelshemmnisse ausgebremst – auch hausgemachte Ursachen wie die hohe Bürokratie- und Kostenbelastung sorgen dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen in zunehmendem Maße leidet.
Auch im Inlandsgeschäft stellen Investitionsgüter derzeit keine Verkaufsschlager dar, zumal die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auch im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg sehr durchwachsen bleibt. Im Vergleich zum Vorquartal ist sie sogar wieder merklich zurückgegangen. Derzeit geht nicht einmal jeder vierte Betrieb von einer Ausweitung seiner inländischen Investitionen aus. 46 Prozent rechnen zumindest mit einem gleichbleibenden Volumen. 30 Prozent planen jedoch, ihre Investitionsbudgets am Heimatstandort einzukürzen. Dabei ist der Investitionsbedarf grundsätzlich ausgesprochen hoch, denn ohne umfassende Investitionen werden die Herausforderungen der Digitalisierung oder der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz kaum zu bewältigen sein. In diesem Zusammenhang stimmt es bedenklich, dass nicht wenige Unternehmen erwägen, ihre Investitionen nun vermehrt auf ausländische Standorte zu lenken.

Industrie

Die regionale Industriekonjunktur ist im Sommer nach wie vor durch eine unterdurchschnittliche aber immerhin stabile Auftrags- und Umsatzentwicklung gekennzeichnet. Derzeit berichten noch 27 Prozent der produzierenden Unternehmen aus der Region von einem schlechten Geschäftsverlauf; im Frühjahr hatten 38 Prozent über eine schlechte Lage geklagt. Fast unverändert zum Vorquartal haben nur 17 Prozent der Industriebetriebe eine gute Geschäftslage vorzuweisen. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen liegt daher bei -10. Für mehr als die Hälfte der Unternehmen hat sich die Geschäftslage in der Zwischenzeit nicht verändert. Gestiegene Arbeits- sowie Energie- und Rohstoffkosten, die letztlich zu einer Verteuerung der Produktpalette führen, wirken sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im internationalen Vergleich bei gleichzeitiger Nachfrageschwäche im Inland aus. Auch die Exporterwartungen werden eher mit Skepsis als mit Zuversicht betrachtet. Mit geschäftlichen Einbußen rechnen daher in den kommenden zwölf Monaten 27 Prozent der Produktionsunternehmen. Lediglich 9 Prozent der Industriebetriebe hoffen auf bessere Geschäfte im weiteren Jahresverlauf. Eine wesentliche Stimmungsaufhellung ist in der regionalen Industrieb also weiterhin nicht erkennbar.

Einzelhandel

Die Einzelhandelsunternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg leiden unter der anhaltenden Kaufzurückhaltung in der Bevölkerung. Im Sommer haben sich die geschäftlichen Lagebeurteilungen der Händler im Vergleich zum Vorquartal insgesamt wieder verschlechtert. Vier von zehn Befragten haben schlecht laufende Geschäfte zu verzeichnen und in etwa gleich viele Einzelhändler (44 Prozent) bezeichnen ihre Lage als unverändert. Demgegenüber hat sich der Anteil der Händler, die von gut laufenden Geschäften berichten, auf 15 Prozent erhöht (Vorquartal: 8 Prozent). Aus einer differenzierten Analyse ist ersichtlich, dass vor allem Onlinehändler steigende Umsätze erzielen konnten, während der Umsatz im stationären Handel stagnierte. Angesichts der fortwährenden Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der nach wie vor schlechten Konsumneigung, sind die Zukunftsaussichten der Einzelhändler von Zurückhaltung geprägt: 44 Prozent der befragten Unternehmen erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine ungünstigere Geschäftsentwicklung, mit besseren Geschäften rechnen lediglich 6 Prozent der Händler. Immerhin die Hälfte der Einzelhändler geht von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Die zukünftigen Investitions- und Beschäftigungsabsichten folgen den von Unsicherheit geprägten Prognosen.

Großhandel

Der Konjunkturklimaindikator für den Großhandel ist auf das Niveau vom Jahresende 2023 gesunken, was auf die erneut schwächeren Rückmeldungen der Branche zu ihrer aktuellen Geschäftslage zurückzuführen ist. 45 Prozent der befragten Großhändler berichten von schlecht laufenden Geschäften, während nur noch 2 Prozent der Befragten dieser Branche eine gute Geschäftssituation verzeichnen können. Immerhin 53 Prozent der Grossisten bezeichnen ihre Lage als befriedigend. Wie sich zeigt, haben sich die Erträge und Umsätze im Großhandel zuletzt verringert. Trotz dieser Entwicklung blicken die Grossisten weniger pessimistisch auf die zukünftige Geschäftsentwicklung als noch in den Vorquartalen. Nur noch 36 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage; im Frühjahr hatten noch fast die Hälfte aller Großhändler ihre geschäftlichen Aussichten als schlecht vorausgesagt. Insgesamt 44 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus und sogar jedes fünfte Unternehmen vermeldet mittlerweile positive Geschäftsprognosen. Die weniger pessimistischen Erwartungen spiegeln sich allerdings nicht in den Investitions- und Beschäftigungsplanungen des Großhandels wider.

Dienstleistungen

Trotzdem der sektorale Konjunkturklimaindikator um einige wenige Punkte zulegen konnte, tritt die Dienstleistungswirtschaft auf der Stelle. Die Unternehmensmeldungen zur aktuellen Geschäftslage fallen zwar etwas positiver aus, dennoch bleiben die Dienstleister in ihren Einschätzungen zur künftigen Geschäftsentwicklung zurückhaltend. So berichtet aktuell jedes dritte Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche von einer guten Geschäftslage und 44 Prozent von zumindest befriedigenden Geschäften. Der Anteil der Dienstleister mit einer aktuell schlechten Geschäftssituation verharrt wie im Vorquartal bei 22 Prozent. Wie sich hier zeigt, fehlen vielen Dienstleistungsunternehmen nach wie vor Aufträge von heimischen Industriekunden. Auch in der Beurteilung ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung sehen die Dienstleister keine Trendumkehr: So rechnen wie im Frühjahr 31 Prozent der befragten Dienstleistungsbetriebe mit einer ungünstigen Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten, wohingegen nur 9 Prozent besser laufende Geschäfte erwarten. Keine Änderungen zum Positiven zeichnen sich in diesem Rahmen bei den Beschäftigungsplanungen der Dienstleister ab. Zudem sinkt die Investitionsbereitschaft der Branche.
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