Recht und Steuern
Scheinselbstständigkeit / Arbeitnehmerähnliche Selbstständige
Wenn ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit aufnimmt, sollte er stets darauf achten, dass er auch tatsächlich selbstständig tätig ist. Dazu ist die genügend große Anzahl von verschiedenen Auftraggebern eine Grundvoraussetzung. Andernfalls kann der Verdacht der Scheinselbstständigkeit entstehen. Um das zu vermeiden, sollte jeder Gewerbetreibende die in diesem Merkblatt festgehaltenen Voraussetzungen und Hinweise beachten, die einen ersten Überblick zu der Problematik der Scheinselbstständigkeit geben sollen.
Gliederung
- 1. Wer ist Scheinselbstständiger?
Finanzamt angemeldet hat, obwohl die Voraussetzungen für eine unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegen, er also tatsächlich abhängig beschäftigt ist.
Seit 1999 durfte der Sozialversicherungsträger - sofern die Parteien des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses sich weigerten, bei der Klärung der Frage, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt, mitzuwirken - eine abhängige und damit versicherungspflichtige Beschäftigung unterstellen, wenn mindestens drei von fünf im Gesetz präzisierten Merkmalen vorlagen.
Zum 01. Januar 2003 ist diese bisherige Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) IV weggefallen. Der § 7 Abs. 4 SGB IV besagte nur noch, dass für Personen, die einenExistenzgründungszuschuss nach § 421 Abs. 1 SGB III beantragt haben ("Ich-AG"), während ihrer (maximal dreijährigen) Förderung widerlegbar deren Selbstständigkeit vermutet wird. Zum 01.07.2009 ist dieser Absatz komplett weggefallen.
Mit Wegfall der Vermutungsregelung wird die Beweislast endgültig in die Hände der Einzugsstellen und Betriebsprüfer (Krankenkassen oder DRV) zurückgegeben. Nun müssen die Prüfer auch bei mangelnder Mitwirkung nachweisen, dass es sich wirklich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - und nicht um Selbstständigkeit - handelt.
Nach wie vor muss der Sozialversicherungsträger auf der Basis von § 7 Abs. 1 SGB IV - in der Regel unter Mitwirkung von Auftraggeber und Auftragnehmer – von sich aus die Tatsachen ermitteln, die zur Beurteilung der Rechtsfragen, ob Selbstständigkeit oder abhängige Beschäftigung vorliegt, erforderlich sind. Entscheidend ist eine Prüfung im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles.
Die Prüfung kann auf Grund von Tatsachen erfolgen, die dem Sozialversicherungsträger auf Grund einer Betriebsprüfung oder infolge von Streitigkeiten zwischen Auftraggeber/Arbeitgeber oder Auftragnehmer/Arbeitnehmer bekannt werden.
- 1.1 Wegfall des Merkmalkataloges des alten § 7 Abs. 4 SGB IV
Die folgenden Merkmale der ehemaligen Vermutungsregelung können weiterhin Indiz für eine Scheinselbstständigkeit sein, sie begründen diese jedoch nicht allein. Ausschlaggebend ist immer eine genaue Betrachtung des Einzelfalles.
- Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
- Sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
- Der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten.
- Die Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen.
- Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für den-selben Auftraggeber zuvor auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
- Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind in erster Linie eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Zu Pkt. (1): Keine Beschäftigung von versicherungspflichtigen ArbeitnehmernSozialversicherungspflichtig in diesem Zusammenhang sind alle Arbeitnehmer, die mehr als 450 Euro monatlich verdienen.Zu Pkt. (2): Bindung an nur einen AuftraggeberDie Bindung an nur einen Auftraggeber muss auf Dauer angelegt sein. Damit wird klargestellt, dass Selbstständige in ihrer Gründungsphase noch nicht als abhängig Beschäftigte gelten, nur weil sich ihr Unternehmen noch nicht in der geplanten Weise entwickelt hat. Gerade Existenzgründer haben nämlich häufig nur einen Auftraggeber. Existenzgründer müssen daher nach ihrem Un-ternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstreben und die tatsächli-chen Umstände dürfen dem nicht entgegenstehen. Von einem Existenzgründer wird in der Regel in den ersten drei Jahren nach Aufnahme der zu beurteilenden Tätigkeit ausgegangen.Die Wesentlichkeitsgrenze ist erreicht, wenn der Betroffene mindestens fünf Sechstel seiner Ge-samteinkünfte aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus dieser Tätigkeit erzielt (Konzernun-ternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz gelten als ein Auftraggeber).Projektbezogene Tätigkeiten:
