Fachkräftesicherung hat für IT hohe Priorität! Auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte herrscht ein struktureller Fachkräftemangel. Der demografische Wandel wird in den nächsten Jahren die bereits verschärfte Mangellage zusätzlich befeuern.
Der bitkom berechnet die Anzahl der zu besetzenden Stellen in der IT deutschlandweit auf 137.000; im Schnitt bleiben Stellen sieben Monate unbesetzt. Berlin ist als wichtiger IT-Standort von diesem Engpass erheblich betroffen. Daher kommt es darauf an, das bestehende Personal in Berlin zu halten, weiterzuentwickeln sowie neue, zusätzliche Fachkräfte-Potenziale zu erschließen.
137.000 IT-Stellen sind deutschlandweit aktuell unbesetzt. Im Schnitt bleiben Stellen sieben Monate unbesetzt. (Quelle: bitkom)
Das Know-how von Spezialisten in der IT-Sicherheit muss kontinuierlich aufgefrischt werden. Gleichzeitig gilt es, zeitgemäße IT-Grundkenntnisse in die Breite der Belegschaft zu vermitteln.
Weiterbildungsangebote ausweiten
Aus diesem Grund sollten bestehende Förderangebote zur Qualifizierung von Bund und Land flexibilisiert sowie die Förderung innovativer Weiterbildungsangebote für Beschäftigte erprobt werden. Die Berliner Weiterbildungsverbünde spielen hier eine wichtige Rolle, z. B. bei dem Thema betriebliche Lernprozessbegleitung, Personalentwicklung und Vernetzung. Erfolgreiche Weiterbildungsverbünde sollten stetig finanziert werden.
Quereinstiege und Coding Schools unterstützen
Die IT-Branche ist darüber hinaus aufnahmebereit für Quereinsteiger und Berufswechsler. Da die Arbeitslosigkeit in Berlin nach wie vor hoch ist, sollte die Förderstruktur für digitale Kompetenzen im SGB II und III auf ihre Aktualität und Unternehmensnähe geprüft werden. Speziell Datenkompetenzen sollten durch Weiterbildung und Beratung ausgebaut werden. Die IHK empfiehlt die Einbindung von Angeboten der Coding Schools in die Eintrittsplanung aller Berliner Jobcenter.
Berlin hat ein positives Image als internationaler IT-Standort. Hieran muss angeknüpft werden, indem Fachkonferenzen und Community Events gefördert werden.
„Softe“ Standortfaktoren verbessern
Doch um im globalen Wettbewerb um IT-Fachkräfte auch weiterhin zu bestehen, darf sich Berlin nicht allein auf seine internationale Strahlkraft verlassen. Stattdessen müssen verfügbarer bezahlbarer Wohnraum, pädagogisch hochwertige Kitabetreuung und Schulsysteme als wichtige Standortfaktoren begriffen und entsprechend gewährleistet werden.
Verbleibstudie beauftragen
Weiterhin spielt die Ausbildung und Bindung von eigenen IT-Fachkräften in Berlin eine wichtige Rolle: Beim dualen Studium kommt es darauf an, dass die Hochschulen des Landes in der Lage sind, ihre Studienangebote flexibel und zeitgemäß auf die inhaltlichen Bedarfe auszurichten und genügend Plätze zur Verfügung stellen können. Bei Engpässen muss die Förderung privater Institutionen greifen. Unter Studienabsolventen der Hochschulen und Universitäten sollte eine Verbleibstudie des Landes Klarheit über Motivationen, Anreize und potenzielle Maßnahmen verschaffen, die einer Abwanderung vorbeugen und Talente am Standort halten.
Da der Bedarf an qualifizierten IT-Talenten längst nicht mehr nur aus dem Inland gedeckt werden kann, besteht der größte Hebel zur Fachkräftesicherung in der Einwanderung aus Drittstaaten.
