Politische Positionen

Bildung, Fachkräfte und Arbeitsmarkt

Das Corona-Krisenjahr führte am Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu großen Verwerfungen. Branchen, die noch 2019 Treiber der Berliner Beschäftigungsquote waren, mussten 2020 für ihre Belegschaft Kurzarbeit beantragen. Flexibilität und Digitalisierung in der Bildung und Verwaltung waren unerlässlich und prägten die Diskussion mit allen relevanten Stakeholdern. Denn der Fachkräftemangel ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die sowohl die Wirtschaft als auch Politik und Zivilgesellschaft angeht. Die IHK Berlin stellte zügig viele ihrer Prozesse auf digitale Angebote um und blieb so auch im Krisenjahr 2020 für die Berliner Unternehmen, Fachkräfte und Auszubildende ein verlässlicher Ansprechpartner – um die Attraktivität der Wirtschaftsstandorts Berlin hochzuhalten und dem Fachkräftemangel mit vereinten Kräften begegnen zu können.

Arbeitsmarkt im Umbruch

Die Corona-Krise hat weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt: Ende des Jahres 2020 verzeichnete Berlin über 50.000 Arbeitslose mehr als noch Ende 2019. Auf Basis kontinuierlichen Monitorings und der Analyse der Entwicklungen wurden Handlungsvorschläge für die Landes- und Bundespolitik erarbeitet. Diese wurden unter anderem auf dem Arbeitsmarktgipfel des Regierenden Bürgermeisters und mehrmals von IHK-Experten im Arbeitsausschuss des Abgeordnetenhauses eingebracht. Um gerade in Krisenzeiten die bestmögliche Verwendung der finanziellen Mittel zur Integration in den Arbeitsmarkt sicherzustellen, hat die Mitwirkung der Berliner Wirtschaft in den Beiräten der zwölf Berliner Jobcentern eine neue Qualität erreicht.
Die Kurzarbeit trägt nach wie vor maßgeblich zur Fachkräftesicherung bei. Durch digitale Informationen und Leitfäden sowie einer eigens dafür geschalteten Telefon-Hotline in Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit wurden Berliner Unternehmen bei der Anzeige und Abrechnung des Kurzarbeitergeldes unterstützt. Wie Fort- und Weiterbildung für Unternehmen auch während der Kurzarbeit gelingen kann, zeigt das IHK-Handlungspapier „Lebenslanges Lernen: Fünf Empfehlungen für krisengerecht Fort- und Weiterbildung in KMU“ auf. Dass der Senat zusätzliche Anreize in Form einer Weiterbildungsprämie schafft - ab Anfang 2021 beantragbar - hat die IHK bereits früh gefordert.

Feuerprobe für die Fachkräftesicherung

Zur Eindämmung der Pandemie wurden die Arbeitsweisen umgestellt: Rund dreiviertel der Berliner Unternehmen haben verstärkt Homeoffice genutzt. Diesen zentralen Beitrag zur Pandemiebekämpfung hat die IHK gegenüber Politik und Verwaltung stets bekräftigt. Den Mitgliedern wurden zu diesem Thema rechtliche Informationen und Checklisten zur Verfügung gestellt. Aber nicht nur Homeoffice, auch Homeschooling bzw. die Betreuung des eigenen Nachwuchses hat die Berliner Wirtschaft herausgefordert: Eine Blitzumfrage zur aktuellen Betreuungssituation unter rund 500 Unternehmen konnte im Mai pressewirksam die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des hygienekonformen Regelbetriebs im Kita- und Schulbetrieb untermauern und zeigte auf das Home-Office für viele Unternehmen eine neue Erfahrung war.

Um gerade die Situation von Unternehmerinnen in den Fokus zu rücken, brachte die IHK im August im Online-Erfahrungsaustausch zum Thema Female Leadership rund 50 weibliche Führungskräfte zur virtuellen Diskussion zusammen.
Das Video zu dem Online-Erfahrungsaustausch finden Sie hier.
Neben der dualen Ausbildung ist das Duale Studium ein Grundpfeiler der Fachkräftesicherung. Das Land Berlin hat unter Mitwirkung der IHK Berlin 2020 eine „Roadmap Duales Studium“ verabschiedet, die im Kern die Schaffung zusätzlicher dualer Studienplätze v. a. im MINT-Bereich vorsieht, verbindliche Qualitätsstandards fixiert und die Einrichtung einer Landesagentur Duales Studium empfiehlt.
Bereits vor dem Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) wurde durch die Umstrukturierung der Ausländerbehörde zum Landesamt für Einwanderung ein positives Signal für Migration und Willkommenskultur in Berlin gesetzt. Die IHK Berlin hat diesen Prozess partnerschaftlich begleitet. Doch die durch das neue Gesetz erwartete Zuwanderungsdynamik blieb coronabedingt aus. Der Business Immigration Service der IHK Berlin und ihrer Partner waren trotz allem sehr gut auf die neuen aufenthaltsrechtlichen Verfahren, insbesondere auf das „beschleunigte Fachkräfteverfahren“, vorbereitet. Die IHK Berlin hat im Jahr 2020 mit insgesamt 600 Beratungen zur Erwerbsmigration Unternehmen und Fachkräfte unterstützt. Insgesamt 68 Anträge wurden davon im Zuge des beschleunigten Verfahrens in Berlin positiv beschieden. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer zwischen dem Antragseingang und Erteilung der Vorabzustimmung des Landesamtes für Einwanderung lag bei 31 Tagen.
Weitere Informationen zur Weltweiten Fackräftegewinnung können Sie nachlesen.

