Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – eine Übersicht

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (oder kurz Lieferkettengesetz) trat am 1. Januar 2023 in Kraft und gilt zunächst für Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3000 Beschäftigten. Ab dem 1. Januar 2024 gilt es auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Einzurechnen sind dabei ins Ausland entsandte Beschäftigte sowie Leiharbeiter, die mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind.
Die IHK Braunschweig bietet in Zusammenarbeit mit weiteren niedersächsischen IHKs ein Online-Seminar „Erste Erfahrungen mit dem LkSG“ an:

            07.05.2024, 16:00 – 17:30 Uhr

Weitere Informationen zum Programm und die Möglichkeit der Anmeldung finden Sie hier.
Die IHK Lüneburg-Wolfsburg bietet in Zusammenarbeit mit weiteren niedersächsischen IHKs ein Online-Seminar zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten an.

          27.05.2024, 15:00 bis 16:30 Uhr

Weitere Informationen zum Programm und die Möglichkeit der Anmeldung finden Sie hier.

1.Überblick

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet Unternehmen in ihren Lieferketten menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Die zu erfüllenden Pflichten sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbareren Zulieferer handelt.
Zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören:
  • Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen
  • Sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
  • Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Nachfolgend finden Sie die Sorgfaltspflichten der Unternehmen im Detail erläutert.

2. Was müssen betroffene Unternehmen veranlassen?

Was wird im Einzelnen unter einem „angemessenen und wirksamen“ Risikomanagement verstanden und was sind die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Implementierung?

2.1 Zuständigkeiten

Zunächst ist durch das Unternehmen eine Menschenrechtsbeauftragte oder ein Menschenrechtsbeauftragter zu benennen. Zum Aufgabenkreis der beauftragten Person gehören:
  • die Koordination und Kontrolle der eingeführten Maßnahmen zur Vorbeugung oder Beendigung von Pflichtverletzungen sowie
  • die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen und das vorgeschriebene Reporting direkt an die Geschäftsleitung.
Die beauftragte Person sollte der Geschäftsführung direkt unterstellt sein und mit entsprechenden Handlungskompetenzen ausgestattet werden.

2.2 Risikoanalyse

Für die Risikoanalyse werden menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern ermittelt. Mitunter können auch verbundene Unternehmen, also auch Tochtergesellschaften, von der Analysepflicht betroffen sein. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Grad der Abhängigkeit zum Mutterunternehmen. Mittelbare Zulieferer sind nur bei konkreten Anhaltspunkten zu überprüfen. Im nächsten Schritt werden ermittelte Risiken gewichtet und priorisiert; Ergebnisse werden an die Unternehmensleitung kommuniziert.

Die Durchführung der Risikoanalyse erfolgt einmal im Jahr sowie zusätzlich bei Schaffung neuer Risikolagen (Aufnahme von neuen Projekten, Produkten oder Geschäftsfeldern).

2.3 Grundsatzerklärung

In der Grundsatzerklärung, welche durch die Unternehmensleitung abzugeben und zu veröffentlichen ist, wird die sog. Menschenrechtsstrategie beschrieben. Zum Mindestinhalt gehört
  • eine Darstellung der Prozesse, mit welchen das Unternehmen seinen Pflichten nachkommt, welche prioritären menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken bestehen sowie
  • welche Erwartung das Unternehmen an seine Beschäftigten und Zulieferer richtet.

2.4 Präventionsmaßnahmen

Wurden Risiken bei der Analyse entdeckt, gilt es angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Diese umfassen sowohl den eigenen Geschäftsbereich, als auch die unmittelbaren Zulieferer. Auch die Präventionsmaßnahmen sind jährlich bzw. anlassbezogen auf die Geeignetheit zu überprüfen.

Im eigenen Geschäftsbereich hat das Unternehmen die in der Grundsatzerklärung verankerte Menschenrechtsstrategie umzusetzen. Dabei sind geeignete Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken zu entwickeln, Mitarbeitende zu schulen sowie risikobasierte Kontrollmaßnahmen einzuführen.

