Juni 2023
Verwaltung im Fokus: Koalitionsvertrag und Sofortprogramm des Senats auf dem Prüfstand
Der neue Berliner Senat plant wichtige Reformprojekte für die Verwaltung. Einmal mehr kommt es nun auf die konsequente Umsetzung an – seit vielen Jahren warten Unternehmen auf echte Modernisierungserfolge, die für das Wachstum der Hauptstadt notwendig sind. In dieser Ausgabe von „Verwaltung im Fokus“ wirft die IHK Berlin einen Blick auf zentrale Vorhaben, die sich der Senat im neuen Koalitionsvertrages sowie im Sofortprogramm gesetzt hat und gibt eine kurze Einschätzung.
Struktur/Governance
Klare Zuständigkeiten festlegen
„Kern der Verwaltungsreform ist die Neuordnung der Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken auf Grundlage des Eckpunktepapiers zur Verwaltungsreform. Alle einfachgesetzlichen Reformschritte dazu werden in Abstimmung zwischen Haupt- und Bezirksverwaltung schnellstmöglich eingeleitet.“
IHK-Einschätzung
Starke Bezirke, ein starker Senat, klare Zuständigkeiten – das ist der Dreiklang, der die Koalition leiten muss. Die IHK begrüßt daher, dass der Koalitionsvertrag bei der Verwaltungsmodernisierung entsprechende Schwerpunkte setzt. Die strukturellen Reformvorschläge zur Zuständigkeitsklärung und Stärkung der Bezirke müssen höchste Priorität genießen und zügig in eine breite und konstruktive Debatte überführt werden. Vor allem das Abgeordnetenhaus und die Bezirke müssen angemessen einbezogen und ihr Input berücksichtigt werden. Berlin braucht eine erkennbare Steuerungsverantwortung auf und zwischen den Verwaltungsebenen, die einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich verfolgt werden muss. Notwendig ist aber auch der politische Wille, diese Steuerung umzusetzen. Die gegenseitige Blockade zwischen Senat und Bezirken darf das Wachstum von Stadt und Wirtschaft nicht weiter hemmen. Die Beendigung der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ ist zentrales Ziel der Strukturoptimierung.
Digitalisierung
Digitales Bürgeramt entwickeln
„Wir werden ein zusätzliches digitales Bürgeramt der Zukunft erproben. So wird das gemeinsame und koordinierte Vorgehen von Senat und Bezirken bei der Digitalisierung der Dienstleistungen für die Bürgerinnen, die Bürger und die Wirtschaft sichtbar.“
IHK-Einschätzung
Die Digitalisierung von wirtschafts- und bürgernahen Verwaltungsleistungen muss mithilfe eines digitalen Bürgeramts als Innovationszentrum für die Verwaltung beschleunigt werden. Dieses muss die komplett medienbruchfreie Abwicklung der jeweiligen Fachverfahren gewährleisten und sie digital verfügbar machen. In der Berliner Start-up- und Tech-Szene besteht großes Potenzial, dieses Angebot in Kooperation mit Praktikern aus der Wirtschaft zu entwickeln. Nutzerorientierung und Geschwindigkeit müssen dabei im Fokus stehen, um gegenüber internationalen Vorreitern aufzuschließen.
Digitalpolitik gesamtstädtisch steuern
„Für die gesamtstädtische Steuerung der Digitalpolitik richten wir ein ‚Digitalkabinett‘ ein. Dieses bringt durch ressortübergreifende Abstimmungen und die Realisierung von Querschnittsaufgaben die Berliner Verwaltung bei der Digitalisierung schnell voran.“
IHK-Einschätzung
Gerade in der Digitalpolitik braucht Berlin die richtige Kombination aus zentraler Steuerung und dezentraler Umsetzung. Ein Digitalkabinett mit Koordinierungsbefugnissen für die CDO kann dann einen konstruktiven Beitrag dazu leisten, wenn die Zusammensetzung stimmt. Da sowohl alle Fachressorts als auch Senat und Bezirke die Digitalisierung vorantreiben müssen, muss das Digitalkabinett auch diese Stakeholderkreise abbilden.
Personal
Personalrechtliche Hürden abbauen
„Die Koalition stärkt die Beschäftigten des Landes und der Bezirke und damit die Berliner Verwaltung. Wir wollen die Vergütung unserer Beschäftigten binnen fünf Jahren schrittweise auf das Bundesgrundniveau anheben. […] Die gesetzlichen Regelungen zur Landesbesoldung werden modernisiert und in einem Berliner Landesbesoldungsgesetz zusammengeführt. Wir werden die Laufbahnverordnungen im Land Berlin modernisieren.“
IHK-Einschätzung
Die Verwaltung braucht frische Kräfte und eine neue Führungs- und Personalkultur. Hierzu gehören neben einer Angleichung des Entgeltniveaus auch Aufstiegsperspektiven, flexible Arbeitszeiten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie nicht zuletzt auch ein gutes Betriebsklima. Im Wettbewerb um qualifiziertes Personal muss die Berliner Verwaltung sich für neue Bewerbergruppen öffnen und auch Quereinsteigern attraktive Angebote machen. Potenzielle Bewerber müssen die Berliner Verwaltung als attraktiven Arbeitgeber erleben. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass u.a. laufbahnrechtliche Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Bund und anderen Bundesländern aufgelöst werden.
Beschaffungs- und Vergabepolitik
Kompetenz aus der Wirtschaft für moderne Verwaltung nutzen
„Wir wollen, dass sich mehr kleine und mittlere Unternehmen an Ausschreibungen beteiligen. Das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz wird samt Verordnungen im Jahr 2024 evaluiert. Der Koalition ist besonders wichtig, dass der Zuschlag auf Grundlage einer transparenten Bewertungsmatrix aus Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.“
IHK-Einschätzung
Zu einer funktionierenden Verwaltung gehört eine Vergabepraxis auf der Höhe der Zeit. Der Koalitionsvertrag geht mit der angestrebten transparenten Bewertungsmatrix aus Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Qualität in die richtige Richtung. Wichtig bleibt, die Vergabeverantwortlichen in der Verwaltung mit den erforderlichen Ressourcen aus Personal, Know-how und politischem Rückenwind für die Umsetzung auszustatten - und damit sollte Berlin nicht erst auf Evaluierungsergebnisse warten, sondern sofort loslegen.