Bei einer im Voraus begrenzten Tätigkeit für einen Auftraggeber liegt grundsätzlich keine „Tätigkeit auf Dauer nur für einen Auftraggeber“ vor, wenn die Begrenzung ein Jahr nicht überschreitet. Im Einzelfall gilt dies auch bei längeren Projektzeiten. Damit soll vor allem den Berufsgruppen Rech-nung getragen werden, die trotz eindeutiger Selbstständigkeit durch längere Projektzeiten an einen Auftraggeber gebunden sind (z. B. beratende Ingenieure).Zu Pkt. (3): Arbeitnehmertypische TätigkeitMit diesem Kriterium wird von der Annahme ausgegangen, dass es Tätigkeiten gibt, die man nur als Arbeitnehmer ausüben kann. Tätigkeiten wie „selbstständiger Kraftfahrer“ (ohne eigenes Fahrzeug), „selbstständiger Kranfahrer“, „freiberufliche Sekretärin“ und einfache Arbeiten, wie „Regalauffüller“ eignen sich nicht für ein freies Mitarbeiterverhältnis.Konkretisiert wird dieses Kriterium allerdings dadurch, dass beschäftigungstypische Arbeitsleistun-gen insbesondere derjenige erbringt, der Weisungen des Auftraggebers unterliegt und in die Ar-beitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist. Die Formulierung „insbesondere“ besagt, dass auch weitere Kriterien für beschäftigungstypische Arbeitsleistungen angelegt werden können.Zu Pkt. (4): Keine typischen Merkmale unternehmerischen HandelnsUnternehmerisch tritt derjenige auf, der eigene Chancen wahrnehmen kann, Risiken trägt und un-ternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt. Regelmäßig nicht selbstständig tätig, sondern ab-hängig beschäftigt ist daher, wer über Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug, Einsatz von Kapital und Maschinen weitgehend nicht eigenständig entscheiden kann. Weitere Kriterien können sein: das Unternehmen besitzt kein Firmenschild oder keine eigenen Geschäftsräume, es hat kein eigenes Briefpapier oder keine eigenen Visitenkarten.Zu Pkt. (5): Umwandlung von Arbeitnehmern in SelbstständigeFür eine abhängige Beschäftigung spricht es, wenn eine Tätigkeit, die bisher im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde, durch Änderungsvertrag in ein selbstständiges Auftragsver-hältnis überführt wurde, ohne dass sich hier das äußere Erscheinungsbild der Zusammenarbeit ändert.
- 1.2 Bedeutung amtlicher Eintragungen
Benötigt der Auftragnehmer für seine Unternehmung bzw. selbstständige Tätigkeit eine besondere amtliche Genehmigung oder Zulassung, wird die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit unterstützt. Dasselbe gilt für die Eintragung in die Handwerksrolle. Dagegen soll die Gewerbeanmeldung bzw. die Eintragung in das Handelsregister für sich allein nicht ausreichen.
- 1.3 Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen
Für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder gar die von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichem Geschäftsinhalt, der sich wiederum aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages und aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt. Es ist also unerheblich, ob die Parteien den Vertrag als „Arbeitsvertrag“ oder als „Dienst- oder Werkvertrag“ bezeichnen.
- 2. Was kann der Unternehmer tun?
Ergibt sich bei einem Auftragsverhältnis eine offensichtliche Scheinselbstständigkeit, bleibt es dem Auftraggeber nur übrig, den Scheinselbstständigen bei der Krankenkasse anzumelden.
Bei Zweifeln über die Frage der Scheinselbstständigkeit kann jeder – also Auftraggeber oder Auftragnehmer – ein Anfrageverfahren bei der DRV beantragen und durchführen. Hierfür ist schriftlich eine Entscheidung zu beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die DRV teilt daraufhin den Beteiligten mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb derer die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen sind. Nach Abschluss der Prüfung teilt die DRV den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, zeichnet die Tatsachen auf, auf die sie ihre Entscheidung stützen will und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern.
Ist eine Entscheidung der DRV oder der Krankenkassen ergangen, so kann hiergegen Widerspruch und Klage eingelegt werden. Diese haben aufschiebende Wirkung, das heißt bis zur Entscheidung über den Widerspruch bzw. die Klage können keine Beitragsforderungen erhoben werden. - 3. Eintritt der Versicherungspflicht
Wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ein scheinselbstständiges Arbeitsverhältnis festgestellt, ohne dass die Beteiligten die Überprüfung des Status veranlasst haben, setzt die Sozialversicherungspflicht in der Regel mit der Aufnahme der Tätigkeit ein.Wird ein Antragsverfahren durchgeführt, tritt die Versicherungspflicht unter den folgenden Voraussetzungen erst mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung ein:
- der Antrag an die DRV wurde innerhalb einen Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt,
- der Beschäftigte stimmt dem späteren Eintritt der Versicherungspflicht zu,
- der Beschäftigte hat für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung der DRV eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
- 4. Konsequenzen von Scheinselbstständigkeit
Auf die Scheinselbstständigkeit können sozialversicherungsrechtliche, arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Konsequenzen folgen, die in den nächsten Abschnitten ausgeführt werden.