Bei unmittelbaren Zulieferern sind die in der Menschenrechtsstrategie dargelegten Auswahlkriterien einzuhalten. Ferner ist eine vertragliche Zusicherung des Zulieferers einzuholen, dass dieser die Erwartungen des Unternehmens selbst einhält und auch innerhalb seiner Lieferkette angemessen adressiert. Auch hier sind Schulungen und Kontrollmaßnahmen durchzuführen.

2.5 Abhilfemaßnahmen

Bei Eintritt oder unmittelbarem Bevorstehen einer Verletzung von Pflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind unverzüglich geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Dadurch muss die Verletzung verhindert oder beendet bzw. das Ausmaß der Verletzung reduziert werden.

Dabei wird im eigenen Geschäftsbereich zwischen dem In- und Ausland unterschieden.
Verletzungen im Inland müssen zwingend beendet werden; im Ausland muss die Abhilfemaßnahme lediglich in der Regel zur Beendigung führen. Wie genau „die Regel“ definiert wird, ist noch unklar.

Bei einer Verletzung durch einen unmittelbaren Zulieferer gilt es ein Konzept auszuarbeiten, wie der Verletzung entgegengewirkt werden kann. Dabei kommen Mittel wie der Zusammenschluss zu Brancheninitiativen, das Aussetzen oder sogar der Abbruch von Geschäftsbeziehungen in Betracht.

2.6 Beschwerdeverfahren

Zusätzlich sind betroffene Unternehmen dazu verpflichtet, ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten, dass die Möglichkeit schaffen soll, Verletzungen der den Unternehmen obliegenden Verpflichtungen zu melden. Unter bestimmten Voraussetzungen soll auch die Teilnahme an einem externen Beschwerdeverfahren möglich sein. Dazu gehört neben der Einhaltung von Formvorschriften auch eine Unabhängigkeit der mit dem Verfahren betrauten Personen.

2.7 Berichts- und Dokumentationspflicht

Insbesondere die per Gesetz vorgegebene Dokumentations- und Berichtspflicht stellt die Unternehmen vor neue administrative Herausforderungen. Denn spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres muss auf der Homepage des Unternehmens ein Bericht des Risikomanagements für einen Zeitraum von sieben Jahren öffentlich zugänglich gemacht werden. Zudem muss dieser Bericht bei der Aufsichtsbehörde BAFA elektronisch eingereicht werden.
Weitere Informationen zur Berichtspflicht hat die BAFA hier zusammengestellt. Den vom BAFA zur Verfügung gestellten Fragebogen zur Berichtspflicht können Sie auch als PDF herunterladen.

