Agenda
Genug geplant, jetzt kommt die Umsetzung
Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch forderte von der Wirtschaft Rückendeckung für die Energie- und Mobilitätswende in der Hauptstadt
Umsetzen statt weiterer Planungsrunden – so brachte Bettina Jarasch ihr Credo auf den Punkt. Bei den Zielsetzungen und den großen Linien der Energie- und Mobilitätspolitik sieht sie inzwischen einen breiten Konsens. Und angesichts der verpflichtenden Klimaziele gäbe es auch keine Alternative zum direkten Weg zur Klimaneutralität 2045. Da die Herausforderungen dabei immens sind, warb die Senatorin für Umweltschutz, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz mit Nachdruck um die Unterstützung der Berliner Wirtschaft, deren vorrangiges Nachhaltigkeitsziel der vorherige IHK-Präsident Daniel-Jan Girl bereits in seiner Begrüßung klargestellt hatte.
Publikumsfragen: Philipp Bouteiller von der Artprojekt Entwicklungs GmbH mahnte mehr Effizienz in der Umweltverwaltung an.
© Amin Akhtar
Die vielfältigen Diskussionen der letzten Legislatur um Mobilitätsgesetz, Luftreinhaltung und Infrastrukturausbau hätten wichtige Grundlagen geschaffen. Darauf müssten nun zügig Maßnahmen folgen, die den Abschied vom Auto in der Stadt erleichtern. Natürlich steckten dabei in jedem Straßenraum eigene Interessenkonflikte. Aus dem Ärger um die sogenannte Flaniermeile Friedrichstraße habe man gelernt und steuere jetzt nach. Auch für die anderen Projekte wünscht sie sich von den Unternehmen Akzeptanz für den Rückbau von Parkplätzen für neue Radstreifen, Fußwege, Busspuren. Das Parken in den Untergrund zu verlagern, wie von mehreren Gästen gewünscht, kommt dabei für sie nicht infrage, weil Tiefgaragenbau CO2 produziert und zugleich das falsche Signal setze. Und das gelte eben auch für die A100, deren Weiterbau gerade nicht für ein Weniger an Kraftverkehr sorgen könne.
Das Bürgerbegehren „Berlin autofrei“ habe sie trotzdem abgelehnt, da erst Alternativen geschaffen werden müssten. Zudem bräuchte es statt der Abgrenzung der Innen- gegen die Außenbezirke eine integrierte Verkehrspolitik für die gesamte Stadt und ihre Umgebung. Deshalb habe sie gemeinsam mit ihrem Brandenburger Amtskollegen Guido Beermann jetzt Entscheidungen zum Ausbau von Bahnstrecken getroffen. Auch beim leidigen BER-Taxi-Thema konnte sie einen ersten Erfolg vermelden. Künftig dürfen dort 100 Berliner Taxis mehr vorfahren und müssen zumindest abends nicht mehr je einen Brandenburger Kollegen vorlassen.
100 Berliner Taxis mehr dürfen künftig am BER vorfahren, auch müssen sie zumindest abends nicht mehr je einen Brandenburger Kollegen vorlassen.
Scharfe Kritik kam vom Taxi-Unternehmer Richard Leipold wegen des neuen einheitlichen BER-Tarifs. Mit den zu geringen Kilometer-Preisen lasse sich kein Mindestlohn erwirtschaften. Dies werde bei der laufenden Anpassung des Berliner Tarifs berücksichtigt, so die Zusage der Senatorin. Als eine Art GEZ für den Nahverkehr verstand IHK-Hauptgeschäftsführer und Moderator Jan Eder den Vorschlag der Politikerin, alle erwachsenen Berlinerinnen und Berliner zum Kauf einer Umweltkarte zu verpflichten. Eine Monatskarte bräuchte nur rund 20 Euro zu kosten, wenn ausnahmslos alle diese sogenannte Solidarische Umlage bezahlten. Dass dann viele umsteigen würden, ist für sie eine klare Erkenntnis des 9-Euro-Tickets, das enorm positiv angenommen wird.
Publikumsfragen: Taxi-Unternehmer Richard Leipold kritisierte den neuen BER-Tarif, mit dem kein Mindestlohn möglich sei.
© Amin Akhtar
Ob große Windräder, die sie sich auf Berliner Gewerbeflächen vorstellen kann, ebenso positiv aufgenommen würden, ist dagegen unwahrscheinlich. Philipp Bouteiller von der Artprojekt Entwicklungs GmbH schilderte seine Erfahrung mit der Umweltverwaltung bei diesem Thema als ein verhinderndes Gegeneinander der Abteilungen. Das muss schnell anders werden, denn das Berliner Klimaziel bedeutet für 2030 stolze 70 Prozent weniger CO2 als 1990, bis 2045 sind es 95 Prozent. Da die tief hängenden Früchte bereits geerntet seien, müsste das Tempo mindestens verdoppelt werden. Dazu werde sie mit den Bezirken diskutieren, wie Solardächer schneller genehmigt werden könnten. Und es braucht Tausende Fachkräfte in den Klimaberufen für die Umsetzung.
Eine Botschaft hörten die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer auf jeden Fall gern. „Die Tangentialverbindung Ost bekommen Sie von mir.“ Und einig waren sich auch alle, dass der „Tankrabatt“ ein guter Kandidat wäre für das Unwort des Jahres 2022.
von Dr. Lutz Kaden