Der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft
Der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft
Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft steht im Mittelpunkt der umweltpolitischen Dimension des Green Deals und gilt als elementarer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mit dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft werden insgesamt 35 legislative und nicht-legislative Initiativen angekündigt, die bis 2023 umgesetzt werden sollen.
Mit diesen Initiativen zielt die EU-Kommission vor allem auf die verbindliche Verankerung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen in der Produktpolitik und die Stärkung der Position von Verbrauchern. Dazu will die Kommission durch neue Vorgaben die Langlebigkeit, Reparierbarkeit sowie Wiederverwendbarkeit beziehungsweise Wiederverwertbarkeit zahlreicher Produkte steigern. Auch die Substitution bestimmter Chemikalien etwa in Textilien, Möbeln, Stahl, Zement oder Elektronikgeräten wird erwogen.
Zur Stärkung der Verbraucherposition sollen Unternehmen künftig dazu verpflichtet werden, ihre Angaben zum ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte/Dienstleistungen anhand standardisierter Quantifizierungsmethoden zu belegen. Ziel ist es, die entsprechenden Angaben in der gesamten EU zuverlässig, vergleichbar und überprüfbar zu machen und so „Greenwashing“ (d. h. die Vermittlung eines falschen Eindrucks der Umweltauswirkungen eines Unternehmens) zu verringern. Dies soll privaten wie gewerblichen Abnehmern helfen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, und das Vertrauen der Verbraucher in Umweltzeichen und umweltrelevante Informationen stärken.
Grundsätzlich adressiert die EU-Kommission mit dem Aktionsplan alle physischen Waren, die in der EU in den Verkehr gebracht werden. Besonderes Augenmerk liegt allerdings auf Produktwertschöpfungsketten, bei denen sie ein hohes Kreislaufpotenzial sieht:
- Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnik
- Batterien und Fahrzeuge
- Verpackungen
- Kunststoffe
- Textilien
- Bauwesen und Gebäude
- Lebensmitteln.
Der Aktionsplan selbst entfaltet noch keine legislative Wirkung, sondern wird nach und nach durch Gesetzesvorschläge, Richtlinien und Verordnungen, konkretisiert. Das umfangreichste “Paket” wurde bisher am 30. März 2022 im Rahmen der Initiative für nachhaltige Produkte vorgestellt.
Initiative für nachhaltige Produkte
Am 30. März 2022 hat die EU-Kommission ein Paket von Vorschlägen vorgelegt, “um nachhaltige Produkte in der EU zur Norm zu machen.” Dazu sollen zukünftig fast alle physischen Waren unter die Ökodesign-Regelungen fallen, von denen bisher nur energieverbrauchsrelevante Produkte erfasst werden. Allerdings gibt die Ökodesign-Verordnung nur den allgemeinen Rahmen vor. Die genauen Anforderungen für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen sind noch in spezifischen Rechtsverordnungen festzulegen. Diese sollen zunächst für Produktkategorien mit besonderem Verbesserungspotential – laut EU-Kommission z. B. Textilien, Möbel, Matratzen, Reifen, Detergenzien, Farben und Schmierstoffe – erstellt werden.
Die Anforderungen können sich z. B. auf die Lebensdauer, Wiederverwertbarkeit, Reparierbarkeit und Rezyklierbarkeit beziehen, aber auch auf die energie- und ressourceneffiziente Gestaltung eines Produkts. Alle wesentlichen Informationen zu Inhaltsstoffen, Reparierbarkeit, Recycling und Entsorgung sollen künftig in einem digitalen Produktpass ausgewiesen werden.
Neue Informationenpflichten sollen auch in der Richtlinie über Verbraucherrechte verankert werden. Händler sollen verpflichtet werden, Verbraucherinnen und Verbrauchern Informationen über die Lebensdauer und die Reparierbarkeit zur Verfügung zu stellen. Aussagen über Umwelteigenschaften oder die Kennzeichnung mit freiwilligen Nachhaltigkeitssiegeln sollen stärker reglementiert werden.
All dies soll selbstverständlich auch für Textilien gelten. Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien schlägt außerdem vor, die EU-Vorschriften zur erweiterten Herstellerverantwortung zu harmonisieren, den Transport von Textilabfällen ins Ausland zu beschränken und Maßnahmen zur Verhinderung und Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik vorzusehen.
EU-Bauprodukteverordnung
Die Bauprodukteverordnung regelt die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten innerhalb der EU . Als Bauprodukte im Sinne der Verordnung gelten Stoffe, Teile und Anlagen, die dauerhaft in Gebäuden eingebaut sind. Der Verordnungsvorschlag vom 30. März 2022 sieht diverse nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen an Bauprodukte sowie neue Informationspflichten für Produzenten vor. Auch soll mit dem Vorschlag laut EU- Kommission die Entwicklung harmonisierter Normen gefördert werden.
