Interview
Südeuropa wird der größte Markt für uns
Vor rund zehn Jahren haben Dr. Hamed Beheshti und Ali Al-Hakim ihr Unternehmen, die Boreal Light GmbH, gegründet. Seitdem wurden rund 250 Anlagen zur Wasserversorgung in 24 Ländern installiert. Die Nachfrage steigt und ist auf allen Kontinenten groß. Deshalb suchen die beiden Unternehmer nun nach Investoren, um eine schnellere Expansion finanzieren zu können.
Vor seiner Unternehmertätigkeit hat Ali Al-Hakim Maschinenbau an der TU Berlin studiert und als Ingenieur fünf Jahre bei der MGB Endoskopische Geräte Berlin gearbeitet. Er ist mit zehn Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen. An der FU Berlin hat Hamed Beheshti Umweltwissenschaften studiert und anschließend promoviert. Nach seinem Studium hat er mit Ali Al-Hakim Boreal Light gegründet. Er ist im Jahr 2010 aus dem Iran nach Deutschland eingewandert.
Hamed Beheshti (l.) und Ali Al-Hakim vor einer ihrer Entsalzungsanlagen
© Amin Akhtar
Berliner Wirtschaft: Meerwasserentsalzungsanlagen gab es schon längst, als Sie Boreal Light gegründet haben. Was ist das Neue an den Anlagen, die Sie installieren?
Hamed Beheshti: Wir haben uns auf solare Meerwasserentsalzungsanlagen fokussiert. Aber auch die gab es schon. Uns ist es gelungen, die Anlagen deutlich günstiger bauen und somit zu geringeren Preisen liefern zu können. Und wir achten darauf, dass die späteren Wartungskosten so gering wie möglich sind. Wir waren zunächst selbst überrascht, dass wir von Berlin aus diese Anlagen günstiger bauen können als zum Beispiel ein Anbieter in Mexiko. In Indien werden noch günstigere Anlagen gebaut, aber nicht in der gleichen Qualität.
Wie machen Sie das?
Ali Al-Hakim: Wir konstruieren die Anlagen so einfach wie möglich. Sie haben nur die Funktionen, die wirklich benötigt werden, nichts Überflüssiges. Für Wartungs- und Reparaturarbeiten sind alle Teile mühelos erreichbar. Die Rohrverbindungen können ohne Werkzeuge mit den bloßen Händen gelöst werden. Nichts ist verschweißt.
Warum nicht?
AAH: Oftmals gibt es keine Schweißgeräte, dort, wo die Anlagen stehen, mitunter nicht einmal Strom. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass die Anlagen durch integrierte Solarmodule versorgt werden. Wir verwenden auch keine Batterien, das würde die Anlagen nur unnötig komplex und teuer machen. Wir speichern stattdessen eher das Trinkwasser. Alle Anlagen sind übrigens über das Internet an unser Monitoring-System angebunden. Wir können sie auch nach der Installation von Berlin aus konfigurieren.
HB: Außerdem haben wir die Effizienz und den Output der Anlagen gesteigert. Vor 20 Jahren hätten Anlagen, die 8.000 Liter Trinkwasser pro Stunde produzieren, anderthalb Millionen Euro gekostet. Inzwischen ist der Preis auf etwas mehr als 100.000 Euro gesunken. In der Ukraine haben wir das größte europäische Entsalzungsprojekt realisiert. Dort werden pro Stunde 125.000 Liter sauberes Wasser produziert.
Wie viele Wettbewerber haben Sie?
HB: Es gibt weltweit fünf Unternehmen, die solare Meerwasserentsalzungsanlagen bauen. Wir sind stolz darauf, dass wir gemessen an der Zahl der Installationen jetzt das größte sind.
Sie sind mit rund 30 Mitarbeitern ein eher kleines Unternehmen. Warum gelingt es Konzernen nicht, noch günstigere Anlagen im großen Stil zu bauen?
AAH: Unsere Projekte sind immer sehr komplex. Alle Anlagen, die wir bauen, sind Einzelstücke. Der exakte Einsatz der Anlagen wird oft über viele Monate hinweg geplant. Der Salzgehalt im Wasser ist immer unterschiedlich und erfordert individuelle Filtersysteme. Es verbleibt nach der Trinkwasserproduktion extrem salziges Restwasser, für das wir Verwendungsmöglichkeiten und zum Teil auch Geschäftsmodelle mit entwickeln. Zum Beispiel können damit Fischzuchten betrieben werden. Wir sehen uns immer genau an, was vor Ort für die Menschen am wichtigsten ist, und deshalb müssen wir uns auch immer sehr genau mit den jeweiligen Kulturen auseinandersetzen. Für große Konzerne ist das nicht so interessant.
HB: Wir beide reisen sehr viel und haben viel Zeit in den Ländern, in die wir liefern, verlebt, um die Kulturen zu verstehen. Zu den 30 Mitarbeitern, die wir hier haben, kommen noch mehr als 300 in Kenia, die sich vor allem um Vertrieb, Service und Installation kümmern. Wir haben dort eine Academy aufgebaut, um neue Mitarbeiter zu schulen. Das funktioniert sehr gut. Deshalb wollen wir dieses Modell in Kolumbien wiederholen, um von dort aus das Geschäft in Lateinamerika weiterzuentwickeln.
