Umsatzverlust durch Baustellen: Anliegerrechte und Maßnahmen zur Belastungsminderung
Baumaßnahmen versprechen zwar mittelfristig eine Verbesserung der Qualität öffentlicher Infrastrukturen und eine Attraktivitätssteigerung von Gebäudeensembles, Plätzen oder Straßenräumen, stellen allerdings Gewerbetreibende während ihrer Durchführung vor zahlreiche Herausforderungen. Anlieger von Baumaßnahmen sind häufig mit Belastungen durch Schmutz und Lärm konfrontiert. Ebenfalls führen Verkehrsumleitungen und der Wegfall nahegelegener Parkmöglichkeiten zu erheblichen Behinderungen, die mit negativen Auswirkungen verbunden sein können. Neben dem Umfang der Belastungen spielt vor allem die Dauer der Beeinträchtigungen für die Gewerbetreibenden bei der Aufrechterhaltung ihres Betriebs eine Rolle. Wenn Kunden infolge von Baumaßnahmen längere Zeit fernbleiben, entstehen Umsatzverluste, die im schlimmsten Fall die Geschäftsaufgabe zur Folge haben können.
Der Lagevorteil eines Unternehmens ist grundgesetzlich nicht geschützt
Verschiedene Gerichtsurteile bestätigen in diesem Zusammenhang, dass Anlieger während Bauphasen verschiedene Einschränkungen hinnehmen müssen. Grundsätzlich ist ein Gewerbebetrieb und sein wirtschaftlicher Wert geschützt nach Artikel 14 des Grundgesetzes. Dieser (Eigentums-)Schutz umfasst allerdings nicht den Lagevorteil eines Unternehmens an einer Straße mit günstiger Verkehrsanbindung oder hohen Passanten-Frequenzen, auch wenn dies ursprünglich für die Standortwahl ausschlaggebend war. Verschlechtert sich im Zeitverlauf die Erreichbarkeit von Gewerbeimmobilien, so können keine Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Dies betrifft zum Beispiel das Fortbleiben der Kundschaft von Tankstellen nach dem Bau einer Ortsumgehungsstraße. oder wenn die Erreichbarkeit nur über Umwege möglich ist. Die Rechtsprechung geht hier vielmehr davon aus, dass Betriebe für den Fall der Fälle ausreichend Rücklagen gebildet haben, um wirtschaftliche Risiken abfedern zu können. Entschädigungsansprüche entstehen erst, wenn die Beeinträchtigungen durch Baumaßnahmen rechtswidrig oder unverhältnismäßig sind oder aufgrund ihrer Intensität, Art und Dauer sehr einschneidend sind.
Beeinträchtigungen müssen bis zur „Opfergrenze“ hingenommen werden
Entstehen durch Bauarbeiten Beschädigungen am Betriebsgrundstück, etwa durch Mauerrisse, Erdrutsche oder Überschwemmungen, können Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund Eigentumsverletzung geltend gemacht werden. Sollen Ansprüche auf Entschädigungszahlungen mit der Erreichbarkeit und Nutzung der Gewerbeimmobilie begründet werden, so ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Eine Entschädigungspflicht besteht, wenn der Betrieb durch Baumaßnahmen endgültig vom öffentlichen Wegenetz abgeschnitten oder der Zugang wesentlich erschwert ist. In welchem Fall eine solch „wesentliche“ Beeinträchtigung vorliegt, ist nicht einheitlich zu beantworten. Gleichzeitig ist es nämlich von entscheidender Bedeutung, ob die Besonderheiten der örtlichen Lage für die konkret ausgeübte gewerbliche Grundstücksnutzung beziehungsweise Betriebsart unverzichtbar sind. Während beispielsweise ein großes Logistikunternehmen eine ausreichend breite Zufahrt für Lkw-Verkehr zum Betriebsgelände benötigt, muss ein Gastronomie- oder Einzelhandelsunternehmen nur zu Fuß erreichbar sein können. Hier spielt es auch keine Rolle, ob sonst verfügbare Parkplätze vor der Tür von Mitarbeitern oder Kunden zeitweise nicht mehr genutzt werden können. Der jeweilige Betrieb muss solche Beeinträchtigungen bis zu einer gewissen sogenannten „Opfergrenze“ hinnehmen. Umsatzverluste müssen in diesen Fällen für einige Wochen und Monate entschädigungslos hingenommen werden, sofern der Betrieb durch die beeinträchtigenden Baumaßnahmen nicht in seiner Existenz gefährdet wird. Allerdings gibt es auch hier keine allgemein verbindlichen Festsetzungen über hinzunehmende Bauzeiten oder die Größenordnungen noch vertretbarer Ertragsrückgänge. Bei ein und derselben Baumaßnahme kann es deshalb sogar vorkommen, dass nicht alle Anlieger in gleichem Maße Entschädigungsansprüche einfordern können.
