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Co-Working Spaces
Sie stecken gefühlt noch in den Kinderschuhen, vor allem dann, wenn man in die Metropolen der Republik schielt. Aber auch hier bei uns im Ruhrgebiet geht einiges. Wir haben uns zwei ganz unterschiedliche Ansätze für Co-Working angesehen. Was sie eint? Das Brennen für die gemeinsame Sache: Menschen miteinander zu vernetzen und Raum fürs Arbeiten anzubieten, der auch wirklich gebraucht wird.
Von Katrin Ziegast
© Volker Wiciok
BERMUDA.hub
Unsere erste Station: ein eingerüstetes Hochhaus mitten in Bochums Ausgehmeile. „Under construction“ suggerieren die Baustellenschilder, hier wird nicht nur außen gebaut, sondern auch im Inneren des Gebäudes ist einiges in Bewegung. Hier entwickeln Start-ups ihre Geschäftsideen. Und wo könnte man das besser als mit anderen Unternehmensgründer:innen, die kreativen Austausch suchen und sich vernetzen wollen? Wir sind in der Kortumstraße 16 mitten im Bermuda3Eck, der Place to be in Bochum. Hier residiert im ersten Hochhaus der Stadt, dem Friedrich-Lueg-Haus, der BERMUDA.hub. Eine Zuschreibung, die gerade genug ambitioniert ist für die Menschen, die hier arbeiten.
© Volker Wiciok
Oft sind es noch Studierende, die neben dem Studium eine Idee verfolgen und dann sogenannte Science Spin-offs gründen. „Oft erleben Start-ups eine Art Gap, eine Lücke, wenn sie aus einer Förderstufe, z. B. der ersten Förderphase, kommen, in der sie Büroräume gestellt bekommen haben und viel mit ihren Mentor:innen im Austausch waren“, merkt Katharina Thiel, Leitung Marketing von LABS.ruhr, an. „Hier werden sie dann in der ‚Büro-Gemeinschaft‘ aufgefangen, können sich austauschen und ihre Ideen aus den verschiedenen Arbeitsphasen mit anderen gemeinsam reflektieren – das ist ein ungeheurer Input für alle Seiten.“
Dass das BERMUDA.hub so organisch gewachsen ist, liegt auch an der Firmenstruktur. Unter der Dachmarke LABS.ruhr werden Unternehmer:innen und Gründer:innen in ihren Vorhaben mit geballter Man- und Womanpower unterstützt. Und wenn man die potenzielle Zielgruppe schon mal am Haken hat, dann ist es ein logischer Schritt, diese auch auf ihrem weiteren Weg zu unterstützen und ihnen das anzubieten, was oft eher rar gesät ist: Büroräume zu erschwinglichen Preisen in netter Umgebung.
Was braucht ihr als Start-up? Diese Frage stand am Anfang aller Überlegungen.
„Die Idee ist dieses Jahr gewachsen, und im Sommer hatten wir die ersten Mieter“, erklärt Katharina Thiel. Momentan sind mehrere Start-ups im Hub eingemietet und schätzen die Möglichkeit, ihr ganz privates Büro zu nutzen, das sie auch nach ihren Wünschen gestalten können. Schließlich möchten sich die Unternehmensgründer:innen potenziellen Kund:innen auch angemessen präsentieren und nicht einfach ein schnödes Design übernehmen oder in einem Mini-Büro sitzen, das nicht repräsentativ ist. All das bietet der BERMUDA.hub – pro Monat kostet ein 26 qm großes Büro circa 535 Euro inklusive Nebenkosten und Internetanschluss, Besprechungsraum und Reinigung. Die Mindestmietdauer beträgt sechs Monate. So ist eine Kontinuität gegeben, die auch von allen Seiten gewünscht wird, damit eine Bürogemeinschaft überhaupt erst wachsen kann. Und doch sind die jungen Gründer:innen flexibel und müssen keine Jahresverträge abschließen. „Wir wollten etwas zwischen Co-Working-Space und klassischem Büro entwickeln – eine Art Bürogemeinschaft, die die Vorteile beider Arbeitsmodelle verbindet“, erklärt Katharina Thiel.
