IHK Berlin
Wirtschaft zieht Halbzeitbilanz: Wenig Licht, viel Schatten
Zur Halbzeit der Legislaturperiode haben Mitglieder der Vollversammlungen von IHK Berlin und Handwerkskammer Berlin im Rahmen einer Umfrage die bisherige Senatsarbeit bewertet und die wichtigsten Baustellen für die verbleibende Zeit bis zu den nächsten Abgeordnetenhauswahlen definiert. Das Ergebnis fällt aus Sicht der Wirtschaft ernüchternd aus. Defizite gibt es aus ihrer Sicht vor allem auf den für die Stadt wichtigen Zukunftsfeldern Wohnungsbau, Infrastruktur und öffentliche Verwaltung.
Lediglich sechs Prozent der Befragten halten die Politik des Senats für geeignet, Investoren zu Engagement in Berlin zu bewegen. 59 Prozent bewerten dagegen die Investorenfreundlichkeit mit „schlecht“. Auch bei der Frage, ob der Senat die Leistung der Unternehmen für die Stadt wertschätzt, fallen die Antworten eindeutig aus: Hier halten mehr als 50 Prozent der Befragten die Wertschätzung für unzureichend. Bei den Themen Bauen, Verwaltung und Verkehr haben rund zwei Drittel der befragten Mitglieder die Senatsarbeit mit „schlecht“ bewertet. Weniger als fünf Prozent der Befragten bewerteten hier die Senatsarbeit mit „gut“. Auch bei der Verbesserung der Ausbildungsreife von Jugendlichen ist die Unzufriedenheit groß: Hier votierten 63 Prozent der Befragten mit „schlecht“, weitere 25 Prozent mit „mittelmäßig“. Nur wenig besser fallen die Ergebnisse beim Thema Digitalisierung aus: Hier halten 56 Prozent der Befragten die Arbeit des Senats für schlecht, 36 Prozent für mittelmäßig. In der Umfrage war auch nach der Investorenfreundlichkeit des Senats gefragt worden. Hier stellten 59 Prozent der Kammermitglieder dem Senat ein schlechtes Zeugnis aus, 30 Prozent finden die Arbeit „mittelmäßig“.
„Dieses Umfrageergebnis ist ein Warnschuss“, so IHK-Präsidentin Dr. Beatrice Kramm. „Die Zwischenbilanz ist eine Ernüchterung für alle, die sich von dem neuen Senat wirtschaftspolitische Impulse erwartet haben. Neben richtigen Dingen wie der angestoßenen Verwaltungsmodernisierung, dem Siemens-Campus oder der Schulbauoffensive werden aus Sicht der Wirtschaft die drängenden Probleme der Stadt nicht gelöst. Ihr Ziel, ‚Solidarisch, weltoffen, nachhaltig‘ zu agieren hat diese Koalition bislang deutlich verfehlt. Viele Senatsmitglieder sind vielmehr solidarisch und nachsichtig mit denen, die verantwortungslos mit dem wirtschaftlichen Potenzial dieser Stadt spielen. Verantwortliches Regieren wäre hingegen, sich von den Zwängen der Klientelpolitik zu trennen und das Wohl der ganzen Stadt in den Blick zu nehmen. Daran werden wir den Regierenden Bürgermeister und seinen Senat messen.“
Der Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz: „Die Berliner Wirtschaft sagt ganz eindeutig: Der Senat hat sich verfahren. Der eingeschlagene Weg kann nicht der Richtige sein. Der Berliner Senat muss jetzt seine politische Richtung ändern. Mehr als die Hälfte der Unternehmer sagt, dass die Baupolitik des Senats dringend verbessert werden muss. 51 Prozent sehen in diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf. Besonders schädlich ist die Diskussion um die Enteignung von Immobilien. Wir brauchen Investoren und deren Investitionen in unseren Wohnungsmarkt. Wir brauchen sie jetzt und wir brauchen sie schnell.“
Zu den Top Prioritäten für die verbleibenden zweieinhalb Jahre gehören nach Ansicht der Unternehmer deshalb folgerichtig vor allem die Verkehrspolitik, die Modernisierung der Berliner Verwaltung, die Baupolitik und der digitale Strukturwandel.
„Berlin ist eine großartige Stadt. Wir, die Unternehmen, wollen, dass es so bleibt und leisten gern unseren Anteil daran, denn wir sind Teil der Stadtgesellschaft“, so Beatrice Kramm. „Aber jeder Unternehmer weiß auch: Wer sich zu lange auf seinen Erfolgen ausruht und sein Unternehmen nicht fit für die Zukunft macht, wird eher früher als später bestraft. Berlin hat die Chance, zu einem Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zu werden. Der Senat hat noch zweieinhalb Jahre Zeit, die Weichen für eine zukunftssichere Politik zu stellen. Er sollte diese Zeit nutzen.“
Stephan Schwarz: „Der Wirtschaftsverkehr ist die Lebensader einer Großstadt. Er sollte durch zweckmäßige, eigene Regelungen im Mobilitätsgesetz am Leben gehalten werden. Das Lastenfahrrad ist leider nicht das Allheilmittel für den Wirtschaftsverkehr einer Millionenstadt. Insbesondere die Diskussion um Dieselfahrverbote hat die Unternehmen massiv verunsichert und verhindert zukunftsfähige Investitionen in den eigenen Fuhrpark.“