EU-Batterieverordnung
Am 10. Dezember 2020 hat die EU–Kommission einen Vorschlag für eine neue EU–Batterieverordnung vorgelegt. Im Fokus des Entwurfs stehen Nachhaltigkeitsanforderungen über den gesamte Lebenszyklus und das Recycling. So schlägt die Kommission verbindliche Vorgaben etwa für den Material – und Rezyklateinsatz, die Haltbarkeit, die Sammlung oder das Recycling von Batterien in der EU vor. Der Einsatz neuer IT-Technologien, insbesondere des Batteriepasses und des vernetzten Datenraums, sollen für einen sicheren Datenaustausch, die größere Transparenz des Batteriemarkts und die Rückverfolgbarkeit großer Batterien während ihres gesamten Lebenszyklus sorgen.
Ausstehende Gesetzesinitiativen
Eine Reduzierung der Verpackungsabfälle soll durch Änderungen der Verpackungsrichtlinie erreicht werden. Dazu will die Kommission die Anforderungen an Verpackungen und Verpackungsabfälle in der EU überprüfen und insbesondere folgende Aspekte bewerten:
- Verbesserung des Verpackungsdesigns zur Förderung der Wiederverwendung und des Recyclings,
- Erhöhung des Anteils recycelter Materialien in Verpackungen,
- Vermeidung übermäßiger Verpackungen,
- Verringerung des Verpackungsabfalls.
Im Rahmen des Aktionsplans weiterentwickelt werden die Initiativen aus der EU-Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2018. Neben der Steigerung des Einsatzes von recycelten Kunststoffen und Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt ist die Schaffung eines Rechtsrahmens für biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe angekündigt.
Im Bereich Lebensmittel sollen sowohl deren Verschwendung als auch die Verwendung von Einweglebensmittelverpackungen, -geschirr und -besteck bei Verpflegungsdienstleistungen adressiert werden.
Welche Rolle spielt die Abfallvermeidung?
Das jährliche Abfallaufkommen aus allen Wirtschaftstätigkeiten in der EU beläuft sich auf 2,5 Mrd. t bzw. 5 t pro Kopf und Jahr. Jeder Einwohner erzeugt im Schnitt eine halbe Tonne Siedlungsabfälle (Deutschland lag 2019 mit gut 600 kg über dem EU-Durchschnitt). Ziel der Kommission ist es, das Gesamtabfallaufkommen erheblich zu verringern und die Menge der (nicht recycelten) Restsiedlungsabfälle bis 2030 zu halbieren. Die Einführung der nachhaltigen Produktpolitik und ihre Umsetzung in spezifische Rechtsvorschriften sollen dazu entscheidend beitragen. Darüber hinaus soll das Abfallrecht der EU ausgebaut, weiter gestärkt und besser umgesetzt werden. Geplant ist (2022) eine Überarbeitung der Abfallrichtlinie. Aufgenommen werden sollen Zielvorgaben für die Abfallreduzierung bei bestimmten Abfallströmen. Die Kommission will das System der erweiterten Herstellerverantwortung und die Systeme der Getrenntsammlung von Abfällen verbessern, Anreize schaffen und den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren im Bereich des Abfallrecyclings fördern.
Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?
Mit der Ausgestaltung des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft sind umfangreiche ordnungsrechtliche Vorgaben zu erwarten, die sowohl geänderte Anforderungen an die Produktgestaltung als auch neue Informationspflichten mit sich bringen. In Verbindung mit erweiterten Regulierungen im Bereich von Luftqualität, Boden- und Gewässerschutz und möglichen weiteren Beschränkungen des Einsatzes von Stoffen aus dem Chemikalienrecht können sie zu einem erheblichem Anpassungsbedarf bei der Gestaltung und Herstellung von Produkten führen. Mit strengeren Anforderungen müssen auch Betreiber von Anlagen, die unter die Industrieemissionsrichtlinie fallen, rechnen. Die EU-Kommission hat auch hier einen Überarbeitungsvorschlag vorgelegt, um die Kreislaufwirtschaft und das Null-Schadstoff-Ziel zu fördern.
Auf der anderen Seite eröffnen der Ausbau von Sekundärrohstoffmärkten und auf der Kreislaufwirtschaft basierende innovative Geschäftsmodelle, wie z. B. “Up-Cycling” oder “Product as a Service” neue Geschäftschancen.
Unternehmen sollten sich deshalb frühzeitig informieren, welche Anforderungen in den kommenden Jahren auf sie zukommen. Nur so können sie rechtzeitig auf Herausforderungen reagieren und neue Geschäftschancen identifizieren.
Stand: 09.12.2022