Unternehmenserhalt und Sanierung in der Insolvenz

Bis zuletzt spiegelte sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) die wirtschaftliche Not der Unternehmen hierzulande nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider. Ein Grund: Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis zum 31. Dezember 2020. Aufgrund der Bearbeitungszeit der Gerichte seien die Auswirkungen der Krise daher erst später zu erwarten. Welcher Weg dann der beste ist? Es kommt darauf an.
Ein Insolvenzverfahren soll in erster Linie den Gläubigern dienen, aber nicht einzelnen, sondern allen. Wenn zu wenig Vermögen vorhanden ist, um alle Gläubiger zu bezahlen, sollen die Gläubiger lieber weniger, aber gleich viel erhalten, anstatt dass einzelne alles bekommen und andere leer ausgehen.
Damit die Forderungen der Gläubiger bezahlt werden können, ist das Vermögen des Schuldners bestmöglich zu verwerten. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass das Unternehmen zerschlagen werden muss. In vielen Fällen wird vielmehr der Unternehmenserhalt die höchsten Quoten für die Gläubiger bringen. Hier gibt es folgende drei Möglichkeiten:

1. Sanierende Übertragung auf eine Auffanggesellschaft mittels Asset-Deal

Hierbei werden Vermögensgegenstände als Einheit an einen Erwerber übertragen. Dabei wird das Unternehmen vom Insolvenzschuldner getrennt und geht auf den Erwerber über, wo der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird. Im Gegenzug fließt der Kaufpreis in die Insolvenzmasse und dient zur Gläubigerbefriedigung. Die Schulden verbleiben beim Insolvenzschuldner. Eine Haftung des Käufers nach § 25 HGB ist beim Kauf aus der Insolvenzmasse regelmäßig ausgeschlossen genau wie eine Haftung für Steuerschulden nach § 75 AO. Regelmäßig kommt es aber zu einem Betriebsübergang nach § 613a BGB, so dass die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen.

2. Sanierung des Unternehmensträgers mittels Insolvenzplan

Ziel des Insolvenzplans ist in der Regel der Erhalt des Unternehmens und des Unternehmensträgers. Der Insolvenzplan ist ein Vergleich mit allen Gläubigern, der häufig einen Forderungsverzicht, also einen Schuldenerlass beinhaltet. Voraussetzung ist, dass die Gläubiger durch den Plan bessergestellt werden, was zum Beispiel durch Zahlungen aus späteren Erträgen über einen bestimmten Zeitraum erfolgen kann. Vorteilhaft ist, dass nicht alle Gläubiger zustimmen müssen, sondern nur eine Mehrheit. Außerdem bindet der Insolvenzplan auch passive Gläubiger, die nicht reagieren.

3. Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO

Wird das Unternehmen von einer natürlichen Person geführt, muss der Insolvenzverwalter die Entscheidung treffen, ob er den Betrieb mit dem Schuldner fortführt oder ob er die selbständige Tätigkeit des Schuldners aus der Masse freigibt. Die Freigabe wird in der Regel dann erfolgen, wenn ein Überschuss nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann. Die Freigabe bewirkt, dass sich der Geschäftsbetrieb nicht mehr in der Insolvenzmasse befindet. Für den freigegebenen Geschäftsbetrieb erhält der Schuldner eine neue Steuernummer. Als Ausgleich muss der Schuldner monatlich Beträge in die Insolvenzmasse zahlen, die sich nicht am wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit orientieren, sondern an den pfändbaren Beträgen eines fiktiven Gehalts, welches der Schuldner beziehen würde, wenn er als Arbeitnehmer tätig wäre. Der Schuldner kann dann nach drei Jahren Restschuldbefreiung erhalten.

Vorteile der Sanierung im Insolvenzverfahren

Das Insolvenzverfahren bietet damit besondere Sanierungsinstrumente, die es außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht gibt.
Es besteht die Möglichkeit, sich vorzeitig von nachteiligen Verträgen zu trennen. Hierzu gehören Verträge mit Kunden, Lieferanten, Miete und Pacht. Die Forderung des Vertragspartners wegen der Nichterfüllung ist eine einfache Insolvenzforderung.
Ferner lässt sich der Personalabbau einfacher und kostengünstiger gestalten. So beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber maximal 3 Monate und das Sozialplanvolumen ist gedeckelt.
Darüber hinaus kann das Unternehmen im Rahmen der Betriebsfortführung während des Antragsverfahrens über die sogenannte Insolvenzgeldvorfinanzierung weitgehend von Personalkosten entlastet werden, was gerade bei lohnintensiven Unternehmen zu einer erheblichen Liquiditätsentlastung für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten führen kann.

Eigenverwaltung und Schutzschirm

Eine weitere besondere Art der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren ist die Eigenverwaltung. Hier schlüpft der Schuldner selbst in die Rolle des Insolvenzverwalters und hat die Insolvenzmasse unter der Aufsicht eines sogenannten Sachwalters selbst zu verwalten. Sinn der Eigenverwaltung ist, das vorhandene unternehmerische Know-how zur Sanierung zu nutzen. Voraussetzung ist das Einverständnis der Gläubiger und des Gerichts. Weil der Schuldner die insolvenzrechtlichen Regeln einzuhalten hat, diese aber in der Regel nicht kennt, wird er durch einen Sanierungsexperten beraten oder dieser wird sogar in die Geschäftsführung berufen. Mit der Eigenverwaltung wird zumeist eine Sanierung durch Insolvenzplan angestrebt.
Das Schutzschirmverfahren ist ein Spezialfall der Eigenverwaltung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung durch Insolvenzplan in Kombination mit Eigenverwaltung.
Autor: Rechtsanwalt Christian Hausherr

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Stand: 28.01.2021