“Das größte Potenzial liegt bei Frauen in Teilzeit”

Christopher Meier ist seit April 2024 neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bochum. Der 46-Jährige hat eine klare Meinung dazu, wie Betriebe sich aufstellen können, um ihren Fachkräftebedarf zu decken.
Das Gespräch führte Sven Frohwein
Was empfehlen Sie gerade kleinen und mittleren Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels?
Besonders kleinere Unternehmen müssen sich einfach sichtbar machen – und da kann schon eine Internetseite entscheidend sein. Vor allem muss auf der Website stehen, dass man gerade auf der Suche nach Fachkräften oder Auszubildenden ist. Statt das Geld weiterhin in Zeitungsanzeigen zu stecken, müssen die Betriebe mehr auf zielgruppengerechte Werbung in Social Media setzen. Suchen sie Auszubildende, lässt man die eigenen Azubis ein Video machen und von der Arbeit im Unternehmen berichten. Wenn es von der Peer-Group kommt, ist es einfach authentischer.
Das Zauberwort heißt Relocation.
Und welche Benefits ziehen heute?
Früher konnte man Mitarbeiter mit einem Dienstwagen locken, heute haben viele junge Menschen, gerade in den Städten, gar keinen Führerschein mehr. Da braucht es eine Alternative. Das kann z.B. das Dienstfahrrad sein, das man auch privat nutzen kann. Das kann aber auch ein Tablet sein, das man privat nutzen darf. Und bei Familien kann es ein Rundum-Sorglos-Paket sein. Die Werkswohnung, die den Umzug erleichtert, der Kitaplatz, um den sich der Betrieb oder ein Dienstleister im Auftrag des Unternehmens kümmert. Damit die neuen Beschäftigten ohne Umschweife in den Betrieb einsteigen können und sich weniger um die Organisation des Drumherums kümmern müssen. Das Zauberwort heißt Relocation.
Der Schlüssel dazu ist eine bessere Kinderbetreuung.
Wo sehen Sie das größte Potenzial im Kampf gegen den Fachkräftemangel?
Das größte Potenzial liegt tatsächlich bei Frauen in Teilzeit. Wenn es den Unternehmen gelingt, dieses Potenzial zu heben, wäre unser Fachkräftemangel gleich viel kleiner. Und der Schlüssel dazu ist eine bessere Kinderbetreuung. Unternehmen, die sich dabei besonders engagieren, können bei potenziellen Mitarbeitern mit Kindern punkten. Im besten Fall hat das Unternehmen einen eigenen Betriebskindergarten, in dem jeder neue Mitarbeiter mit Kindern einen Betreuungsplatz sicher hat. Und was spricht dagegen, sich mit anderen Unternehmen zusammenzutun, um gemeinsam eine Kita aus dem Boden zu stampfen und eine entsprechende Betriebsgesellschaft auf den Weg zu bringen? Wenn die Kinderbetreuung nah am Unternehmen ist, können Arbeitnehmerinnen in Teilzeit mehr Stunden im Unternehmen arbeiten, als wenn die Kita eine halbe oder dreiviertel Stunde entfernt ist. Das ist zwar zu Beginn mit einer hohen Investition verbunden, die sich aber in jedem Fall auszahlen wird für den Betrieb. Nur muss das noch in die Köpfe der Unternehmer hinein. Früher war das nicht nötig, heute und in Zukunft werden sich solche Investitionen aber auszahlen und die Unternehmen die Nase vorn haben, die sich aktiv mit den Bedürfnissen neuer Mitarbeiter auseinandergesetzt haben.
Wie bewerten Sie Bemühungen, den Fachkräftemangel mit Menschen aus dem Ausland zu kompensieren?
Grundsätzlich ist das ein guter und richtiger Ansatz. Die Unternehmen müssen sich auch nach 17 Uhr um die Menschen kümmern, die zu uns ins Land kommen, sonst stellt sich bei vielen Menschen schnell Heimweh ein, gerade wenn sie noch sehr jung sind. Auch hier gilt: Wer sozial integriert ist, wird sich schneller heimisch fühlen und dann auch längerfristig bleiben. Das muss ich als Betrieb leisten, z.B., indem ich den Kontakt zum örtlichen Sportverein herstelle und den jungen Menschen gerade zu Beginn Paten zur Verfügung stelle, die sich kümmern.