Unternehmen sanieren mit dem StaRUG-Verfahren

Unternehmen, denen die Zahlungsunfähigkeit droht, haben seit dem 1. Januar 2021 mit dem "Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen" ("StaRUG-Verfahren") eine neue Möglichkeit, sich eigenverantwortlich zu sanieren und somit eine Insolvenz abzuwenden. Das Restrukturierungsverfahren schließt die bisher bestehende Lücke zwischen einer außergerichtlichen Sanierung und einer formellen Insolvenz nach der Insolvenzordnung.
Ziel des neuen StaRUG-Verfahrens ist es, dass Unternehmer außergerichtlich und selbstverantwortlich ihren Betrieb sanieren können, ohne ein Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.
Anlass des neuen Gesetzes ist eine EU-Richtlinie, die europaweit vorinsolvenzliche Restrukturierungen erleichtern soll, um rentable Unternehmen zu retten und Arbeitsplätze zu erhalten.

Sanierungsoptionen für Unternehmen bis Ende 2020

Bisher hatten Unternehmer in der Krise entweder die Möglichkeit der außergerichtlichen Sanierung oder der Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Für die außergerichtliche Sanierung muss die Zustimmung aller wesentlichen Gläubiger eingeholt werden und der Handlungsspielraum des Unternehmers ist in zeitlicher Hinsicht durch die Insolvenzantragspflicht bei Eintritt der Insolvenzreife gemäß Paragraf 15a Insolvenzordnung (InsO) begrenzt.
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (Regelinsolvenz, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren) können die Rechtspositionen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger rechtssicher beschnitten werden. Nachteilig sind jedoch der Aufwand, die hohen Kosten sowie die Veröffentlichung des Insolvenzverfahrens. Letzteres erschwert einem durch Insolvenz sanierten Unternehmen oft den Neustart, weil ihm der "Makel" der Insolvenz anhaftet.

Neue Sanierungschance durch das StaRUG seit 2021

Seit Januar 2021 ist es durch das neue Gesetz nun möglich, Sanierungsmaßnahmen auch außerhalb einer Insolvenz und gegen den Willen einzelner Gläubiger umzusetzen. Das StaRUG soll die Lücke im bestehenden Sanierungsrecht zwischen der außergerichtlichen Sanierung und der Sanierung in der Insolvenz schließen.
Ziel des StaRUG ist die nachhaltige Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit (Paragraf 29 StaRUG), wohingegen Ziel der Insolvenz die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ist (Paragraf 1 InsO).

Voraussetzungen für die Sanierung ohne Insolvenz

Das Restrukturierungsverfahren richtet sich an alle Unternehmen, bei denen eine Zahlungsunfähigkeit – und somit eine Insolvenz - droht.
Das heißt, noch ist das Unternehmen zahlungsfähig! Es darf weder bereits eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein, noch darf eine Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung (InsO) vorliegen.
Bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bleibt dem Unternehmer nur noch das Insolvenzverfahren, so dass möglichst frühzeitiges Handeln erforderlich ist, um alle Sanierungsoptionen ausschöpfen zu können!
Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt zwei Jahre. Ein Unternehmen ist also drohend zahlungsunfähig, wenn es voraussichtlich in den kommenden zwei Jahren zahlungsunfähig wird.

Ablauf des Restrukturierungsverfahrens

Grundlage für das Verfahren ist ein Restrukturierungsplan, aus dem hervorgehen muss, dass die Überwindung der Unternehmenskrise als überwiegend wahrscheinlich gelten kann.
Es muss für das Unternehmen also eine gute Aussicht auf eine Sanierung bestehen!
Der Unternehmer zeigt das Restrukturierungsvorhaben beim Amtsgericht an und leitet damit das Verfahren ein. Dazu legt er neben dem Restrukturierungskonzept die Bestätigung vor, dass das Unternehmen sich im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befindet.
Zuständig für das Verfahren sind die Amtsgerichte am Sitz eines Oberlandesgerichts (OLG), in Hessen das OLG Frankfurt/Main.
Sind sich alle Beteiligten einig, kann die Restrukturierung ähnlich wie bisher ohne Hinzuziehung eines Gerichts umgesetzt werden (außergerichtliches Planverfahren). In diesem Fall kann das gesamte Verfahren unter der Leitung des Schuldners außergerichtlich, zeit- und kosteneffizient umgesetzt werden.
Bei Widerständen kann nun aber auch ein Restrukturierungsgericht angerufen werden, um einer Sanierung zum Durchbruch zu verhelfen (gerichtliches Planverfahren).

