IHK Berlin
Standortfaktor Verwaltung
Die Pandemie hat die Grundstrukturen der Berliner Verwaltung erschüttert. Jahrzehntelange Personalengpässe vor allem im Gesundheitsbereich traten stärker denn je in Erscheinung, komplizierte Prozesse erschwerten die Pandemiebekämpfung. Als verhängnisvollste Baustelle erwies sich der Digitalisierungsgrad der Verwaltung, von der Infrastruktur über die technische Homeoffice-Fähigkeit bis zu den Fachverfahren. Zur Halbzeit des Zukunftspakts Verwaltung zeigte sich: Der Handlungsbedarf bleibt erhalten.
Zeit für große Schritte
Im Oktober 2020 wurde Berlin in seinem heutigen Zuschnitt 100 Jahre alt. Festlichkeiten zu diesem runden Geburtstag „Groß-Berlins“ ließ die Pandemie nicht zu. Stattdessen unterstrich sie deutlich den fortbestehenden Modernisierungsbedarf in der Berliner Verwaltung. Das Reformprojekt Zukunftspakt Verwaltung, das Senat und Bezirke 2019 auf den Weg gebracht hatten, enthält zahlreiche Projekte, um diesen vielschichtigen Bedarf zu adressieren. Die IHK Berlin hat die zügige Umsetzung der Reformen eingefordert und dabei insbesondere kritische branchenübergreifende Unternehmensbedarfe verdeutlicht. Bis zuletzt waren es zwar wichtige aber eher kleinteilige Umsetzungserfolge, die der Pakt verbuchen konnte. Im Dezember 2020 konnte sich der Senat schließlich auf einen Gesetzentwurf einigen, der auf eine Reihe „dickerer Bretter“ abzielte. Zentrale Strukturprojekte wie die Festschreibung fachlicher Zielvereinbarungen zwischen Senat und Bezirken, die berlinweite Vereinheitlichung der Bezirksämter sowie die Stärkung der Bezirksbürgermeister befinden sich damit im Gesetzgebungsprozess und lassen auf strukturelle Verbesserungen in der gesamtstädtischen Steuerung hoffen.
Raus aus dem Personalengpass
Die Berliner Verwaltung hat auf dem umkämpften Fachkräftemarkt oft schlechte Karten. Nicht nur mit der Wirtschaft konkurriert man um die guten Leute, sondern auch mit Brandenburg und dem in Berlin stark vertretenen Bund. Um die Situation zu verbessern gibt es Stellschrauben: Schlanke Bewerbungsprozesse, bessere Bezahlung, flexible Karrierelaufbahnen. Es gibt aber auch einen Mangel in Auftritt bzw. Wahrnehmbarkeit. Die Berliner Verwaltung braucht einen Wiedererkennungswert als attraktive Arbeitgebermarke. Die teils dramatischen Engpässe wurden während der Pandemie besonders deutlich. Nicht nur die Gesundheitsämter waren betroffen. In den Kfz-Zulassungsstellen dehnten sich die Bearbeitungszeitraum in Folge der Überlastung auf ein zwischenzeitlich unzumutbares Maß aus. Durch enge Betreuung und Abstimmung konnte ein neuer Arbeitsmodus, in dessen Entwicklung sich auch die IHK Berlin eingebracht hat, etabliert und wieder kürzere Zulassungszeiträume ermöglicht werden.
Digitale Großbaustelle
In der Corona-Krise wurde die Dringlichkeit für eine digitale Verwaltung umso deutlicher. Nur 11% aller Mitarbeiter verfügten zeitweise über ausreichend mobile Ausstattung (Hardware + VPN-Verbindung), um auch aus dem Homeoffice arbeitsfähig zu sein. Von 100.000 Mitarbeitern verfügten nur 11.500 über mobile Rechner. Dabei variierte diese Ausstattung je nach Bezirk und Senatsverwaltung. In manchen Bezirken und Senatsverwaltungen waren bis zu 90% der Mitarbeiter homeoffice-fähig, in anderen gar keine. Die Folge: Anträge werden in einigen Bereichen verzögert oder gar nicht bearbeitet, Informationen über Eingang und Bearbeitungsstand bleiben teilweise aus. Generell müssen die wirtschaftsrelevanten Fachverfahren der Senats- und Bezirksverwaltungen prozessoptimiert und digitalisiert werden. Die IHK Berlin hat im Rahmen der Digitaloffensive und des Digitalen Endspurts für die verbleibende Zeit der Legislaturperiode die Top-Leistungen identifiziert, die aus Sicht der Unternehmen an dringlichsten digitalisiert werden müssen. Zudem forderte die IHK Berlin den Aufbau eines rein digitalen Bürgeramtes, das die Verfahren zunächst „auf der grünen Wiese“ entwickelt und pilotiert, um sie anschließend in allen Bezirken schrittweise verfügbar zu machen.
Außergerichtliche Streitbeilegung: Neuer IHK- Konfliktnavigator
Die außergerichtliche Streitbeilegung wird nicht nur, aber auch aufgrund der Coronakrise immer wichtiger. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Störungen in Lieferketten und von wirtschaftlichem Druck geprägte Gewerbemietverhältnisse sind Fallkonstellationen, in denen derzeit erhöhtes Konfliktpotential besteht und die sich besser außergerichtlich als vor staatlichen Gerichten lösen lassen. Daher ist es auch wichtig, in Neuverträge bereits präventiv Konfliktlösungsklauseln aufzunehmen. Oft fällt es aber schwer, den richtigen Weg der außergerichtlichen Streitbeilegung und die passende Vertragsklausel zu finden. Hier kann der IHK-Konfliktnavigator helfen, den die IHKs gemeinsam im Jahr 2020 entwickelt haben. Dabei handelt es sich um ein kostenloses online-Tool, das Unternehmen bei der Konfliktlösung ohne Gericht unterstützt. Dieses bietet interaktive Wege zur Prävention und Lösung von Konflikten: Unternehmen können damit individuell zugeschnittene Musterklauseln erstellen und den richtigen Lösungsweg für ihren Fall finden. Besonders praktisch sind die Links zu den regionalen Ansprechpartnern und die Option, die Ergebnisse aus dem Tool heraus mit anderen zu teilen.
Nähe Informationen zum Konfliktnavigator finden Sie hier.