Fachkräfteeinwanderung erleichtern
Für eine schnellere, effiziente Bearbeitung von Anträgen braucht das Landesamt für Einwanderung eine bessere Ausstattung und mehr personelle Kapazitäten. Im nächsten Schritt sollten interkulturelle Kompetenzen sowie Englischsprachkenntnisse in allen zuständigen Behörden ausgebaut werden.
Kooperation mit Drittstaaten eingehen
Ab 2024 wird zudem ein neuer Aufenthaltstitel für Stipendiaten von (IT-) Gründungsprogrammen eingeführt. Diese Einwanderungsmöglichkeit sollte als „Tech Visa Berlin“ in geeigneten Drittstaaten beworben werden. Um gezielt akademische IT-Kräfte für Berlin zu gewinnen, sollten Kooperationen mit Auslandsuniversitäten ausgebaut werden wie beispielsweise mit der German University in Kairo, an der errungene Abschlüsse in Deutschland akkreditiert sind.
Die Möglichkeit von „Job Seeker Visa“ bietet gerade jungen IT-Fachkräften, die sich noch vor dem Karriereeinstieg befinden, eine attraktive Möglichkeit, sich in Deutschland beruflich zu verwirklichen. Das Visum sollte verstärkt proaktiv beworben und mit Blick auf Schwellen- und Entwicklungsländer auf Zugangshürden überprüft werden.
Für die langfristige Entwicklung der Unternehmen ist ein aktives Diversitätsmanagement unerlässlich. Hier können Förderprogramme – speziell für KMU – mit Schulungen oder Mentoring sowie aktiver Förderung von Vielfalt in Führungspositionen positive Beiträge leisten. Gute Beispiele sind hier u. a. „SheTransformsIT“ für mehr Frauen in der IT-Branche oder „Inklupreneur“ für die Förderung inklusiver Arbeitsplätze in Start-ups.
Flexible Arbeitsmodelle ermöglichen
In nahezu allen IT-Teams wird agil und selbstorganisiert gearbeitet. Betriebe brauchen mehr Flexibilität hinsichtlich des multilokalen Arbeitens, um ihren Mitarbeitenden ein selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen. So bedarf es einer Umstellung von einer Tages- auf eine Wochenhöchstarbeitszeit sowie vereinfachter rechtlicher Regelungen zur Remote-Arbeit aus dem Ausland. Für Ausbildungsbetriebe sollten rechtliche Lücken beim mobilen Ausbilden geschlossen werden.
Da bestimmte IT-Spezialisten besonders rar am Markt sind, sollte die Arbeitnehmerüberlassung von IT-Fachkräften zwischen Unternehmen vereinfacht werden. Außerdem sind viele IT-Fachkräfte als Freelancer aktiv. Hier sollte sich Berlin über den Bundesrat dafür einsetzen, dass Rechtssicherheit für den Einsatz externer IT-Spezialistinnen und Spezialisten in Unternehmen geschaffen wird.
Zudem sollte sich Berlin gegenüber dem Bund dafür starkmachen, dass Unzulänglichkeiten bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen reduziert werden, damit die Beteiligung von Beschäftigten am finanziellen Erfolg von Unternehmen steuerlich attraktiver wird und damit die Incentivierung und Bindung unternehmenswichtiger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einfacher wird.
STIMMEN AUS DER BERLINER WIRTSCHAFT
„Start-ups, Mittelstand und selbst Großunternehmen fällt es immer schwerer, IT-Stellen zu besetzen. Vielerorts fehlt es dadurch an wichtigen Kompetenzen für Digitalisierung und Wachstum. Der Ruf als Weltmetropole allein reicht im Wettbewerb um IT-Fachkräfte nicht mehr aus. Die Berliner Politik und Wirtschaft müssen daher gemeinsam die Attraktivität des Standortes erhöhen. Wir brauchen kreative Lösungen, um unsere eigenen IT-Talente aus- und weiterzubilden und in Berlin zu halten.“