IHK-Konjunkturumfrage für das erste Quartal 2023

Regionale Konjunktur: Pessimismus schwindet, Belastungen bleiben

Nach dem letztjährigen Absturz im Zuge des Ukraine-Krieges und den dadurch ausgelösten Preissteigerungen für Energie und Rohstoffe hat sich die Stimmung der regionalen Wirtschaft zum Frühjahr hin weiter stabilisiert. Die auf allen Ebenen stark gestiegenen Kosten – nicht nur für Energie und Rohstoffe, sondern auch für Vorprodukte, Dienstleistungen, Transporte oder Personal – stellen die Unternehmen jedoch unverändert vor große Herausforderungen. Die Sorge vor anhaltenden Preisspiralen ist deutlich spürbar und drückt auf die geschäftlichen Perspektiven. Da die schlimmsten Befürchtungen – etwa ein winterlicher Energienotstand – ausgeblieben sind, blicken die Betriebe aber nicht mehr ganz so pessimistisch voraus. Dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das erste Quartal 2023.
Demnach stieg der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die derzeitige geschäftliche Lage der Unternehmen als auch ihre Geschäftserwartungen abbildet, zum Frühjahr um sieben Punkte an und erreichte einen Wert von 98. Damit konnte er seine im Vorquartal begonnene Erholung fortsetzen. Der Indikator liegt nun wieder auf dem ­Niveau seines fünfjährigen Durchschnitts, der allerdings stark durch Coronakrise und Ukraine-Krieg geprägt ist. Fast alle befragten Wirtschaftszweige konnten zum registrierten Indikatoranstieg beitragen. Ganz vorn positioniert sich einmal mehr die Dienstleistungswirtschaft mit einem sektoralen Konjunkturklimaindikator von 113, acht Punkte mehr als im Vorquartal. Es folgt die Industrie mit einem Indikatorstand von 99, einem Plus von sechs Punkten. Der Großhandel kommt auf einen sektoralen Konjunkturklimaindikator von 87 und muss als einziger Wirtschaftszweig einen geringfügigen Verlust von 3 Indikatorpunkten verkraften. Der Einzelhandel konnte zwar nochmals 18 Punkte gutmachen, bildet mit einem Indikatorstand von 82 aber weiterhin das Schlusslicht.
Der frühjährliche Anstieg des Konjunkturklimaindikators ergibt sich aus konstanten Lagebeurteilungen sowie verbesserten Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen. Ähnlich wie im Vorquartal zeigt sich die überwiegende Mehrheit der Betriebe mit ihrem derzeitigen Geschäftsverlauf durchaus zufrieden. So bezeichnen 27 Prozent ihre Geschäftslage als gut und 59 Prozent sehen sie immerhin als befriedigend an. Lediglich 14 Prozent beurteilen ihre momentane Situation als schlecht. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen beträgt unverändert +13, reicht damit aber nach wie vor nicht an das Level vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine heran. In die Höhe getrieben wird der Konjunkturklimaindikator durch die Rückmeldungen der Unternehmen zu ihren geschäftlichen Aussichten. Trotz der eingetretenen Verbesserung sind die Erwartungen der Unternehmen an die künftige Geschäftsentwicklung aber weiter von Skepsis geprägt. Aktuell rechnen immer noch 31 Prozent der befragten Unternehmen mit geschäftlichen Einbußen. Jedoch ist der Anteil der Betriebe, die meinen, ihr Geschäftsniveau halten zu können, mittlerweile auf mehr als die Hälfte angewachsen. Und an eine Aufhellung ihrer Geschäftstätigkeit glauben inzwischen wieder 16 Prozent der Unternehmen. Die negativen Vorhersagen überwiegen damit immer noch deutlich, allerdings fällt der Blick nach vorn nicht mehr so umfassend pessimistisch aus wie vor einem halben Jahr.
„Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, dass in Sachen Krisenbewältigung noch längst keine Entwarnung angesagt ist“, sagt der stellvertretende IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Wilkens. „Die Belastungen für unsere Wirtschaft bleiben enorm. An vorderster Stelle sind hier die Energiepreise zu nennen, die fast drei Viertel der von uns befragten Unternehmen als ein erhebliches Risiko für ihre Geschäftsentwicklung ansehen. Hier muss weiter Entlastung geschaffen werden, zumal ausländische Wettbewerber keine derartige Preisentwicklung zu schultern haben. Als ersten wichtigen Schritt schlagen wir deshalb vor, jetzt die Stromsteuer zu senken. Deutschland muss ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort bleiben.“
Auch Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, stellt das Thema Energie in den Mittelpunkt seiner Analyse: „Insgesamt müssen wir ein Jahr nach Beginn der schwersten Energiekrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die notwendigen Lehren ziehen und auf dieser Basis die Zukunft der Energieversorgung unter neuen Rahmenbedingungen gestalten. Der Wandel des Energiemixes von fossilen zu erneuerbaren Energien in Deutschland in den kommenden sieben Jahren ist eine Herkulesaufgabe. Gerade auch unter Berücksichtigung der insgesamt bestehenden Herausforderungen drohen erhebliche negative Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft, wenn nicht zügig politische Weichenstellungen vorgenommen werden. Nur so kann im Jahr 2030 eine bezahlbare, sichere und klimafreundliche Energieversorgung für die deutsche Wirtschaft gewährleistet werden. Entsprechende Forderungen hat die IHK-Organisation in Form eines Positionspapiers unterbreitet.“

Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg

Trotz der im Vergleich zum Vorquartal konstanten Geschäftslage und der mittlerweile nicht mehr ganz so düster erscheinenden Geschäftsaussichten verbleiben der regionalen Wirtschaft zahlreiche Sorgenpakete, die ihre betriebswirtschaftlichen Planungen belasten. Im Zusammenhang mit den hohen Preisen für Energie, Rohstoffe, Vorprodukte und Dienstleistungen drücken vor allem die derzeit noch ungeklärten Fragen im Hinblick auf eine künftige sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung sowie die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten auf die Stimmung. Szenarien wie die mögliche Eskalation des Ukraine-Krieges oder eine Verschärfung des China-Taiwan-Konflikts lassen eine weitere Polarisierung der Weltmächte mit voraussehbaren Auswirkungen auf den globalen Handel befürchten. Hinzu treten Probleme wie der allgegenwärtige Personal- und Fachkräftemangel, der hohe Arbeitskosten zur Folge hat, die Inflation, die eine anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher mit sich bringt, die nach wie vor überbordenden Bürokratielasten oder die steigenden Zinsen.
All dies führt dazu, dass die Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft auch im Frühjahr verhalten bleibt. Aktuell gehen 31 Prozent der Unternehmen von einer Ausweitung ihrer Investitionsbudgets aus, immerhin 39 Prozent wollen bestehende Pläne unverändert umsetzen. 30 Prozent der Betriebe planen dagegen, ihre Investitionen zusammenzustreichen. Auch wenn sich aus den jeweiligen Anteilen immer noch ein geringer Positivsaldo errechnet, so ist festzuhalten, dass sich die im Winter einsetzende Erholung des Investitionsklimas nicht fortgesetzt hat. Zudem fällt auf, dass die Mehrzahl der Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf dienen. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Kapazitätserweiterung und Produktinnovation stehen dahinter zurück. Auch im Hinblick auf ihre Beschäftigungsplanungen neigen die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg derzeit zu vorsichtigem Abwarten.

Industrie

Dass der sektorale Konjunkturklimaindikator für die Industrie einige Punkte gutmachen konnte, gründet sich allein auf die verbesserten Geschäftsprognosen der Produzenten. Diese hatten im Zuge des Ukraine-Kriegs und der daraus folgenden Energiekrise einen tiefen Einbruch erlitten. Doch auch im Frühjahr lässt der Blick auf die Geschäfte in den kommenden Monaten durchaus noch eine gehörige Portion Skepsis erkennen. Lediglich 13 Prozent der Industriebetriebe rechnen mit besseren Geschäften. Fast zwei Drittel erwarten immerhin eine gleichbleibende Entwicklung, geschäftliche Einbußen fürchten jedoch 23 Prozent. Ihre aktuelle Geschäftslage bewerten die regionalen Industriekapitäne merklich günstiger, verglichen mit dem Vorquartal allerdings auch wieder etwas schwächer. Momentan berichten 22 Prozent der Hersteller von guten Geschäften, knapp zwei Drittel empfinden sie zumindest als befriedigend. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagen nur 13 Prozent. In der Industrie haben sich die Lieferkettenprobleme zuletzt etwas entspannt, so dass die recht komfortablen Auftragspolster nun besser abgearbeitet werden können. Allerdings sprudeln die Auftragseingänge nicht mehr so kräftig wie zuvor. Insbesondere die Orders aus dem Ausland zeigen derzeit eine geringe Dynamik. Und so bleiben auch die Erwartungen auf künftige Exporterfolge nur verhalten. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass auch die Investitions- und Beschäftigungspläne der regionalen Industrie aktuell eher zurückhaltend ausfallen.

