Recht und Steuern

Spezial: Brexit und USt

Beratung nur für Mitgliedsunternehmen! Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir als IHK Berlin nur befugt sind, Berliner Mitgliedsunternehmen der gewerblichen Wirtschaft bei rechtlichen Fragestellungen zu unterstützen. Bitte wenden Sie sich für steuerrechtliche Erstinformationen an Ihre örtlich zuständige IHK.
Nach der erfolgten Ratifizierung des Brexit-Deals, Annahme des Austrittsabkommens durch das Britische Oberhaus am 22. Januar 2020, ist das Vereinigte Königreich (VK) zum 31. Januar 2020 formal aus der EU ausgetreten. Aufgrund der vereinbarten Übergangsphase bis Ende 2020 gelten umsatzsteuer- und zollrechtlich während der Übergangsfrist noch die EU-Regelungen. Beachten Sie bitte die Informationen des Zolls und die Ausnahmen beim Warenursprung bzw. Präferenzrecht.
Die folgenden Informationen können die individuelle Beratung durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt nicht ersetzen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit können wir trotz sorgfältiger Prüfung keine Gewähr übernehmen.
Nach der Übergangsphase ab 1. Januar 2021 gilt Folgendes:
Großbritannien ist nicht mehr Teil des Gemeinschaftsgebiets, sondern Drittlandsgebiet im Sinne des Umsatzsteuerrechts (vgl. § 1 Abs. 2a UStG). Die in der MwStSystRL vorgesehene EU-weite Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts und EuGH-Entscheidungen sind für das VK nicht mehr bindend. Unabhängig von Maßnahmen der britischen Regierung ergeben sich folgende grundlegende Veränderungen im Austausch von Waren und Dienstleistungen:

Warenverkehr

Warenlieferungen von Deutschland nach Großbritannien sind künftig nicht mehr als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach §§ 4 Nr. 1b UStG i. V. m. 6a UStG zu behandeln, sondern als steuerfreie Ausfuhrlieferungen nach §§ 4 Nr. 1a UStG i. V. m. 6 UStG. Neben abweichenden materiell-rechtlichen Anforderungen ergeben sich daraus auch veränderte Nachweispflichten für die Steuerfreiheit der Lieferungen. Die Buch- und Belegnachweise sind nicht mehr anhand der §§ 17a bis 17c UStDV zu führen, sie richten sich künftig nach den §§ 9 bis 11 UStDV. Die sog. Gelangensbestätigung ist dann nicht mehr relevant, da sie kein tauglicher Nachweis für die Steuerfreiheit der Lieferung ist. Vielmehr ist bei zollrechtlichen Ausfuhranmeldungen im elektronischen Ausfuhrverfahren ATLAS grds. der sog. Ausgangsvermerk als Nachweis aufzubewahren. Eine fehlerhafte Nachweisführung birgt das Risiko der Versagung der Umsatzsteuerfreiheit! Bei einer Lieferung aus Großbritannien nach Deutschland ist kein innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i. V. m. § 1a UStG) der Ware durch den Empfänger in Deutschland zu versteuern. Es handelt sich vielmehr um eine Einfuhr, die der Einführer zu erklären und für die er Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten hat, sofern keine Befreiungsvorschriften (§ 5 Abs. 1, § 25c UStG, § 5 Abs. 2 in Verbindung mit der EUStBV) greifen. Wird die Einfuhr durch den in Großbritannien ansässigen Unternehmer erklärt, ist die Lieferung an den deutschen Unternehmer nach § 3 Abs. 8 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig, wenn dieser Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. Für den britischen Unternehmer ergibt sich daraus eine umsatzsteuerliche Registrierungs- und Erklärungspflicht in Deutschland. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1a UStG, die das Verbringen eines Gegenstands zur eigenen Verfügung des Unternehmers in einen anderen Mitgliedstaat als innergemeinschaftliches Verbringen einer Lieferung gleichstellt, ist im Verhältnis zu Großbritannien nicht mehr anwendbar. Die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte nach § 25b UStG ist allenfalls dann noch anwendbar, wenn die Ware innerhalb der EU geliefert wird und lediglich ein britischer Unternehmer mit einer ihm von einem Mitgliedstaat erteilten UStIdNr. auftritt. Gelangt die Ware im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nach Großbritannien bzw. aus Großbritannien in die EU, sind die Erleichterungen des § 25b UStG nicht anwendbar. Je nach Fallkonstellation ergeben sich danach Registrierungspflichten der beteiligten Unternehmen. Grenzüberschreitende Warenlieferungen mit dem VK sind künftig nicht mehr Gegenstand der Intrahandelsstatistik (Intrastat), entsprechende Erklärungspflichten entfallen. Lieferungen nach Großbritannien sind zudem nicht länger nach § 18a UStG in einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) zu erfassen.
Exkurs: Was müssen deutsche Versandhändler, die ab 01.01.2021 B2C-Lieferungen in das VK tätigen wollen, beachten?
Ab 2021 entfällt für Großbritannien die Versandhandelsschwelle. B2C-Lieferungen unterliegen dann ab dem ersten Penny der britischen Umsatzsteuer. Versandhändler müssen daher im VK umsatzsteuerlich registriert sein. Vorhandene Registrierungen und USt-ID-Nummern bleiben aber gültig. Bzgl. Nordirland gibt es Sonderregelungen.
Für Versandhändler ohne britische Niederlassung ist der 01.01.2021 der Stichtag, ab dem für jede Lieferung nach dem VK reguläre Einfuhrabfertigungen erforderlich werden. Erleichterungen gelten nur für ansässige Unternehmen. Voraussichtlich wird die Einfuhranmeldung nicht auf die B2C-Kunden ausgelagert werden können. Die Steuer- und Zollbefreiung von Lieferungen im Wert von unter GBP 15 entfällt zum 01.01.2021. Maßgeblich wird die Grenze von GBP 135 Warensendungswert und ob Waren direkt oder über einen Online-Marktplatz vertrieben werden.
Für Zollformalitäten benötigen Versandhändler grds. künftig eine eigene britische EORI-Nummer, die mit der britischen USt-ID-Nummer verknüpft wird. Eine bereits vorhandene EORI-Nummer des EU-Sitzstaates gilt nur für die EU.
Get an EORI Number: www.gov.uk/eori
Versandhändler ohne Niederlassung im UK brauchen einen zuverlässigen Zollagenten, Spediteur oder Paketdienst, der sie bei der Einfuhrabwicklung nach Großbritannien als indirekter Vertreter unterstützt. Dieser muss im britischen Zoll-IT-System CHIEF (entspricht dem deutschen ATLAS-System) Zollerklärungen abgeben dürfen. HMRC hat hierzu eine Liste mit Zolldienstleistern veröffentlicht.
List of customs agents and fast parcel operators: www.gov.uk/guidance/list-of-customs-agents-and-fast-parcel-operators?utm_source=56d31509-d25c-4684-a5ea-e31014a5b37a&utm_medium=email&utm_campaign=govuk-notifications&utm_content=immediate