- 4.1 Sozialversicherungsrechtliche Folgen
Der bisherige Auftraggeber hat nun als Arbeitgeber die üblichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die gesetzlichen Krankenkassen abzuführen und den Arbeitnehmer als solchen anzumelden. Die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht richtet sich nach der jeweiligen Versicherungssituation (unter anderem Höhe des Einkommens, aktuelle Beitragsbemessungsgrenze). Darüber hinaus muss er grundsätzlich rückwirkend bis zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses alle Sozialversicherungsbeiträge (also auch den Arbeitnehmeranteil) nachzahlen. Diese Nachentrichtungsansprüche verjähren erst in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen sogar erst nach Ablauf von 30 Jahren. Dagegen darf der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer nur drei Monate lang einen Teil des Gehaltes einbehalten. Abweichende Regressregelungen zwischen den Parteien sind unwirksam.
- 4.2 Arbeitsrechtliche Folgen
Der Scheinselbstständige kann seinen Arbeitnehmerstatus ggf. einklagen. Stellt das Arbeitsgericht den Arbeitnehmerstatus fest, so ist der vermeintlich Selbstständige nun Angestellter mit Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall.
- 4.3 Steuerrechtliche Folgen
Die Veränderung der Verhältnisse kann auch steuerliche Konsequenzen haben.
Zwar ist Schuldner der Lohnsteuer der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber haftet indessen dafür, dass die Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird, selbst wenn der Arbeitgeber davon ausgeht, mit einem Selbstständigen zusammenzuarbeiten, der aber tatsächlich Arbeitnehmer ist. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer haften für die Nachzahlungen als Gesamtschuldner, sie können also beide zur Zahlung der Außenstände in voller Höhe aufgefordert werden. Die alleinige Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist allerdings ermessensfehlerfrei, wenn dieser den Steuerabzug bewusst oder leichtfertig versäumt hat (BFH, Urteil vom 12. 2. 2009 - VI R 40/07). Dabei können auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen, wenn der Arbeitnehmer nicht über finanzielle Mittel verfügt. Um das Haftungsrisiko des Auftraggebers von vorneherein zu mindern, besteht die Möglichkeit, Arbeitnehmereigenschaft bestimmter Personen und damit auch deren Lohnsteuerpflichtigkeit beim Betriebsstättenfinanzamt verbindlich zu klären (Anrufungsauskunft). Selbst wenn die Auskunft objektiv unrichtig war, wird der Arbeitgeber von seiner Haftung freigestellt, wenn er sich an die Auskunft gehalten hat. Eine ablehnende Anrufungsauskunft entfaltet auch Indizwirkung für eine sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung.Scheinselbstständige müssen beachten, dass sie als Arbeitnehmer den lohn-/ einkommensteuerrechtlichen Regelungen unterliegen und durch diese Tätigkeit fortan keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr erzielen.Ob jemand eine Tätigkeit selbstständig ausübt, ist für das Steuerrecht gesondert und vom Sozialrecht unabhängig zu bestimmen. Natürliche Personen sind nicht selbstständig, soweit diese derart in ein Unternehmen eingegliedert sind, dass sie weisungsgebunden sind. Bei juristischen Personen fehlt es an der Selbstständigkeit, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich oder organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert und somit Organgesellschaften sind. Jedoch schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Rechnung für ungültig zu erklären und sie zu berichtigen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Da der Arbeitgeber im Regelfall einen Vorsteuerabzug durchgeführt hat, liegt grundsätzlich eine Gefährdung des Steueraufkommens vor. Diese kann dadurch beseitigt werden, dass der Arbeitgeber im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung zur Rückzahlung der Vorsteuer aufgefordert wird oder er freiwillig eine Berichtigung des unzutreffenden Ausweises der Vorsteuer in den Rechnungen vornimmt.Sofern die Steuerfestsetzung nicht in einer bestimmten Festsetzungsfrist erfolgt, liegt Festsetzungsverjährung vor. Diese Frist beträgt grundsätzlich vier Jahre seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist; im Fall von Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung beträgt die Festsetzungsfrist zehn bzw. fünf Jahre. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung und verjähren in fünf Jahren. - 4.4 Gewerberechtliche Folgen
Spätestens mit Feststellung der Scheinselbstständigkeit endet auch die unternehmerische Tätigkeit für das betriebene Gewerbe. Dies heißt, das Gewerbe muss abgemeldet werden. Auch die gesetzliche Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer und die gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft enden zu diesem Zeitpunkt.
- 4.5 Strafrechtliche Folgen
Darüber hinaus ist auch mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen.
