Berliner Stadtentwicklung Aktuell
Zunehmender Verlust an Gewerbeflächen gefährdet Wirtschaftsstandort
Berlin hat ein Flächenproblem – und zwar nicht nur im Hinblick auf Wohnraum. Der sich verschärfende Mangel an verfügbaren Flächen droht zu einem strukturellen Entwicklungshemmnis für den Wirtschaftsstandort Berlin zu werden. Händler, Gastronomen, die Kreativwirtschaft, Dienstleister sowie - nicht zuletzt - die Industrie benötigen in der wachsenden Stadt Raum für Expansionen und neue Ansiedlungen. Die aktuelle Situation ist jedoch von zunehmenden Flächenkonkurrenzen und spekulativen Aufkäufen von Gewerbeflächen gekennzeichnet. In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich die IHK Berlin und 20 weitere Verbände daher an die Politik.
Wirtschaftsstandort Berlin
Berlin zeichnet sich durch die enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft aus. Innovative, kreative Köpfe finden hier hervorragende Bedingungen zum Forschen und häufig den „Übergang“ in die Praxis, sei es in einem der vielen kleinen und mittleren Unternehmen oder in der lebendigen Start-up-Szene der Stadt.
Gleichzeitig ist Berlin einer der führenden Orte Deutschlands für eine ganze Reihe an Branchen, sei es die Gesundheitswirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie, Kreativwirtschaft, Verkehr/Mobilität oder Energietechnik. Und: Berlins Wirtschaft wächst, entgegen dem Bundestrend.
Leider jedoch wachsen die Rahmenbedingungen für die Unternehmen nicht immer im selben Maße mit. Im Gegenteil: Immer häufiger trifft die wachsende Wirtschaft auf ein schrumpfendes Platz- und Flächenangebot. Hier muss dringend gegengesteuert werden.
Für Berliner Unternehmen wird es eng
Konkret: In Berlin sind seit 2015 rund 170 Hektar an gewerblicher Baufläche verlorengegangen. Eine Entwicklung, die den Bedarfen der Berliner Wirtschaft gänzlich zuwiderläuft. Laut Prognose des Stadtentwicklungsplans Wirtschaft 2030 werden bis zum Ende des Jahrzehnts Gewerbeflächen im Umfang von 210 bis 280 Hektar benötigt.
Benötigt wird aber auch Wohnraum. Bis zu 20.000 neue Wohnungen plant der Berliner Senat im Jahr zu errichten, um den Bedarf in der wachsenden Metropole zu decken.
Die Folge dieser Entwicklung für die Berliner Wirtschaft: Die Preise für gewerbliche Flächen steigen und Flächenkonkurrenzen nehmen zu, insbesondere in den zentrumsnahen und infrastrukturell gut angebundenen Lagen.
Daneben werden Betriebe zunehmenden aus zentralen Lagen verdrängt und sehen sich gezwungen, die Stadt zu verlassen, da Erweiterungsmöglichkeiten fehlen oder die hohen Bodenpreise den Erwerb verhindern.
Die Zahlen sprechen für sich: In einer aktuellen Umfrage der Handwerkskammer Berlin gibt die Hälfte der befragten Betriebe außerhalb des S-Bahnrings und 44 Prozent innerhalb des S-Bahn-Rings an, dass unzureichende Erweiterungsmöglichkeiten am bestehenden Standort der Hauptgrund für Standortverlagerungen sind.
Verlust von Gewerbeflächen konkret
Gewerbefläche, das klingt oft abstrakt. Die Bedeutung zeigt sich aber konkret im täglichen Leben und mit Blick auf die Zukunftsaufgaben der Stadt. Etwa dann, wenn die Autowerkstatt aus dem Kiez weichen muss oder der Baustoffrecycling-Betrieb nicht angesiedelt werden kann, der doch auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft so wichtig wäre.
Mitunter betrifft es ganze Areale an Gewerbeflächen, wie das Beispiel des ehemaligen Güterbahnhofs Mariendorf in Berlin-Tempelhof zeigt.
Auf dem rund 10 Hektar großen Areal sollen ca. 800 neue Wohnungen gebaut werden - ein wichtiger Beitrag, um dem Wohnungsmangel in Berlin zu begegnen. Allerdings war dieses Areal bis zur Änderung des Flächennutzungsplans zum Großteil als reine gewerbliche Baufläche ausgewiesen, die für die wachsende Berliner Wirtschaft hätte entwickelt werden können.
Auf dem rund 10 Hektar großen Areal sollen ca. 800 neue Wohnungen gebaut werden - ein wichtiger Beitrag, um dem Wohnungsmangel in Berlin zu begegnen. Allerdings war dieses Areal bis zur Änderung des Flächennutzungsplans zum Großteil als reine gewerbliche Baufläche ausgewiesen, die für die wachsende Berliner Wirtschaft hätte entwickelt werden können.
Zwar soll es auch weiterhin Gewerbe am Standort geben - u. a soll dort ein Handwerkerhaus entstehen - allerdings auf einer weitaus kleineren Fläche ohne Erweiterungspotenzial und mit deutlich näher herangerücktem Wohnungsbau. Immissionsintensives, produktionsgeprägtes Gewerbe findet hier keinen Platz.