Dienstleistungen

Soweit sich der Ort der Dienstleistung nach den Grundregeln des § 3a Abs. 1 und 2 UStG richtet, kommt es nicht auf die Ansässigkeit des Kunden innerhalb der EU an; sie gelten ebenso für Drittlandsansässige. Allerdings enthält § 3a UStG in den Abs. 4 sowie 6 bis 8 Sonderregeln für die Bestimmung des Leistungsortes, die Drittlandsbezug voraussetzen: So sind die sog. Katalogleistungen des Abs. 4 auch dann am Ort des Leistungsempfängers zu besteuern, wenn dieser kein Unternehmer und im Drittland ansässig (Wohnsitz/Sitz) ist. Dies betrifft z. B. Beratungsleistungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Ingenieurleistungen, Finanzdienstleistungen oder die Überlassung von Personal. Der leistende Unternehmer muss sich dann in der Regel im Bestimmungsland registrieren und den dort geltenden nationalen Umsatzsteuervorschriften anpassen. Für die in § 3a Abs. 6, 7 und 8 UStG genannten Leistungen gilt die sog. use-and-enjoy-Regel. Sie sind dort zu besteuern, wo sie tatsächlich genutzt oder ausgewertet werden. Diese Vorschriften gelten künftig auch im Verhältnis zu Großbritannien. Für den Nachweis der Unternehmereigenschaft kann künftig nicht mehr die UStIdNr. Herangezogen werden. Es sind andere Nachweise vorzulegen, z. B. eine Bestätigung der britischen Finanzbehörden (HMRC), dass die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft gegeben ist. Sonstige Leistungen nach Großbritannien sind künftig nicht mehr nach § 18a UStG in einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) anzugeben.

Vorsteuerabzug

Das Recht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG knüpft z. T. an den Leistungsort an. So enthält § 15 Abs. 2 UStG ein Vorsteuerabzugsverbot für Vorleistungen, die für steuerfreie Umsätze bzw. Umsätzen im Ausland verwendet werden, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Allerdings enthält § 15 Abs. 3 UStG zum Vorsteuerausschluss des Abs. 2 einige Rückausnahmen, u. a. wenn sich der Leistungsort bestimmter Leistungen im Drittland befindet. Der Vorsteuerabzug wird danach letztlich doch zugelassen für Bank- und Finanzumsätze (§ 4 Nr. 8 Buchst. a bis g UStG) sowie für Versicherungsumsätze (§ 4 Nr. 10 UStG), wenn diese an (private oder unternehmerische) Leistungsempfänger im Drittland erbracht werden. Änderungen ergeben sich auch für das Vorsteuer-Vergütungsverfahren. Bislang konnten britische Unternehmer spätestens zum 30.9. des Folgejahres (§ 61 Abs. 2 UStDV) einen Erstattungsantrag gemäß § 61 Abs. 1 UStDV in englischer Sprache über ein in Großbritannien eingerichtetes Portal an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermitteln. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur für in einem EU-Mitgliedstaat ansässige Unternehmen. Drittlandsunternehmen müssen ihren Vorsteuervergütungsanspruch hingegen direkt in Deutschland in deutscher Sprache gemäß § 61a Abs. 1 UStDV über das Online-Portal des BZSt geltend machen. Zudem gilt in diesem Verfahren eine kürzere Frist; der Antrag (inkl. sämtlicher Originalrechnungen, sonstiger Belege und Bescheinigungen) muss bis spätestens zum 30.6. des Folgejahres (§ 61a Abs. 2 UStDV) vorliegen. Weiterhin gelten für Erstattungsanträge durch Drittlandsunternehmen höhere Mindesterstattungsbeträge (§ 61a Abs. 3 UStDV) sowie der Ausschluss der Vorsteuererstattung auf den Bezug von Kraftstoff (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG). Entsprechende Auswirkungen ergeben sich auch für deutsche Unternehmen, die britische Vorsteuerbeträge in Großbritannien (zuständig ist das HMRC) geltend machen wollen.

Links zum Thema Brexit:

Website der Generaldirektion Steuern und Zoll der Europäischen Kommission (GD TAXUD): https://ec.europa.eu/taxation_customs/uk_withdrawal_de
Informationen der britischen Zollbehörde und der HMRC:
Neue Zolltarife „UK Global Tariff“ für Importe nach VK ab dem 01.01.2021: www.gov.uk/check-tariffs-1-january-2021