Der Restrukturierungsplan

Die Sanierung erfolgt auf der Grundlage des von den betroffenen Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplanes.
Die einzubeziehenden Gläubiger können nach sachlichen Kriterien weitgehend frei gewählt und zu Gruppen zusammengefasst werden, in denen über die Annahme des Plans abgestimmt wird.
Dabei genügt es, wenn in jeder Gläubigergruppe eine Mehrheit von 75 Prozent erzielt wird. Die Zustimmung einzelner Gruppen kann gerichtlich ersetzt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen zugestimmt hat, eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Wert erfolgt und keine Schlechterstellung (als ohne Plan) vorliegt.
Achtung:
Forderungen der Arbeitnehmer einschließlich der betrieblichen Altersversorgung können in einen Restrukturierungsplan nicht einbezogen werden!
Die Sanierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erfordert jedoch regelmäßig die Durchführung von Personalmaßnahmen und die Erledigung von Pensionslasten.
Für solche Fälle ist der Restrukturierungsplan nicht als Sanierungsinstrument vorgesehen!

Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

Der Schuldner kann beim Gericht – begleitend zum Restrukturierungsplan - Unterstützung durch verschiedene "Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente" des StaRUG beantragen, wie beispielsweise
  • Abstimmungsverfahren: Das Gericht koordiniert die Abstimmung der Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan.
  • Vorprüfung des Restrukturierungsplans: Durch die vorherige Prüfung können Fragen, die für die Bestätigung des Plans wichtig sind, vorab geklärt werden.
  • Gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans, sodass dieser auch gegen widersprechende Planbetroffene verbindlich wird.
  • Stabilisierungsanordnung: Damit kann das Gericht den Schuldner zunächst für drei Monate vor Vollstreckungs- und Sicherungsverwertungsmaßnahmen einzelner Gläubiger schützen und ihm dadurch Luft verschaffen, um den Plan ausarbeiten zu können.
Die Instrumente können je nach Bedarf und unabhängig voneinander beantragt und kombiniert werden. Dies empfiehlt sich vor allem dann, wenn mit Widerstand einzelner Gläubiger zu rechnen ist.
Aber: Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens durch den Schuldner begründet kein Recht zur Vertragskündigung, Fälligstellung von Leistungen oder Anpassung von Verträgen, Paragraf 44 StaRUG!

Restrukturierungsbeauftragter

Der Restrukturierungsplan wird grundsätzlich durch den Unternehmer selbst umgesetzt, der seinen Betrieb während des Restrukturierungsverfahrens auch eigenständig weiterführt.
Unter bestimmten Voraussetzungen (wenn zum Beispiel Rechte von Verbrauchern oder KMU berührt werden) wird dem Schuldner vom Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter zur Seite gestellt, der darüber wacht, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt werden.
Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen
Er überwacht das Verfahren und überprüft den Restrukturierungsplan.
Er unterstützt die mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmer oder Verbraucher, wenn über deren Forderungen im Restrukturierungsplan abgestimmt wird.
Auf Anordnung des Gerichts kann er die wirtschaftliche Lage des Betriebs überprüfen und den Zahlungsverkehr während des Restrukturierungsverfahrens überwachen.

Auswirkungen des Restrukturierungsverfahrens

Die im Plan getroffenen Regelungen (zum Beispiel Zahlungen an Planbetroffene) sind bis zur nachhaltigen Restrukturierung weitgehend vor Anfechtungen geschützt. Wenn die Betroffenen wie im Plan festgelegt befriedigt wurden, wird der Schuldner gegenüber diesen von den restlichen Verbindlichkeiten befreit.
Der gesamte Vorgang der Restrukturierung – gleich, ob er gerichtlich oder außergerichtlich durchgeführt wird – findet grundsätzlich ohne irgendeinen Registereintrag oder eine anderweitige Veröffentlichung statt. Damit soll für das sanierte Unternehmen ein Stigma wie bei der Insolvenz vermieden werden.
Ist das Verfahren nach dem StaRUG eingeleitet und tritt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens ein, müssen die Geschäftsleiter dies dem Restrukturierungsgericht ohne schuldhaftes Zögern anzeigen. Die Insolvenzantragspflicht ruht während des Restrukturierungsverfahrens.

