Agenda
Prioritäten setzen
Soll sich Berlin um die Weltausstellung Expo 2035 bewerben oder nicht? Die IHK Berlin sagt Ja, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sagt Nein. Obwohl große Teile der Wirtschaft das Projekt befürworten, erteilte die Politikerin dem Vorhaben eine klare Absage. Sie sei für die Expo, aber der Senat habe angesichts des Sparzwanges der öffentlichen Hand Prioritäten setzen müssen und sich gegen eine Bewerbung entschieden, betonte Giffey am 17. Oktober bei einem Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin.
Wirtschaftspolitisches Frühstück mit Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in der IHK Berlin am 17. Oktober 2024.
© Konstantin Gastmann – IHK Berlin
„Wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen“, sagte sie. Die Landesregierung habe sich für eine Olympia-Bewerbung und für die Ausrichtung einer Internationalen Bauausstellung entschieden. Für viele Gäste blieb am Ende die Frage offen, ob sich die Berlinerinnen und Berliner für Olympia in der Stadt erwärmen können. Die Bewerbung im Jahr 2000 endete jedenfalls angesichts einer breiten Ablehnung in der Bevölkerung in einem Desaster.
Andere Botschaften kamen bei den Gästen besser an, etwa, dass die Verwaltungsreform nunmehr in Gang kommen soll. „Noch in diesem Jahr“ werde der Senat ein Landesorganisationsgesetz vorlegen, das den rechtlichen Rahmen für eine Neuordnung der gesamtstädtischen Strukturen und klare Verantwortlichkeiten vorgeben soll. Das Abgeordnetenhaus könne dann 2025 über das Gesetzespaket beraten und beschließen.
Breiten Raum nahmen auch die Ausführungen Giffeys zu Digitalisierung und KI ein. Gut vorangekommen sei der Ausbau der Gigabit-Strukturen und des 5-G-Netzes. Da gebe es im Stadtgebiet inzwischen eine Abdeckung von jeweils 90 Prozent. Schlechter sieht es beim Glasfasernetz aus. Für dieses Jahr werde eine Anschlussdichte von 40 Prozent angepeilt. Im Jahr 2028 sollen es 100 Prozent sein. Um diesen Zeitplan einzuhalten, sei die Antragstellung für das Verlegen der Kabel vereinfacht worden, informierte die Senatorin. In der Regel würden jetzt solche Arbeiten als „Kleinteilige Baumaßnahme“ eingestuft. Damit gebe es nur noch eine Anzeigepflicht, ein Bauantrag sei nicht mehr nötig. Bislang ist Berlin im Vergleich der Bundesländer das Schlusslicht.
Auch in ihrer eigenen Verwaltung dränge sie darauf, die Digitalisierung voranzutreiben, sagte die Senatorin. Dazu wolle sie im Dezember ein „Aktionskonzept“ vorlegen. Inzwischen seien 79 Leistungen digitalisiert worden, im kommenden Jahr sollen es 100 sein. So erfolge der übergroße Teil der Gewerbeanmeldungen online. Schon längst eingeführt sei die E-Akte. Doch alles habe seine Grenzen, betonte die Politikerin, denn die öffentliche Verwaltung müsse bei solchen Nutzungen immer ein besonderes Auge auf den Datenschutz haben.
Angesprochen auf das Dauerthema „Verkaufsoffene Sonntage“, befürwortete Giffey vehement eine Ausweitung der Öffnungszeiten, ungeachtet möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen. Berlin sei eine Weltmetropole, und sie habe zum Beispiel nicht nachvollziehen können, warum am Tag des EM-Endspiels in Berlin die Läden geschlossen bleiben mussten. Viele Beschäftigte im Einzelhandel würden angesichts von Zulagen und freien Tagen freiwillig gern auch an Sonntagen arbeiten, sagte Giffey. Es gebe Gespräche mit den Branchenverbänden, und auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner habe sich für eine weitere Lockerung ausgesprochen. „Und sollte Verdi klagen, dann muss man das auch mal bis zum Ende durchkämpfen“, sagte Giffey unter dem Applaus vieler Gäste.
Auch die Probleme bei der Sicherung von Flächen für Industrie und Gewerbe waren Thema. In den vergangenen Jahren seien 200 Hektar Gewerbefläche verloren gegangen, räumte die Senatorin ein, meist wegen des Wohnungsbaus. Damit es nicht zu dramatischen Engpässen komme, würden nun die Stadtentwicklungspläne Wohnen und Wirtschaft besser abgeglichen. Giffey sprach sich auch für ein Festhalten an der geplanten Urban Tech Republic auf dem Flughafen-Gelände Tegel aus, die als einen wesentlichen Bestandteil die Berliner Hochschule für Technik beherbergen soll. Dass die Hochschule angesichts der Sparpläne nur auf ein Gebäude reduziert werden solle, wie es manche forderten, lehne sie ab.
von Holger Lunau