Einzelhandel

Der neuerliche Anstieg des Konjunkturklimaindikators für den Einzelhandel ist vor dem Hintergrund eines ausgesprochen niedrigen Ausgangsniveaus zu betrachten. Auch wenn die Einzelhändler insbesondere hinsichtlich ihrer Geschäftserwartungen nochmals einen Schritt nach vorn machen konnten, bleibt die Stimmung der Branche auch im Frühjahr gedrückt. Die anhaltend hohen Teuerungsraten und vor allem die drastisch gestiegenen Energiekosten schmälern weiterhin das verfügbare Einkommen für den Konsum. Die Kaufzurückhaltung der Verbraucher trifft dabei nicht nur den stationären Handel, sondern auch den Onlinehandel. Die geschäftliche Lage der Einzelhändler hat sich ­daher im Vergleich zum Vorquartal auch nur geringfügig verbessert. Derzeit bezeichnen 15 Prozent der Einzelhändler ihre geschäftliche Situation als gut, 61 Prozent empfinden sie wenigstens noch als befriedigend. Fast jeder vierte Händler berichtet hingegen von schlecht laufenden Geschäften. Da die erwähnten schwierigen Rahmenbedingungen für die Branche auf absehbare Zeit fortbestehen, zeigt sich der Ausblick der Händler auf die Geschäfte im weiteren Jahresverlauf zwar verbessert, mehrheitlich aber nach wie vor wenig optimistisch. So gehen immer noch 42 Prozent der Handelsunternehmen von einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage aus, mit besseren Geschäften rechnen dagegen nur 16 Prozent. Entsprechend zurückhaltend fallen auch die Investitions- und Personalplanungen des regionalen Einzelhandels aus.

Großhandel

Der regionale Großhandel konnte im Frühjahr nicht vom Anstieg des allgemeinen Konjunkturklimas profitieren. Und so fallen die Meldungen der Großhändler zu ihrer Geschäftslage auch schwächer aus als im Vorquartal. Trotz per Saldo rückläufiger Umsätze und Erträge überwiegen aber nach wie vor die positiven Lagebeurteilungen. Aktuell berichtet fast ein Drittel der Betriebe von gut laufenden Geschäften. 46 Prozent bewerten ihre geschäftliche Situation immerhin als befriedigend, hingegen klagen 22 Prozent der Grossisten über schlechte Geschäfte. Da die Lieferschwierigkeiten der Hersteller mittlerweile nachgelassen haben, konnte der Großhandel seine eigene Lieferfähigkeit zuletzt wieder erhöhen. Hierzu hat auch eine verstärkte Lagerhaltung ihren Beitrag geleistet. Der Ausblick des Großhandels auf die Geschäfte im weiteren Jahresverlauf fällt zwar etwas weniger pessimistisch aus als zuletzt, bleibt aber zurückhaltend. Die Skepsis zieht sich dabei unverändert durch weite Teile der Branche. So sorgt sich der produktionsbezogene Großhandel um das Wohlergehen seiner Industriekunden, den konsumnahen Großhandel bedrückt hingegen die anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Insgesamt erwarten so nur 19 Prozent der Großhandelsunternehmen für die kommenden Monate bessere Geschäfte. Während 31 Prozent von einem gleichbleibenden Verlauf ausgehen, beurteilt die Hälfte der Grossisten ihre Geschäftsaussichten als schlecht. Hiermit korrespondierend verbleiben auch die Investitionspläne der Großhändler per Saldo im Negativbereich.

Dienstleistungen

Im Dienstleistungssektor hat sich das Konjunkturklima im ersten Quartal weiter aufgehellt. Unter allen betrachteten Wirtschaftszweigen nehmen die Dienstleister damit erneut die Spitzenposition ein und nähern sich dem Level, das vor Ausbruch des Ukraine-Krieges herrschte, zumindest langsam wieder an. Ursächlich hierfür sind sowohl verbesserte Lagebeurteilungen als auch günstigere Geschäftsaussichten. Derzeit bewerten 36 Prozent aller Dienstleister ihre Geschäftslage als gut, etwas mehr als die Hälfte sieht sie als befriedigend an. Nur 12 Prozent der Betriebe sind mit ihrer Situation unzufrieden. Einzelne Dienstleistungszweige wie die Gastronomie oder die Tourismus-, Freizeit- und Veranstaltungswirtschaft können nach schweren Zeiten in der Coronakrise immer noch Aufholeffekte verzeichnen. Allerdings werden diese durch den allgegenwärtigen Personalmangel, steigende Arbeitskosten, die schwindende Kaufkraft der Endkunden und die stark erhöhten Energiekosten eingebremst. Im Schlepptau der günstigeren Lagebeurteilungen haben sich auch die Geschäftserwartungen der Dienstleister weiter erholt. An eine geschäftliche Aufhellung in den kommenden Monaten glaubt nun wieder jeder vierte Dienstleistungsbetrieb und mehr als jeder zweite geht von gleichbleibenden Geschäften aus. Mit einer Eintrübung rechnen dagegen nur 22 Prozent. Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine überwiegen damit – wenn auch nur geringfügig – die optimistischen Geschäftsprognosen.
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