3. Wie sind kleinere Lieferanten betroffen, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen?

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Pflichten aus dem Lieferkettengesetz selbst nicht einfach an die Zulieferer weitergegeben werden können. Das betrifft insbesondere die Berichtspflichten gegenüber der Behörde und der Öffentlichkeit, die für indirekt betroffene Unternehmen entfällt. Auch sind die Kontrollmaßnahmen und Sanktionen der zuständigen Behörden nicht an den Zulieferer, der sich außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereiches befindet, delegierbar.
Sofern Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches des LkSG jedoch Zulieferer von Unternehmen sind, die selbst unter das Gesetz fallen, dann können sie durch ihre Vertragsbeziehung zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten angehalten werden. Im Gesetz ist hier eine vertragliche Zusicherung der Einhaltung der Beachtung der menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten entlang der eigenen Lieferkette des unmittelbaren Lieferanten vorgesehen. In diesem Fall ist mit erhöhten Transparenzanforderungen gegenüber dem Abnehmer zu rechnen (z. Bsp. durch Fragebögen, Betriebsbesichtigungen, Audits durch den Abnehmer, Verpflichtung zur Durchführung von Schulungen im eigenen Haus etc.). Hier gilt es genau die individualrechtliche Vereinbarung mit den einzelnen Abnehmern zu prüfen bzgl. individuell vereinbarten Vertragsstrafen, Sonderkündigungsrechten, Schadenersatzklauseln, Freistellungsklauseln etc.
Auch sind dann, die eigenen Lieferketten zu analysieren und Abhilfe- oder Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um die Vertragsbeziehung langfristig nicht zu gefährden. In den vergangenen Monaten wurden insbesondere hierfür Tools geschaffen, die speziell kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei Fragen rund um die Prüfung der bestehenden Lieferkette beziehungsweise einer geplanten Neuausrichtung unterstützen sollen. Hervorzuheben ist hier der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE). Die Initiative der Bundesregierung bietet interessierten Unternehmen unter anderem eine individuelle, vertrauliche und kostenfreie Beratung durch seine Experten zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt in den Unternehmensprozessen an. Darüber hinaus stellt der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Unternehmen, die menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in ihr Kerngeschäft integrieren möchten, zwei kostenlose Tools zur Verfügung:
  • KMU Kompass:
    Das kostenlose Info-Portal für KMU navigiert Sie Schritt für Schritt durch die fünf Säulen der Sorgfalt. Mit Hilfe des kostenfreien Online-Tools können kleine und mittlere Unternehmen Risiken erkennen und managen. Er unterstützt dabei, Geschäftsprozesse und Lieferkette genau(er) unter die Lupe zu nehmen. Das Tool enthält neben einem Leitfaden auch einen Siegel-Kompass.
  • CSR Risiko-Check:
    Das kostenlose Online-Tool unterstützt Unternehmen bei der Einschätzung der lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette.

4. Betroffene Rechtsgüter

Das Lieferkettengesetz enthält einen abschließenden Katalog von elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen. Aus den dort geschützten Rechtsgütern werden Verhaltensvorgaben beziehungsweise Verbote für unternehmerisches Handeln abgeleitet, um eine Verletzung geschützter Rechtspositionen zu verhindern.
Dazu zählen insbesondere:
  • Verbot von Kinderarbeit,
  • der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit,
  • die Freiheit von Diskriminierung,
  • der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug,
  • der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren,
  • das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns,
  • das Recht, Gewerkschaften beziehungsweise Arbeitnehmerinnen- und Arbeiternehmervertretungen zu bilden,
  • das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung oder Gewässerverunreinigung und
  • der Schutz vor Folter.
Kommen Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nach, können Bußgelder verhängt werden. Diese können bis zu 8 Millionen Euro oder 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Außerdem ist es bei einem verhängten Bußgeld ab einer bestimmten Mindesthöhe möglich, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden.

5. EU-weite Regelungen

Am 23.02.2022 legte die Kommission einen Richtlinienentwurf zur Regelung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette („EU-Lieferkettengesetz“) vor. Die Kerninhalte des Entwurfs haben wir auf dieser Seite für Sie zusammengestellt.

6. Internationale Regelungen

Am 22.07.2022 hat die EU zusammen mit den USA und 15 anderen globalen Partnern eine Gemeinsame Erklärung unterzeichnet, um an globalen Lieferkettenproblemen zu arbeiten. Auch Deutschland hat die Erklärung unterzeichnet.
In der Erklärung wurden vier globale Prinzipien hervorgehoben, die die Arbeit an globalen Lieferkettenproblemen leiten sollen:
  • Transparenz und Informationsaustausch zwischen den Partnern verbessern, um Engpässe in der Lieferkette besser vorhersehen zu können,
  • Globale Kapazitäten für Materialien und Vorprodukte diversifizieren und ausbauen,
  • Schwachstellen beheben und Sicherheitsrisiken in Lieferketten besser bewältigen,
  • Faire und nachhaltige Praktiken entlang der Lieferketten fördern.
Neben der EU und den USA haben auch 15 weitere Länder die gemeinsame Erklärung unterzeichnet: Australien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Indien, Italien, Japan, die Demokratische Republik Kongo, die Republik Korea, Mexiko, die Niederlande, Singapur, Spanien und das Vereinigte Königreich.
Zur Erklärung gelangen Sie hier.

Weitere Informationen:

Quellen:


Stand 24.04.2024