Bildungsqualität als nachhaltige Investition

Seit 10 Jahren engagiert die IHK Berlin als Netzwerkpartner für das Haus der kleinen Forscher, um dem Fachkräftemangel – insbesondere in den MINT-Berufen – frühzeitig zu begegnen. Das große Jubiläum konnte leider nur in kleinem Rahmen mit der Berliner Staatssekretärin Sigrid Klebba und dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Michael Fritz in der IHK Berlin gefeiert werden. In zehn Jahren Haus der kleinen Forscher in Berlin wurden rund 3.400 PädagogInnen und 1.418 Kitas, Horte und Grundschulen darin unterstützt, den Forschergeist von Kindern zu stärken. 2020 wurde das Angebot zudem durch digitale Fortbildungen erweitert. Besonders erfreulich: Auch im Krisenjahr haben sich viele Einrichtungen als „Haus der kleinen Forscher“ zertifizieren lassen.
Hier erfahren Sie hier mehr zu den Voraussetzungen für Partner und Unterstützer: Sponsoren und Unterstützer.
Nachhaltig wirkende Angebote, wie das Haus der kleinen Forscher, sind Zeichen der Hoffnung im Berliner Bildungssystem. Die von der Bildungssenatorin Sandra Scheeres eingesetzte Qualitätskommission hat 2020 wichtige Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Verbesserung der Schulqualität formuliert. In einer gemeinsamen Anhörung vor dem Berliner Abgeordnetenhaus unterstützte die IHK Berlin die Kommission und zeigte den Abgeordneten die Auswirkungen der Berliner Bildungskrise auf die Duale Ausbildung auf.

Bewerber digital abgeholt

Fand die beliebte Ausbildungsmesse JOBSNAP im März noch mit mehr als 40 Unternehmen und knapp 700 Besuchern live statt, stellte die IHK Berlin das Thema Ausbildungsplatzbesetzung im Sinne der Ausbildungsbetriebe zügig auf digitale Kanäle und Formate um. #ZukunftAusbildung stand für die erste digitale Matching-Messe mit mehr als 80 Ausbildungsunternehmen der IHK Berlin und der Handwerkskammer Berlin. Es gab eine Berufsorientierungs-Hotline für Bewerber und Eltern, Berufsorientierungs-Webinare sowie ein E-Mail Einladungsservice für all diese Angebote. Durch die Ausrichtung des Marketings auf digitale Kanäle wurden mehr als 7.800 Klicks auf der Website zum Summer-Special generiert und der IHK-Instagram-Kanal zur Ausbildung wurde von der Zielgruppe gut angenommen. Um Betriebe für ein gelingendes Azubi-Marketing auch in der Krise zu rüsten, entwickelte die IHK Berlin ein Whitepaper zur optimalen Ansprache ausbildungsinteressierter Jugendlicher und stellte viele weitere Tipps zu digitalem Ausbildungsmarketing und Azubi-Recruiting auf der IHK-Website online.
Das schnelle Handeln der IHK Berlin und die Umstellung auf digitale Formate konnte aber natürlich in der Fläche nicht die fehlende Berufsorientierung durch Schulschließungen und der deutlichen Reduzierung der Beratungsangebote durch die Jugendberufsagentur auffangen. Sowohl die Anzahl der gemeldeten Bewerber als auch der abgeschlossenen Ausbildungsverträge reduzierten sich 2020 gegenüber den Vorjahren deutlich.
Im vergangenen Jahr gab es für Politik und Verwaltung ein böses Erwachen: Die jahrelangen Verzögerungen bei der Digitalisierung der Berliner Schulen führte dazu, dass mit Aussetzen des Präsenzunterrichtes es für viele Schüler keine Bildungsangebote mehr gab. Weder die vom Land Berlin entwickelte Lernplattform noch die digitalen Kompetenzen der Lehrer haben in der Breite den Stresstest bestanden. Die IHK Berlin mahnt seit Jahren ein höhere Priorität der Digitalisierung und ging zügig mit konkreten Handlungsempfehlungen auf die Politik zu.
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Die IHK Berlin beriet Politik und Verwaltung mit eigenen Handlungsempfehlungen zur Bewältigung der Krise und entwickelte einen Aktionsplan Ausbildung. Sie wurde mehrfach als Expertin in das Abgeordnetenhaus geladen und setzte sich für Unterstützungsmaßnahmen zur Fortführung bestehender Ausbildungsverhältnisse wie auch zur Stellung und Besetzung neuer Ausbildungsplätze ein. So wurden u.a. auch zeitversetzt im Februar 2021 neue Berufsschulklassen angeboten, die Berliner Richtlinienförderung krisengerecht angepasst und die Ausbildungsprämien des Bundes verlängert und erweitert.

