Mitarbeiterentsendungen innerhalb der EU

Grundsatz: Arbeitnehmerfreizügigkeit

Grundsätzlich steht es jedem frei, innerhalb der Europäischen Union zu arbeiten. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört zu den Grundfreiheiten innerhalb des europäischen Binnenmarktes und sie hat außerdem auch Grundrechtsstatus nach der Europäischen Grundrechtecharta. Sie gewährleistet das Recht, sich innerhalb der Europäischen Union auf offene Stellen zu bewerben, eine Tätigkeit auszuüben und sich frei innerhalb der Mitgliedsstaaten bewegen zu dürfen. Jegliche Diskriminierung ist verboten. Ausnahmen gibt es bei Berufen, die eine besondere berufliche Zulassung erfordern, wie z.B. bei Rechtsanwälten oder Ärzten.

Definition

Eine Entsendung liegt vor, wenn sich ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers ins Ausland begibt, um dort seine Beschäftigung für einen begrenzten Zeitraum auszuüben. Dabei kann es sein, dass ein bereits angestellter Arbeitnehmer entsendet wird, oder dass ein Arbeitnehmer für die Entsendung eingestellt wird, der bisher nicht am Einsatzort wohnt.
In der Praxis stellen sich zwei Alternativen dar:
  • Ein deutsches Unternehmen entsendet einen Mitarbeiter selbst ins europäische Ausland, oder
  • ein deutsches Unternehmen empfängt einen aus dem Ausland entsendeten Arbeitnehmer.
Findet die Entsendung für einen Zeitraum von über 12 Monaten (oder über 18 Monaten, wenn der Arbeitgeber eine mit Begründung versehene Mitteilung an die nationalen Behörden des Aufnahmelandes übermittelt) statt, gelten alle einschlägigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmelandes, mit Ausnahme der Bedingungen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen und der Regelungen für betriebliche Zusatzrenten.

Arbeitsvertragliche Grundlagen

  • Der Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland erfordert eine arbeitsvertragliche Regelung. Nur im Rahmen seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht entsenden.
  • Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser beteiligt werden.
  • Detailregelungen zu Dauer, Höhe des Arbeitsentgelts und Währung der Bezahlung, Sach- und Geldleistungen in Bezug auf Reisen und temporärem Hausstand im Ausland sowie die Modalitäten eines etwaigen vorzeitigen Rückrufs sind zu regeln.
  • Auf die Einhaltung sonstiger Standards des Ziellandes in Bezug auf Mindestlohn, Urlaubsgewährung, Feiertagen und Zuschlägen (z.B. Feiertagszuschläge) ist zu achten.
Bei der Entsendung gelten für den Arbeitnehmer die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Gastlandes, sofern er dadurch nicht schlechter gestellt wird als in seinem Heimatland. Dazu zählen beispielsweise:
  • Alle wesentlichen Bestandteile der Vergütung nach Maßgabe der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder allgemein verbindlicher Tarifverträge
  • Zulagen oder die Erstattung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten im Aufnahmeland während der Entsendung (wenn der Arbeitnehmer während der Entsendung reisen muss)
  • Höchstarbeitszeiten
  • Mindestruhezeiten
  • Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
  • Bedingungen für die Einstellung von Zeitarbeitskräften insbesondere über Leiharbeitsfirmen
  • Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren, Wöchnerinnen und Jugendlichen (unter 18 Jahren)
  • Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie weitere Regeln zum Schutz vor Diskriminierung
  • Unterkunft, falls von Ihrem Arbeitgeber gestellt
Weitere Informationen hierzu finden sich in der EU-Entsenderichtlinie 96/71/EG. Diese wurde in jedem Mitgliedstaat der EU in nationales Recht umgesetzt. In Deutschland ist dies das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Es bezieht sich hauptsächlich auf nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer. Bei Entsendungen in andere EU-Mitgliedstaaten sind die dort geltenden nationalen Bestimmungen zu beachten.