© Volker Wiciok
Und noch etwas: „Wir möchten Start-ups hier in der Stadt behalten - wir wollen auf keinen Fall, dass sie mit ihren Ideen abwandern!“ Und wenn man das verhindern will, dann muss man jungen Unternehmer:innen auch bestmögliche Startbedingungen schaffen, die sie für ihre Entwicklung benötigen. Vernetzung ist hier wie beim Co-Working-Space alles: „Wir haben viel Kraft da reingelegt, uns mit Kooperationspartnern wie dem Bochumer Gründungs-Hub WERK X und der IHK Mittleres Ruhrgebiet zu vernetzen“, erklärt Marketingleiterin Thiel. Durch dieses Netzwerk gelangen die Möglichkeiten, die hier geboten sind, in Umlauf, und man erkennt das ungeheure Potenzial, das in Co-Working-Spaces in Bochum und Umgebung steckt.
WORK INN
„Möglichkeiten, die geboten sind …“ – eine schöne Überleitung zu unserem zweiten Co-Working-Space: das Work Inn – wir purzeln quasi von der Straßenbahnhaltestelle MARK 51°7 in den Co-Working-Space. Wir sind auch hier wieder an einem Ort, der Bochum über Jahrzehnte geprägt hat und der wie das Bermuda3Eck eine besondere Strahlkraft hat – das ehemalige Opel-Gelände, das nun Ansiedlungsfläche für innovative Unternehmen und universitäre Einrichtungen wie den RUB-Makerspace ist.
Ein Raum, in dem etwas entsteht – das bietet Work Inn „Es ist noch ein bisschen ein Baustellenbesuch“ – so begrüßt uns Tim Schabsky, Geschäftsführer der Work Inn GmbH im Dezember 2023. Nach Baustelle sieht es hier jedoch eigentlich nicht mehr aus – in einigen Büros rauchen sogar schon die Köpfe. Tim Schabsky und seine Frau Dörte Schabsky sind erfahren im Co-Working-Geschäft. Sie haben bereits dreizehn verschiedene Standorte in sechs Ruhrgebietsstädten. Der neuste ist hier an der Alten Wittener Straße 30 in Bochum.
„Man braucht für Co-Working immer zwei Sachen – Kaffee und Internet.“
Große Fenster, viel Glas – man kann den Verkehr und das Treiben draußen gut beobachten, ist mittendrin im Flow und doch eingebettet in eine ruhige Arbeitsatmosphäre, die sich über drei Etagen erstreckt. Wir beginnen im „Tal“ und arbeiten uns hoch zum „Gipfel“ – was sich nach einer schönen Wanderung anhört, spiegelt sich im Interieur der Arbeitsräume wider. Holz und Grüntöne dominieren im Erdgeschoss, Eisblau im Obergeschoss – man trifft sich in der gemütlichen Teeküche oder setzt sich in ein lauschiges Zweier-Holzhäuschen.
© Volker Wiciok
„Farbe im Büro? Das war zu unseren Anfängen 2013 noch recht neu – New Work musste sich erst noch etablieren“, erläutert Dörte Schabsky die Entwicklung der Co-Working-Spaces. Dass die Atmosphäre eine bedeutende Rolle spielt, wussten beide schon früh, denn sie haben sich wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt. „Wir haben das Konzept in London kennengelernt – ich habe Übersetzung studiert und wollte nicht immer nur zu Hause sitzen, und daraufhin haben wir festgestellt, dass wir in Laufdistanz zu vielen Co-Working-Spaces wohnten“, erzählt Dörte Schabsky.
Nur drei Co-Working-Spaces für fünf Millionen Menschen
Also haben sie einfach das Konzept in ihre Heimat übersetzt; hier waren die Mieten annehmbar, und es gab seinerzeit nur drei Co-Working-Anbieter:innen, die meist auch an Werbeagenturen angedockt waren. Dennoch brauchte es viel Netzwerk- und Überzeugungsarbeit. Es hat sich gelohnt: Work Inn ist mit dreizehn Strandorten im gesamten Ruhrgebiet vertreten, und zwar mit einer besonderen Anforderung an die jeweiligen Standorte: „Wir wollten eben nicht einen großen Co-Working-Space in der Innenstadt, wo alle hinpendeln müssen, sondern wir wollen, dass die Leute mit kurzen Wegen ihren Arbeitsort erreichen“, verdeutlicht Tim Schabsky.