Beratungsangebote und Unterstützung bei der Ausbildung verstärkt

Betriebsschließungen, digitaler Unterricht, Praxisvermittlung auf Abstand - in der Ausbildung hat die Corona-Pandemie die Berliner Betriebe vor nie gekannte Herausforderungen gestellt. Um die Betriebe bei aktuellen Themen beispielsweise zur mobilen Ausbildung, zur Kurzarbeit bei Azubis oder zur Bescheinigung für die Ausbildungsprämie bestmöglich zu unterstützen, hat die IHK Berlin ihre bekannten Beratungs- und Veranstaltungsangebote binnen weniger Tage auf digitale Formate umgestellt, eine zusätzliche Hotline für Schüler aufgebaut sowie FAQ veröffentlicht. So konnte die IHK Berlin sicherstellen, dass sie die Ausbildungsberatung für Betriebe und Azubis sogar in verstärktem Maße durchführen und dabei auch auf die spezifischen Corona-Fragestellungen eingehen konnte.
Mit den politischen Partnern wurden innerhalb der Task Force Ausbildung Unterstützungsangebote für besonders betroffene Branchen diskutiert. Innerhalb weniger Monate wurde ein Ausbildungshotel geschaffen, das Azubis aus Insolvenzbetrieben und junge Menschen, die eine berufliche Karriere in der Hotellerie oder Gastronomie anstreben, auffangen kann. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales hat die IHK Berlin eine Pop-up-Prüfungsvorbereitung für Koch-Azubis geschaffen, die kurz vor der Abschlussprüfung standen.
Um das digitale Lernen sowie die Prüfungsvorbereitung in allen Branchen zu unterstützen, hat die IHK Berlin außerdem Tipps zu diesen Themenkomplexen zusammengestellt.
Die Tipps zum Digitalen Lehren und Lernen in der Ausbildung finden Sie hier.

Kein Lockdown in den virtuellen Klassenzimmern der IHK

Während das Coronajahr 2020 natürlich auch für die IHK-Weiterbildung eine Herausforderung bedeutete, bot es gleichzeitig eine große Chance: Die Digitalisierung war nicht mehr nur Lehrgangsinhalt, sondern schnell gelebte Praxis. Dort, wo es möglich war, wurden bestehende Formate zügig ins virtuelle Klassenzimmer überführt. Hier zeigten sich alle IHK-Dozentinnen und -Dozenten weiterbildungsfreudig und flexibel. Zudem wurden 15 neue virtuelle Weiterbildungen in das Portfolio aufgenommen, die nun in unterschiedlichen Formaten angeboten werden. Für langlaufende Lehrgänge deutet sich bereits heute an, dass das Blended Learning, also die Verzahnung von digitalem Unterricht und Präsenzphasen, dem Zeitgeist des flexiblen Lernens entspricht und sich als Format auf Dauer auch für die IHK etablieren wird.

IHK-Prüfungen verschoben und hygienekonform nachgeholt

Die IHK Berlin hat im Frühjahr 2020 im Zuge der sich ausbreitenden Corona Pandemie alle schriftlichen IHK-Prüfungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung bis einschließlich Mai 2020 abgesagt. Eine sichere und ordnungsgemäße Durchführung der bundesweit einheitlichen IHK-Prüfungen war objektiv unmöglich geworden. Rund 7.000 Prüfungen in 90 Berufen, die Corona-bedingt nicht stattfinden konnten, wurden unter Einhaltung aller Hygienestandards bis zum Ende des Ausbildungsjahres im September nachgeholt. Damit stellte die IHK Berlin sicher, dass fast alle Ausbildungsverhältnisse regulär und wie geplant beendet werden konnten. Das große Engagement der ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfer bildete die Basis für diesen Erfolg.

Berufszugang - verlässlich auch in Krisenzeiten

Mit abgestimmten Hygienekonzepten hat die IHK Berlin, auch in Zeiten der Covid19-Pandemie, Unterrichtungen sowie Sach- und Fachkundeprüfungen durchgeführt und ist damit, der verstärkten Nachfrage aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen gerecht geworden. Dabei wurde die Digitalisierung sowohl bei den Organisationsprozessen als auch bei den PC-Prüfungen selbst, mit einer Steigerungsrate von 20 % weiter vorangebracht. Einen Zuwachs konnte auch bei den Registrierungen im Rahmen von Erlaubnisverfahren für gewerbliche Tätigkeit verzeichnet werden. Das Vertrauen in die Versicherungsbranche wurde mit 366 Überprüfungen zur Einhaltung der Weiterbildungsverpflichtung bei Versicherungsvermittlern gestärkt.