28. Oktober 2016
Ausbildungsplatzabgabe geht an der Realität des Ausbildungsmarktes vorbei
Eine Ausbildungsplatzabgabe, so wie derzeit in den Koalitionsverhandlungen diskutiert, wird nach Ansicht der IHK Berlin nicht zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze beitragen. Zunächst sollte der Senat die Defizite in der Bildungspolitik aufarbeiten, bevor die Berliner Unternehmen mit einer Strafsteuer zur Kasse gebeten werden.
Die Realität auf dem Ausbildungsmarkt ist anders als die Verhandlungsgruppe suggeriert: Mit Ausbildungsbeginn Anfang September waren noch rund 5.200 Plätze unbesetzt, gleichzeitig liegt das Ausbildungsplatzangebot der Berliner Wirtschaft auf Rekordniveau. Laut IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage kann mehr als jeder dritte Ausbildungsbetrieb nicht mehr alle Plätze besetzen und mehr als jeder zehnte erhält gar keine Bewerbungen mehr für ausgeschriebene Stellen. Zur LastMinuteBörse für Ausbildungsplätze der Arbeitsagenturen, der IHK Berlin und der Handwerkskammer Berlin erschienen nur 875 der 6.400 unversorgten Jugendlichen. 85 Prozent dieser Jugendlichen blieben trotz persönlicher Einladung der Nachvermittlungsmesse fern und entzogen sich damit Vermittlungs- und Beratungsangeboten.
Auch der heute vorgestellte Bildungstrend der Kultusministerkonferenz zeigt: Solange Berlin zu den schwächsten Bundesländern zählt, muss der Senat für den Ausbildungsmarkt qualifizierte Schulabgänger sorgen. Darüber hinaus werden mutige neue Konzepte für die Reform der Oberstufenzentren und Berufsschulen benötigt. Zudem müssen die Strukturen für die Zusammenarbeit von Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen verbessert werden. Nur so kann der Akademisierungstrend gestoppt werden. Derzeit beginnen in Berlin jährlich doppelt so viele Jugendliche ein Studium wie eine Ausbildung. 2005 hielten sich Studien- und Ausbildungsanfänger noch die Waage.
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin: „Angesichts dieser Situation von einem Angebotsmangel zu sprechen, ist Realitätsverweigerung. Nicht Plätze fehlen, sondern qualifizierte und motivierte Bewerber. Die Politik muss ihre Hausaufgaben machen, statt für die Bildungsprobleme der Hauptstadt die Berliner Unternehmen zur Kasse zu bitten. Die rote Laterne, die Berlin im heute vorgestellten Bildungstrend erhalten hat, zeigt, wie drängend eine Qualitätsoffensive für die Schulen ist, um die Ausbildungsreife der Absolventen zu verbessern. Zudem: Gerade kleine und mittlere Unternehmen werden doppelt bestraft, wenn sie trotz angebotener Ausbildungsplätze bei Nichtbesetzung eine Sonderabgabe zahlen. Zusätzlich bestraft sie Betriebe, die aufgrund ihrer Qualifikationsstruktur ihren Nachwuchsbedarf zum Beispiel über Traineeprogramme oder dual Studierende decken. Sie erhöht die Lohnnebenkosten, verursacht einen enormen Bürokratieaufwand und wirft viele neue Fragen hinsichtlich der Ausgestaltung der Kriterien auf.“
Eine Pressemitteilung der IHK Berlin vom 28. Oktober 2016