Ausblick - Was in den nächsten Monaten zu erwarten ist
Aller aktuellen Krisen zum trotz treibt die EU-Kommission den Green Deal weiter voran. Mit ihrem Arbeitsprogramm 2023 hat sie weitere legislative und nicht-legislative Initiativen angekündigt. Auch aus 2022 sind noch einige angekündigte Vorschläge offen.
Energie
War die Energiepolitik aus Klimaschutzgründen schon immer ein Schwerpunkt des Green Deal, kommt nun noch die Krise an den Energiemärkten dazu. Mit dem REPowerEU-Plan vom Mai 2022 zielt die EU auf eine Senkung des Energieverbrauchs, die Beschleunigung der Energiewende und eine stärkere Diversifizierung der europäischen Energieversorgung. Zur Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis will die EU-Kommission im 1. Quartal 2023 eine umfassende Reform des Strommarkts vorschlagen. Außerdem will sie ihre Anstrengungen für den Hochlauf des europäischen Wasserstoffmarktes intensivieren. Dazu soll eine Europäische Wasserstoffbank gegründet werden, die mit einem Budget von 3 Mrd. Euro ausgestattet werden soll (3. Quartal).
Kreislaufwirtschaft
Im März 2022 hat die EU-Kommission ihr erstes großes Legislativpaket zur Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Das ebenfalls für 2022 angekündigte “Kunststoff-Paket” steht noch aus. Es soll Regelungen zur Beschaffung, Kennzeichnung und Verwendung biobasierter, biologisch abbaubarer und kompostierbarer Kunststoffe sowie zur Beschränkung und Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt enthalten.
2023 liegt der Fokus auf der Abfallreduzierung. Dazu ist für das 2. Quartal eine Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie vorgesehen. Reduziert werden sollen v. a. Lebensmittel- und Textilabfälle. Auf Textilhersteller könnten neue Pflichten hinsichtlich der Entsorgung zukommen.
Chemikalienrecht
Die für 2022 angekündigten Initiativen im Chemikalienrecht, wie insbesondere die Überarbeitung der CLP-Verordnung, sind bisher ausgeblieben. Nun hat sich die EU-Kommission für das 4. Quartal 2023 die Revision der REACH-Verordnung vorgenommen. Damit sollen nachhaltige Chemikalien gefördert und der Regulierungsprozess vereinfacht und gestrafft werden.
Ökologisierung des Verkehrs
Auch die Dekarbonisierung des Verkehrssektors will die EU-Kommission weiter vorantreiben. Ein Ziel ist es, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dazu soll im 2. Quartal ein Rechtsrahmen zum besseren Management der Schienenkapazitäten und Abbau von Hindernissen im grenzüberschreitenden Schienenverkehr vorgeschlagen werden. Zur stärkeren Einbindung des Schienengüterverkehrs in multimodale Logistikketten soll die Richtlinie über den kombinierten Verkehr überarbeitet werden. Im Bereich der Kraftfahrzeuge will die EU-Kommission im 3. Quartal eine Initiative zur Ökologisierung von Unternehmensflotten starten.
Außerdem stehen 2023 diverse technische Regelungen auf dem Prüfstand. Dies gilt zum einen für die Richtlinie für Gewichte und Abmessungen für schwere Nutzfahrzeuge, zum anderen für das Paket zur Verkehrssicherheit (Richtlinien zur technischen Überwachung von Kfz, Unterwegskontrollen und Zulassungsdokumenten).
Bodenschutz
Nachdem die EU-Kommission im Juni 2022 mit der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur bereits Vorschläge zur Renaturierung von Meeren, Flüssen und Wäldern sowie Ökosystemen in der Stadt gemacht hat, steht für das 2. Quartal 2023 der Schutz und die Wiederherstellung gesunder Böden auf der Agenda. Das geplante Bodengesundheitsgesetz könnte neue Überwachungs- und Informationspflichten mit sich bringen, wie z. B. ein “Bodengesundheitszertifikat”, oder auch Beschränkungen des Nettoflächenverbrauchs.
Nachhaltige Lebensmittelsysteme
Während die meisten Maßnahmen der “Vom Hof auf den Tisch”-Strategie die Landwirtschaft adressieren, soll der für das 3. Quartal angekündigte Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme alle Stufen der Lebensmittelerzeugung einschließen, also auch die Verarbeitung, Transport und Lagerung sowie den Handel. Zu erwarten sind insbesondere neue Kennzeichnungs- und Informationspflichten.
Anhängige Vorschläge
Das Arbeitsprogramm 2023 listet unter dem Green Deal inzwischen 35 vorrangig anhängige Vorschläge auf, d. h. Gesetzesinitiativen der EU-Kommission aus den Vorjahren, die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befinden. Dazu gehört auch das “Fit-for-55”-Paket, das Kernstück des Green Deal. Bis auf wenige Ausnahmen befinden sich inzwischen alle Rechtsakte des Pakets im sogenannten Trilog, also in der Verhandlungsphase zwischen EU-Parlament und EU-Rat. Dabei liegen die Positionen teilweise noch weit auseinander. Dennoch hofft die EU-Kommission, dass bis zum Jahresende eine Einigung erzielt werden kann.