Ein Arbeitgeber macht sich wegen Beitragsvorenthaltung strafbar, wenn er Beiträge des Arbeitnehmers nicht abführt. Dies können Beiträge zur Kranken-, Renten- und Sozialversicherung sein. Da es an einem eigenständigen strafrechtlichen Arbeitgeberbegriff fehlt, wird im Strafrecht auf den sozialrechtlichen Arbeitgeberbegriff zurückgegriffen. Arbeitgeber ist also derjenige, der als Dienstberechtigter auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags von einem anderen (Arbeitnehmer) die Erbringung von Arbeitsleistungen in persönlicher Abhängigkeit zu fordern berechtigt und ihm dafür zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Maßgebliches Kriterium ist die persönliche Abhängigkeit. Diese erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse, nicht die vertragliche Ausgestaltung. Arbeitgeber kann also auch derjenige sein, der Scheinselbstständige beauftragt. Nimmt der Arbeitgeber irrtümlich an, ein Beschäftigungsverhältnis läge nicht vor, obwohl es sich tatsächlich um Scheinselbstständigkeit handelt, kann insoweit der Vorsatz entfallen. Dagegen wird man von (bedingtem) Vorsatz ausgehen müssen, wenn sich der Scheinselbstständige vertraglich verpflichtet, im Innenverhältnis die Arbeitnehmerbeiträge zu übernehmen, falls eine Überprüfung ihn als solchen qualifiziert.
Sofern entsprechende Steuern nicht oder nicht in voller Höhe gezahlt worden sind, kommt daneben auch die leichtfertige Steuerverkürzung (Ordnungswidrigkeit) in Betracht. Sollte die Scheinselbstständigkeit vorsätzlich konstruiert worden sein, liegt sogar eine Steuerhinterziehung (Straftat) vor. In beiden Fällen besteht allerdings die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige (vgl. §§ 371 Abs. 1 und 378 Abs. 3 AO). Die Abgabe einer Selbstanzeige scheitert bei Scheinselbstständigen allerdings häufig daran, dass mit einer richterlichen Anordnung zur Durchsuchung der Räumlichkeiten des angeschuldigten Arbeitgebers die Einleitung eines Strafverfahrens ihm gegenüber bekannt gegeben ist und damit eine Sperrwirkung eintritt, die einer Straffreiheit entgegensteht. Nachrangig kommt auch die Gefährdung von Abzugssteuern in Betracht. Danach handelt der Arbeitgeber ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig einer Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung der Lohnsteuer nicht nachkommt. - 5. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige
Ist ein Unternehmer kein Scheinselbstständiger, hat keine sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und arbeitet nur für einen Auftraggeber, so ist er nach der neuen Rechtslage als „arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger“ zu behandeln. Damit wird der Selbstständige grundsätzlich rentenversicherungspflichtig. Er hat seine Beiträge in vollem Umfang selbst zu zahlen und sich sofort beim zuständigen Rentenversicherungsträger (DRV) anzumelden.
In folgenden Fällen können Sie sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen:
- Erstmalige Existenzgründer: Befreiungsmöglichkeit für drei Jahre ab Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit.
- Existenzgründer (im 2. Versuch): Befreiungsmöglichkeit für weitere drei Jahre ab Aufnahme der zweiten selbstständigen Tätigkeit (gilt nicht, wenn erste Tätigkeit lediglich umbenannt wird bzw. keine wesentliche Veränderung des Geschäftszwecks erfolgt).
- Vollendung des 58. Lebensjahrs: generelle Befreiungsmöglichkeit, wenn die betreffende Person bereits selbstständig ist und die Versicherungspflicht erstmalig aufgrund der Regelungen zum „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen“ eintritt.
Der Antrag kann jederzeit gestellt werden. Wird er innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht gestellt, so wirkt die Befreiung von Beginn an. Wird der Antrag nach Ablauf von drei Monaten gestellt, so tritt die Befreiung mit Eingang des Antrages ein.
Sonderfall Handelsvertreter: Mit dem Wegfall der Vermutungskriterien ist auch die Ausnahmeregelung für Handelsvertreter hinfällig geworden. Entscheidend für die Frage ihrer Selbstständigkeit ist damit, ob sie ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können (§ 84 Abs. 1 S. 2 Handelsgesetzbuch). Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, können auch Handelsvertreter scheinselbstständig sein. Indizien dafür sind beispielsweise Umsatzvorgaben, eng angelegte Kontrollen des Arbeitgebers, Pflichtanwesenheit, vorgegebene Pflichttermine bei Kunden, Tourenpläne, Urlaubsabstimmung mit dem Auftraggeber sowie das Verbot, Angestellte einzustellen.Adresse der Deutschen Rentenversicherung Bund:Ruhrstraße 210704 BerlinTel. (030) 86 51Fax (030) 86 52 72 40E-Mail: drv@drv-bund.de
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