Behörden haben den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten
Im Zuge von Einschränkungen und Beeinträchtigungen der Betriebe durch öffentliche Straßenbaumaßnahmen ist von den zuständigen Behörden der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dementsprechend müssen Straßenbaumaßnahmen sorgfältig geplant und durchgeführt werden, sodass gewerbliche Anlieger nicht unnötig beeinträchtigt werden. Überflüssige Verzögerungen bei Baumaßnahmen sind zu vermeiden. Wird aber eine Straßenbaumaßnahme aus nicht erkennbaren Gründen unnötig verzögert und dauern die negativen Auswirkungen länger an als ursprünglich angegeben, können Entschädigungsansprüche entstehen. Zu beachten ist hier allerdings, dass die Darlegungs- und Beweislast über die Unverhältnismäßigkeit der Beeinträchtigungen durch Straßenbaumaßnahmen dem Betroffenen obliegt.
Belastungsminderung durch aktives Baustellenmanagement und Baustellenmarketing
Entschädigungszahlen erfolgen im Endergebnis nur selten. Daher ist es gerade empfehlenswert, die negativen Auswirkungen von Baumaßnahmen durch ein aktives Baustellenmanagement und Baustellenmarketing abzumildern. Die Aufgaben eines Baustellenmanagements umfasst die regelmäßige Information aller Anlieger über den Baufortschritt und über kurzfristig stärkere Beeinträchtigungen (zum Beispiel beim Abtransport von Abrissmaterial). Mit ihm wird das Ziel verfolgt, die bestmögliche Abwicklung eines Bauprojektes zu gewährleisten und die negativen Auswirkungen für die Gewerbetreibenden zu minimieren. Zu befürworten ist die Implementierung eines einheitlichen Ansprechpartners, der den Betroffenen kurzfristig in Problemfragen zur Verfügung steht. Das Baustellenmarketing umfasst die Organisation verkaufsfördernder Maßnahmen, wie etwa der Durchführung zusätzlicher Eventveranstaltungen oder der Organisation einer attraktiv gestalteten Verhüllung von Bauzäunen und -gerüsten. Auf einzelbetrieblicher Ebene gehören die Realisierung spezieller Rabattaktionen oder auch die Anpassung von Warenbestellungen und des Personaleinsatzes infolge geänderter Passanten-Frequenzen zum Spektrum eines aktiven Baustellenmarketings.
Die zwölf Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg haben zusammen mit der CIMA Beratung und Management GmbH einen Leitfaden „Best-Practice Baustellenmarketing“ herausgegeben, in dem über ausführlich dargestellte Fallbeispiele verschiedene Ideen und Ansätze des Baustellenmarketings vorgestellt werden. Der Leitfaden „Best-Practice Baustellenmarketing“ steht als Download zur Verfügung.
Außerdem hat die IHK Gießen-Friedberg einen ausführlichen Praxisratgeber „Baustellenmarketing – Umsatz trotz Baustelle“ herausgegeben, der Betroffenen anhand zahlreicher Fallbeispiele, Anregungen und Checklisten Hilfestellung bietet, um rechtzeitig auf Baumaßnahmen zu reagieren und negative Auswirkungen zu vermeiden. Das Inhaltsverzeichnis des ausführlichen Ratgebers steht als Download zur Verfügung. Das Praxishandbuch „Baustellenmarketing – Umsatz trotz Baustelle“ ist im Buchhandel erhältlich (ISBN: 978-3-9818354-0-3).