Die „A1 Bescheinigung“

Das Formular für die Entsendung innerhalb der EU:
  • Sie ist vom Arbeitgeber bei der jeweiligen gesetzlichen Krankenversicherung des Arbeitnehmers RECHTZEITIG zu beantragen.
  • Bei nicht umfänglich gesetzlich versicherten Arbeitnehmern ist die Rentenversicherung oder auch die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen zuständig.
  • Die Beantragung erfolgt elektronisch
  • Auch kurze Dienstreisen, sogar das Tanken des geschäftlichen Fahrzeugs im Ausland erfordern das Mitführen der Bescheinigung. Die sich daraus ergebende Antragsflut kann zu längeren Vorlaufzeiten bei der Ausstellung führen.
  • weitere Informationen zur A1 Bescheinigung sowie zur elektronischen Beantragung finden Sie auf den Seiten der Deutschen Rentenversicherung.

Achtung: ggf. sind weitere Formalien im Ausland zu beachten, deren Verletzung erhebliche Folgen haben kann:
  • Bisher ist die Durchführung der Entsendung nicht einheitlich in Europa geregelt. Entsendet ein Unternehmen einen Mitarbeiter mit A1-Bescheinigung, entbindet das nicht davon, sich über Meldepflichten im Zielland zu informieren.
  • So besteht u.U. die Pflicht zur Benennung von Ansprechpartnern vor Ort für die Behörden. Dies gilt z.B. in Italien, wo die Benennung eines „referente“ notwendig wird.
  • Informationen für die Europäischen Länder sind zusammengefasst unter:

Sozialversicherung

Grundsätzlich verbleibt der Arbeitnehmer in der deutschen Sozialversicherung, wenn sein Einsatz von Anfang an begrenzt war und 24 Monate im Ausland nicht überschreitet. Beiträge im Zielland fallen dann nicht an. Ist der Arbeitnehmer nicht gesetzlich versichert, kann der Arbeitgeber ihn für diese Zeit auf Antrag freiwillig in der gesetzlichen Versicherung versichern. Darüber hinaus bestehen individuelle Sozialversicherungsabkommen. Es ist daher stets ratsam, rechtzeitig vor der Entsendung mit der Krankenkasse eine Klärung für die individuellen Umstände des Arbeitnehmers in Bezug auf das konkrete Zielland vorzunehmen. 

Steuerliche Folgen

Wohnt der Arbeitnehmer während der Entsendung weiterhin in Deutschland (arbeitet er z.B. regelmäßig nur ein bis zwei Wochentage im Ausland), bleibt er hier unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig. Hat er seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, ist die Besteuerung vom Grundsatz her im Tätigkeitsstaat vorzunehmen. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat die Bundesrepublik Deutschland mit einer Vielzahl von Staaten – darunter sämtliche Mitgliedsstaaten der EU – Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) geschlossen, in denen die Details geregelt sind.

183-Tage-Regelung

Nach der sog. 183-Tage-Regelung findet die Besteuerung weiterhin in Deutschland statt, wenn
  • sich der entsendete Arbeitnehmer nicht länger als 183 Tage im Zielland aufhält, und
  • seine Vergütung weiterhin von seinem deutschen Arbeitgeber gezahlt wird.
Wird die Aufenthaltsdauer von 183 Tagen überschritten, steht dem Staat, in dem der Arbeitsnehmer tätig ist, für die hierauf entfallenden Lohneinkünfte das Besteuerungsrecht zu. Vorsicht ist bei der Errechnung der 183 Tage geboten: Denn diese hängt vom jeweils mit dem Land abgeschlossenen DBA ab.
Weitere Informationen zu steuerrechtlichen Bestimmungen bei der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland finden Sie auf den Seiten der Handelskammer Hamburg.
Wenn im Ausland angestellte Arbeitskräfte nach Deutschland entsendet werden, gelten die deutschen Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Dies sind:
  • Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze (Aufzeichnungspflichten!),
  • bezahlter Mindestjahresurlaub,
  • Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten,
  • die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen,
  • die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz,
  • der Schwerbehinderten-, Mutter-, Kinder- und Jugendschutz, und
  • die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen

Welche Folgen haben Verstöße?

Die Verletzung von Meldepflichten und die Nichteinhaltung von Schutzgesetzen können empfindliche Ordnungs- und Bußgelder nach sich ziehen. Aber auch für zivilrechtliche Ansprüche ist der Arbeitgeber im Haftungsrisiko. Dies gilt selbst dann, wenn er nicht selbst Arbeitgeber ist, z.B. wenn der Mindestlohn vom ausländischen Arbeitgeber an einen bei ihm tätigen Arbeitnehmer nicht gezahlt wird.

Quellen: Zoll.de, Europäische Union, Deutsche Rentenversicherung
Stand: 04.04.2024