Kosten für das Restrukturierungsverfahren

Es fallen Gerichtskosten zwischen 250 und 1500 Euro an. Wird ein Restrukturierungsbeauftragter hinzugezogen, soll dieser maximal 350 Euro pro Stunde abrechnen. Hinzu kommen nochmals Gerichtsgebühren für dessen Bestellung und die Aufsicht von 500 Euro. Ins Gewicht fallen vor allem die Ausgaben für die eigenen Berater.

Was müssen Geschäftsleiter beachten?

Das StaRUG schreibt in Paragraf 1 vor, dass Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger (also zum Beispiel auch bei GmbH & Co. KG) verpflichtet sind, mögliche Krisenursachen zu überwachen (Krisenfrüherkennung) und Gegenmaßnahmen zu ergreifen (Krisenmanagement).
Damit sind künftig auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zum Risikomanagement verpflichtet. Auch sie müssen nun zwingend eine fortlaufende Unternehmens- und Finanzplanung betreiben, um ihre Risiken einschätzen zu können.
Sie müssen zumindest ein der Größe des jeweiligen Unternehmens angemessenes System schaffen, das in der Lage ist, bestandsgefährdende Risiken rechtzeitig zu erkennen. Mit anderen Worten, sie müssen in der Lage sein, Risiken, die die Stellung eines Insolvenzantrags erforderlich machen, zu erkennen.
Hat der Geschäftsleiter Pflichtverletzungen zu vertreten, so haftet er persönlich für den Schaden, der den Gläubigern hierdurch entstanden ist.
Wollen Geschäftsführer die Sanierungsmöglichkeiten des StaRUG für ihr Unternehmen nutzen, sollten sie die Liquiditätsentwicklung ihres Unternehmens im Auge behalten und für mindestens 24 Monate planen.

Auf einen Blick: Vor- und Nachteile der Sanierung mittels Restrukturierungsplans

Vorteile
Nachteile
Selbstbestimmte Sanierung, psychologische Hürde für Unternehmer geringen ohne Stigma Insolvenz
unter Umständen Vertrauensverlust bei wichtigen Gläubigern wegen Dokumentation der drohenden Zahlungsunfähigkeit
Kein Verlust der Verfügungsbefugnisse
Keine Möglichkeit zur Durchführung von Personalmaßnahmen und der Erledigung von Pensionslasten
Es reicht mehrheitliche Zustimmung der Gläubiger
Keine Möglichkeit sich einseitig von Verträgen zu lösen
Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt – Zeitgewinn für Sanierung
Hohe Beratungskosten für Erstellung Sanierungskonzept, Unternehmensplanung, Rechtsberatung….
Überwiegend für finanzwirtschaftliche Maßnahmen geeignet
Keine Veröffentlichung des Verfahrens
Gezielte Einbeziehung/Aussparung von Gläubigern möglich
  

Zusammenfassung und Fazit

Das StaRUG stellt eine Art "Werkzeugkasten" zur Sanierung ohne Insolvenz dar. Das neue Gesetzt bietet einen Rechtsrahmen für insolvenzvermeidende Sanierungen, der es den Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren.
Das Planverfahren kann grundsätzlich ohne gerichtliche Beteiligung durchgeführt werden, in bestimmten Fällen bedarf der Restrukturierungsplan aber der Bestätigung durch das Restrukturierungsgericht.
Über den Plan wird in Gläubigergruppen abgestimmt; innerhalb der Gruppen muss jeweils eine Mehrheit von 75 Prozent der betroffenen Gläubiger erzielt werden.
Die Zustimmung einzelner Gruppen kann gerichtlich ersetzt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen zugestimmt hat, eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Wert erfolgt und keine Schlechterstellung vorliegt.
Die Planbestätigung ist sowohl bei außergerichtlichem, als auch bei gerichtlichem Abstimmungsverfahren möglich. Mit der Bestätigung des Plans gelten dessen Wirkungen auch im Verhältnis zu den Gläubigern, die gegen den Plan gestimmt haben.
Für die gerichtliche Planbestätigung und die Stabilisierungsanordnungen ist die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers zwingende Voraussetzung.
Aufgrund der Komplexität und der Kosten ist das Verfahren nach Einschätzung von Insolvenzrechtsexperten eher auf mittelständische und große Unternehmen zugeschnitten. Ganz generell steht es aber jedem Unternehmer offen, wenn Zahlungsunfähigkeit droht. Bei kleinen Unternehmen entscheidet die individuelle Situation, ob das StaRUG-Verfahren eine Chance zur Sanierung bietet.