Es ist mittlerweile fast schon symptomatisch für Berlin: Aufgrund des knappen Angebots werden Gewerbeflächen regelmäßig in Wohnungsbau- oder Mischflächen umgewandelt, obwohl die ursprünglich bestehenden Flächenpläne ausdrücklich Gewerbe vorsehen.
Es ist mittlerweile fast schon symptomatisch für Berlin: Aufgrund des knappen Angebots werden Gewerbeflächen regelmäßig in Wohnungsbau- oder Mischflächen umgewandelt, obwohl die ursprünglich bestehenden Flächenpläne ausdrücklich Gewerbe vorsehen.
Unstrittig ist, dass Berlin mehr Wohnungen benötigt. Die aktuelle Entwicklung verkennt, dass eine wachsende Wirtschaft ebenfalls ein Platzangebot benötigt. Will Berlin eine „Stadt der kurzen Wege“ sein, müssen Wohnungsbau und Gewerbe besser miteinander in Einklang gebracht werden, z. B. im Rahmen innovativer Stadtentwicklungskonzepte.
Umfrage spiegelt Dringlichkeit wider
Unternehmen brauchen Planungssicherheit, gerade als Mieter. Die Realität: Allzu oft stecken Unternehmen in befristeten Mietverhältnissen mit kurzer Laufzeit, zudem können Gewerbemieten aufgrund fehlender Regulierung enorme Steigerungen erfahren.
Diese Situation spiegelt sich auch in den Ergebnissen der jüngsten IHK-Mitgliederbefragung wider, an der 19 Gewerbevermieter und 97 Gewerbemieter aus verschiedenen Branchen teilgenommen haben. Zwei zentrale Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Situation:
Diese Situation spiegelt sich auch in den Ergebnissen der jüngsten IHK-Mitgliederbefragung wider, an der 19 Gewerbevermieter und 97 Gewerbemieter aus verschiedenen Branchen teilgenommen haben. Zwei zentrale Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Situation:
- 60 Prozent der befragten Mieter geben an, dass Ihre Verträge in den nächsten drei Jahren auslaufen.
- Zudem gibt jeder zweite Gewerbemieter an, dass eine Miet- bzw. Pachterhöhung von 22 Prozent für ihn existenzgefährdend wäre.
Unter diesen Voraussetzungen haben Unternehmen keine Planungssicherheit und können sich nicht an ihrem Standort fortentwickeln. Mitunter bliebt dann nur noch die Abwanderung in die Außenbezirke oder nach Brandenburg.
Berliner Wirtschaft wendet sich an die Politik
Um mehr Planungssicherheit zu schaffen und der Verdrängung von Gewerbe(-flächen) zu begegnen, bedarf es einer gesamtstädtischen Sicherung bestehender und einer Ausweisung neuer Gewerbeflächen. Mit anderen Worten: Für jede entfallene Gewerbefläche braucht es an anderer Stelle Ersatz.
Gemeinsam mit 20 Verbänden hat die IHK Berlin vier Instrumente für eine nachhaltige Sicherung von Gewerbeflächen definiert und diese am 13. September 2023 in Form eines Forderungspapiers an Wirtschaftssenatorin Giffey überreicht.
Die gemeinsame Erklärung können Sie hier nachlesen. Die in der Erklärung definierten Instrumente sollten nach Ansicht der Berliner Wirtschaft umgehend auf die politische Agenda gesetzt werden:
- Planerische Sicherung und Bereitstellung von Gewerbeflächen
- Innovative Stadtentwicklungskonzepte fördern und umsetzen
- Verwaltung als Schlüsselakteur stärken
- Gezielte Hilfestellung für innerstädtische Zentren anbieten
Will Berlin seine Attraktivität als Wirtschaftsstandort nicht verlieren, braucht es ein Zusammenspiel dieser verschiedenen Maßnahmen, um das Gewerbeflächenangebot zu erhöhen, geeignete Rahmenbedingungen für bezahlbare Gewerbemieten zu schaffen sowie eine bedarfsgerechte Förderlogik zu implementieren.
IHK Berlin plant Kongress zur pragmatischen Stadtentwicklung
Wie kann pragmatische, nachhaltige Stadtentwicklung in Berlin gelingen? Wie können die Bedarfe der Berliner Wirtschaft dabei effektiver berücksichtigt werden?
Unter anderem mit diesen Fragen möchte sich die IHK Berlin am Montag, den 10. Juni 2024 von 09 bis 17 Uhr im Ludwig-Erhard-Haus im Rahmen eines Kongresses zur Stadtentwicklung befassen. Die Veranstaltung richtet sich an Akteure der Berliner Wirtschaft und Politik.
Nähere Informationen zum Kongress folgen in den kommenden Wochen.
Unter anderem mit diesen Fragen möchte sich die IHK Berlin am Montag, den 10. Juni 2024 von 09 bis 17 Uhr im Ludwig-Erhard-Haus im Rahmen eines Kongresses zur Stadtentwicklung befassen. Die Veranstaltung richtet sich an Akteure der Berliner Wirtschaft und Politik.
Nähere Informationen zum Kongress folgen in den kommenden Wochen.