Standortpolitik

Mittelstandscheck

Zur Einordnung und Bewertung der ersten sieben Monate der laufenden Legislaturperiode wurden die Unternehmen zwischen dem 9. bis 22. November nach ihrer Einschätzung befragt:

Bildung

  • Seit dem Amtsantritt des neuen Senats gibt es deutliche Signale, dass die Herausforderungen in der Bildung endlich pragmatisch und lösungsorientiert angegangen werden. Das Kita-Chancenjahr und die Einsetzung eines dritten Staatssekretärs für Schulbau und Schuldigitalisierung sind unseres Erachtens erste richtige Weichenstellungen für eine nachhaltige Verbesserung des Systems. Umso bedauerlicher ist es, dass Teile des Senats weiter Energie und Ressourcen in fehlgeleitete Projekte wie die Ausbildungsumlage investieren wollen.
  • Wenige Unternehmen sind mit den Basiskompetenzen zufrieden, mit denen Ausbildungsbewerber bei ihnen vorstellig werden. Dies bestätigt die Berliner Ergebnisse aktueller Vergleichsarbeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik.
  • Besonders unzufrieden sind die Unternehmen mit der aktuellen Umsetzung der Berufsorientierung an Berliner Schulen. So wurde im aktuellen Koalitionsvertrag verankert, das Unterrichtsfach „Wirtschaft-Arbeit-Technik“ (WAT) an Gymnasien verpflichtend zu gestalten und Berufsorientierung flächendeckend in die Umsetzung zu bringen. Bislang ist die Berufsorientierung aber weiterhin nicht in allen Schulformen im notwendigen Maße präsent.

Fachkräftepolitik

  • Laut KOA-Vertrag soll eine Fachkräftestrategie samt klarer Zuständigkeiten für das Thema Fachkräfte erarbeitet werden. Hierzu fehlt der konkrete Umsetzungsfahrplan.
  • Gut ist, dass ein digitales Willkommenszentrum geschaffen werden soll, das die zentrale Anlaufstelle der Beauftragten für Integration und Partizipation für alle Menschen mit Migrationsgeschichte erweitert.
  • In Hinblick auf die Unternehmensbefragung zeigt sich, dass die Bewertung der Arbeitsmarktpolitik des Senats nicht so schlecht abschneidet wie andere Politikbereiche. Immerhin ein gutes Drittel unserer Stichprobe zeigt sich mit den Leistungen auf Landesebene hier eher zufrieden. Allerdings fehlen auch gänzlich die „Fans“, denn vollends zufrieden mit der Leistung des Senats ist eben auch niemand.

Stadtentwicklung

  • Grundsätzlich spiegeln uns unsere Mitgliedsunternehmen eine große Unzufriedenheit bei der Verkehrspolitik. Immer noch werden einzelne Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt, dabei wäre der Umbau von Straßen im Sinne aller Verkehrsteilnehmer sinnvoll.
  • Beim Wirtschaftsverkehr warten wir auf Umsetzen, beim allgemeinen 29-Euro-Ticket können wir darauf verzichten. Dieses Ticket ist pure Geldverschwendung und unsolidarisch. Das Ticket wird für die kommenden drei Jahre unseren Haushalt um fast eine Milliarde Euro belasten. Geld, das wesentlich sinnvoller und nachhaltiger in den Ausbau des ÖPNV investiert wäre. Dabei können viele Berufspendler schon heute ein Deutschlandticket -Job nutzen für rund 35 € im Monat und das gilt dann eben auch im C-Bereich. Dagegen macht ein 29-Euro-Ticket für Azubis Sinn und wäre zu begrüßen!
  • Die Flächenkonflikte zwischen Wohn- und Gewerbenutzung sind ein zentrales Problem für die Berliner Wirtschaft. Unsere Stadt verliert weiterhin jedes Jahr Gewerbeflächen und der Berliner Senat hat bisher keine erfolgreiche Kehrtwende in diesem Bereich vollzogen. Die Berliner Unternehmen äußern deshalb zurecht ihre überwiegende Unzufriedenheit mit der aktuellen Gewerbeflächenpolitik, wobei lediglich 1 Prozent der Befragten angibt, zufrieden zu sein, 29 Prozent eher zufrieden. Diese Unzufriedenheit erstreckt sich über alle Aspekte, darunter das Angebot an Standortoptionen, die Entwicklung von Potenzialflächen und die Unterstützung des Senats bei der Suche nach neuen Gewerbeflächen.

Innovation

  • Transfer Wirtschaft – Wissenschaft am Standort: Über die Hälfte der befragten Unternehmen ist unzufrieden mit der Berliner Transferpolitik, insbesondere der so wichtige Zugang für KMU zum akademischen Fachkräftenachwuchs wird kritisch bewertet. Die ab Januar für fünf Jahre geltenden Hochschulverträge hätten die Chance geboten, die regionale Verflechtung von Mittelstand und Wissenschaftsexpertise aus den Hochschulen zu stärken. Berlin kann sich nur als innovative Wachstumsmetropole etablieren, wenn Forschungswissen hier am Standort in Wertschöpfung gebracht wird.
  • KI-Ökosystem Berlin: Der Senat hat in den Leitlinien der Regierungspolitik angekündigt, Berlin als bundesweit führenden Standort für KI zu etablieren und Anreize zu schaffen, um Gründer und Investoren nach Berlin zu locken. Stand jetzt fehlt die sichtbare und entschlossene Umsetzung.

Verwaltung

  • Grundsätzliche politische Bewegung gibt es beim Thema Verwaltung seit Jahrzehnten aber das heißt noch nicht, dass davon viel bei Bürgern und Unternehmen ankommt.
  • Bei keinem Thema wartet die Berliner Wirtschaft länger auf spürbare Verbesserungen. Dieser Frust spiegelt sich im Umfrageergebnis deutlich wider.
  • Für Unternehmen werden politische Programme erst dann zu Erfolgen, wenn sie sich positiv im Alltag niederschlagen. Der Zukunftspakt Verwaltung (2019), Reformeckpunkte R2G (2022/2023), Klausur Senat/Bezirke (2023) – allesamt wichtige politische Erfolge. Für Politiker.
  • Berlin verwaltet die Verwaltungsmodernisierung, anstatt sie umzusetzen. Solange dieses Problem nicht gelöst wird, wird sich die operative Verwaltungsperformance nicht verbessern. Zum Leidwesen der Kunden und der Verwaltungsbeschäftigten.
  • Die (befragten) Unternehmen sind hochgradig unzufrieden mit der Berliner Verwaltung. Egal, ob allgemeine politische Reformagenda, digitales Leistungsangebot oder Serviceorientierung: die Unternehmen sind mit überwältigender Mehrheit unzufrieden mit der Performance der öffentlichen Verwaltung und der Rolle der Politik dabei.