Regelmäßig nutzen rund 1.000 Members die Work-Spaces
Die Work-Spaces sind von ihren Ausmaßen so angelegt, dass man nicht anonym nebeneinander arbeitet, sondern sich begegnet. Das Netzwerk ist jedoch weit darüber hinaus über alle Standorte gespannt. „Wenn ich jetzt ein:e guten Steuerberater:in oder ein:e Grafiker:in suche, dann kann ich auf die Community zurückgreifen, auch wenn ich an einem anderen Standort arbeite“, führt Dörte Schabsky aus. Es finden sich auch oft Co-Worker:innen untereinander und entwickeln dann gemeinsam neue Geschäftsideen. Das ist der Vorteil, wenn man mit Menschen zusammenkommt, die man eben nicht im klassischen Büro treffen würde.
© Volker Wiciok
Und wer sind nun die Menschen, die Co-Working regelmäßig nutzen? Vom klassischen Start-up über Gründer:innen bis hin zu mittelständischen Unternehmen und Konzernen, die explizit wünschen, dass Projekt- oder Vertriebsteams in einer Co-Working-Umgebung arbeiten, ist alles dabei.
„Genau diesen Wunsch der Konzerne haben wir antizipiert, der Trend war schon vor Corona da, wurde unterbrochen und hat sich dann aber auch beschleunigt“, erklärt Tim Schabsky. Es ist eine spannende Mischung von Menschen, die hier zusammenkommt, die jedoch alle andere Anforderungen an ihre Arbeitsumgebung haben. Um dies abzudecken, bietet Work Inn für alle Bedürfnisse verschiedene Modelle und Produkte. So kann man sich mit einer Flatrate Basic schon ab circa 149 Euro in einen Workspace einmieten.
Community Management als Schlüssel zum Erfolg
Die klassischen Co-Worker:innen fordern Austausch, die Büronutzer:innen müssen oft erst in die Co-Working-Welt hineinwachsen: „Diese Gruppe kitzeln wir mithilfe von Community Management aus dem Büro, und so entstehen wieder neue Impulse und schöne Begegnungen“, berichtet Dörte Schabsky schmunzelnd.
Festzuhalten bleibt, dass in der Arbeitswelt alles noch deutlich flexibler werden wird. „Die klassischen Bürostrukturen werden sich auflösen; Firmen veräußern immer mehr ihrer Immobilien und schwenken auf Desk-Sharing um“, stellt Tim Schabsky fest. Oder man lässt seine Teams ungewöhnliche Verbindungen zu Unternehmer:innen aufbauen wie die IHK zu Dortmund. Hier wurden Mitarbeiter:innen in Co-Working-Spaces entsandt – also mal schauen, wer morgen wo und mit wem an welchem Schreibtisch sitzt …
Ich habe mir das ein bisschen wie bei der TV-Serie ‚Friends‘ vorgestellt: Man kommt auf die Arbeit, holt sich einen Kaffee, kennt die Leute und hat ein gutes Gefühl – und das ist tatsächlich so geworden“, erzählt Dörte Schabsky mit einem Lächeln.
How to: Co-Working-Space gründen
Es gibt einige Stolpersteine, die man mit einer Standort-Analyse locker umschiffen kann:
• Gibt es überhaupt eine Zielgruppe an dem gewünschten Ort?
• Welches Konzept möchte ich anbieten?
• Vorsicht bei der Wahl der Immobilie und des Eigentümers: Ausbau und Instandhaltung sind extrem wichtig, daher Mindestanforderungen aufstellen wie ein eigenes Schließsystem.
• Arbeits- und Datenschutz müssen jederzeit und überall gegeben sein.
Es gibt einige Stolpersteine, die man mit einer Standort-Analyse locker umschiffen kann:
• Gibt es überhaupt eine Zielgruppe an dem gewünschten Ort?
• Welches Konzept möchte ich anbieten?
• Vorsicht bei der Wahl der Immobilie und des Eigentümers: Ausbau und Instandhaltung sind extrem wichtig, daher Mindestanforderungen aufstellen wie ein eigenes Schließsystem.
• Arbeits- und Datenschutz müssen jederzeit und überall gegeben sein.