Kommt aus Afrika die größte Nachfrage?
AAH: Afrika hat immense Wasserprobleme. Lateinamerika aber auch, von dort erhalten wir ebenfalls immer mehr Anfragen. Wir glauben aber, dass bald schon Südeuropa der größte Markt für uns sein wird. In Spanien, Italien, Griechenland oder Malta ist die Wasserversorgung ebenfalls schon sehr schwierig. Dort ist die Zahlungsfähigkeit aber größer. Außerdem ist der Wasserverbrauch in Europa viel höher als in Afrika.
Auch in unserer Region Berlin-Brandenburg gibt es Sorgen um die Wasserversorgung. Können Sie da nicht auch etwas tun?
AAH: Das könnten wir natürlich. Aber im Ernst: Die Sorgen um die Trinkwasserversorgung hier sind nicht ansatzweise mit den wirklich dramatischen Problemen in vielen afrikanischen oder latainamerikanischen Ländern zu vergleichen. Unsere Versorgung ist vergleichsweise sehr gut und sehr sicher.
BH: Es geht nicht nur um die Trinkwasserversorgung. Auch die Landwirtschaft braucht zunehmend in den trockenen Regionen Meerwasserentsalzungsanlagen. Mit Meerwasser kann nicht bewässert werden, weil die Böden versalzen würden.
Wo ist die Wassernot am größten?
HB: Ich würde sagen: in Somalia. Das ist ein Land, das vom Klimawandel extrem betroffen ist. Dort haben wir bereits sieben Anlagen installiert und sind gerade dabei, weitere zu bauen. Dank dieser Anlagen haben die Menschen dort eine Perspektive. Unsere Anlagen produzieren 1.000 Liter Wasser für 50 Cent. Das können sich die Menschen dort leisten.
Warum ist bisher die Anlage in der Ukraine die einzige europäische Anlage, die sie geliefert haben, wenn der Bedarf in Südeuropa da ist?
HB: Wir haben längst noch nicht die Vertriebsstrukturen, die wir bräuchten. Bisher haben wir aus dem Cashflow heraus investiert. Damit wir unsere Wachstumschancen umfangreicher realisieren können, suchen wir jetzt Investoren, die international tätig sind und ein Vertriebsnetzwerk haben. Dort, wo unsere Anlagen gebraucht werden, wissen die Menschen oft nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Wir müssen also vor allem bekannter werden.
Wie groß ist das Interesse von Investoren?
AAH: Wir führen schon Gespräche. Aber wir werden nichts überstürzen. Uns ist wichtig, dass es wirklich passt. Wir liefern auch in Krisenregionen. Das soll auch so bleiben, weil gerade dort sauberes Wasser dringend benötigt wird. Für den Jemen haben wir eine Aufbereitungsanlage entwickelt, die Cholera-Bakterien herausfiltert. Wir wollen auch, dass sich künftige Partner sowohl mit unserem B2B- als auch mit unserem B2C-Geschäftsmodell identifizieren.
Wie funktioniert Ihr B2C-Geschäftsmodell?
AAH: Wir haben in einigen Ländern Anlagen installiert, die wir selbst betreiben und wo wir Wasser in 20-Liter-Kanistern an Endverbraucher verkaufen. Dieses Modell stufen wir auch als sehr zukunfts-trächtig ein. Wir hatten mal Gespräche mit einem Investor, der das Wasser in Flaschen verkaufen wollte. Aber das wollen wir nicht, weil leere weggeworfene Flaschen in afrikanischen oder lateinamerikanischen Ländern zu einer starken Umweltverschmutzung führen können.
Sie brauchen sicherlich gutes technisches Personal, um die Anlagen als Einzelstücke zu bauen. Finden Sie in Berlin genügend Fachkräfte?
AAH: Das ist gar kein Problem für uns, weil wir kulturell total offen sind. Wir haben hier derzeit rund 30 Mitarbeiter aus 14 Nationen. Andere Firmen pochen darauf, dass alle perfekt Deutsch sprechen. Das ist uns nicht wichtig. Konferenzen finden bei uns auf Deutsch und Englisch statt. Ich spreche sechs Sprachen, Hamed auch. Wir finden immer einen Weg, uns mit kreativen Mitarbeitern auszutauschen. Wichtiger ist uns, dass alle voll von unseren Ideen überzeugt sind. Wir bilden übrigens auch eigene Fachkräfte aus: Mechatroniker, Elektriker, Industriemechaniker und Anlagenmechaniker.
Haben Sie Ziele für die kommenden Jahre?
AAH: Ja, natürlich. Wie wollen möglichst vielen Menschen auf der Welt den Zugang zu sauberem Trinkwasser sichern. Geschätzt wird, dass zwei Milliarden Menschen auf der Welt heute keinen verlässlichen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Mit unseren Anlagen können inzwischen zehn Millionen Menschen in 24 Ländern versorgt werden. Bis zum Jahr 2030 wollen wir auch durch neue und nachhaltige Geschäftsmodelle 100 Millionen Menschen in 50 Ländern sicheres Wasser bieten können.
von Michael Gneuss