Fachkräfte

Fachkräfte aus Windhuk

Der akute Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt lässt auch die IHK Berlin neue Wege gehen. In Berlins Partnerstadt Windhuk, der Hauptstadt von Namibia, sollen künftig junge Afrikaner ausgebildet und dann an die Spree geholt werden. Dazu wird unter der fachlichen Leitung der IHK Berlin in Windhuk ein Ausbildungszentrum errichtet, das parallel zur beruflichen Ausbildung nach IHK-Standards auch entsprechende deutsche Sprachkompetenz vermittelt und prüft. Das Projekt hatte IHK-Präsident Sebastian Stietzel bei einem Namibia-Besuch im Sommer initiiert.
Eine Win-win-Situation für beide Seiten. Einerseits könnte in Berlin mittelfristig sofort dringend benötigter betrieblicher Nachwuchs eingestellt werden. Andererseits würden die namibischen Jugendlichen – anders als in ihrem Heimatland – in Deutschland eine solide berufliche Perspektive bekommen. In dem südwestafrikanischen Land, einst deutsche Kolonie, liegt die Arbeitslosenquote unter den Jugendlichen bei rund 50 Prozent. Zudem gehen beide Seiten davon aus, dass nicht alle jungen Leute nach bestandener Prüfung das Land verlassen, sondern mit einer guten Ausbildung auch Jobs in ihrer Heimat bekommen.
Dass es zu einer Konkurrenz mit dem Berliner Ausbildungsmarkt kommt, wie einige Skeptiker befürchten, ist ausgeschlossen. Schon jetzt fehlen in der Bundeshauptstadt in vielen Branchen Nachwuchskräfte. Selbst bei der Mobilisierung aller personellen Reserven könnten die Lücken nicht geschlossen werden, so die Experten. Und in Windhuk stehen ohnehin solche Qualifikationen im Vordergrund, die in Berlin mehr als dringend gebraucht werden. Das ist unter anderem im Gastrogewerbe, bei Industrie-Mechanikern oder kaufmännischen Berufen der Fall.
„Unser Ziel ist, dass sich die ‚Talentebrücke‘ zum Modell auch für andere Regionen entwickelt und so zu einem weiteren Instrument der Fachkräftesicherung wird“, so Stietzel, der in dem Projekt große Chancen sieht. Ein großer Vorteil sei zum Beispiel, dass langwierige Anerkennungsverfahren entfallen und die jungen Leute nach bestandener Prüfung aus Windhuk nach Berlin geholt und in den Arbeitsmarkt integriert werden können. In der deutschen Medienlandschaft hat die Berliner IHK-Initiative jedenfalls schon mal gehörig Staub aufgewirbelt und Interesse geweckt. Noch befindet sich das Projekt in der Planungsphase, aber die IHK Berlin rechnet fest mit einer Realisierung. Nach bisherigem Zeitplan soll noch in diesem Herbst in Windhuk eine Absichtserklärung von beiden Seiten unterschrieben werden. Dann könnte der Aufbau des Ausbildungszentrums zeitnah beginnen – rechtzeitig vor dem 25-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft Berlin-Windhuk.
Dass das Ausbildungsvorhaben keine Einbahnstraße ist, beweist das große Interesse der namibischen Seite. Der namibische Staatspräsident Nangolo Mbumba stattete der IHK Berlin im Rahmen seines Staatsbesuches Anfang Oktober in Deutschland einen Besuch ab, nachdem er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen worden war. Bei einer Veranstaltung im Ludwig Erhard Haus ließ er sich das Projekt von IHK-Präsident Stietzel erläutern und lobte anschließend die Initiative als einen Beitrag, Namibia wirtschaftlich voranzubringen.
Im Rahmen eines Premier Breakfast, an dem auch namibische Minister, hochrangige afrikanische Diplomaten aus Nachbarstaaten Namibias und deutsche Wirtschaftsvertreter und Investoren teilnahmen, warb Mbumba zudem leidenschaftlich um Investitionen in seinem Land. Große Chancen gebe es im Bereich Energiegewinnung, Logistik, Fischerei und Tourismus. Es seien alle Investoren willkommen, die zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, zum Aufbau neuer Industriezweige und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Explizit verwies Mbumba auf ein mit deutscher Unterstützung geplantes Stahlwerk, das mithilfe von Sonnenergie und grünem Wasserstoff aus Eisenerz „grünes Eisen“ produzieren soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte dafür aus seinem Haushalt 13,6 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
von Holger Lunau