Fachkräfte
BOOM in der Schule
Mit dem, was Andrea Franke am 25. September in der Willy-Brandt-Teamschule im Wedding erlebte, kann sie zufrieden sein. Die Schulleiterin beobachtete, wie Vertreter aus 26 Firmen mit 300 Schülerinnen und Schülern des 9. und 10. Jahrgangs über deren Berufsperspektiven und Ausbildungsmöglichkeiten sprachen. Es war die erste Karrieremesse der Schule und eine von etwa 20 Maßnahmen, die sie ab diesem Schuljahr mit ihrem neuen Konzept zur Berufsorientierung (BO) umsetzt.
„Mithilfe unseres neuen BO-Managers konnten wir im vergangenen Schuljahr eine komplett neue Strategie zur Berufsorientierung aufstellen. Damit haben wir unsere Aktivitäten passgenau auf die Bedarfe und Lebensrealitäten unserer Schülerinnen und Schüler zugeschnitten und können diese insbesondere durch neue Unternehmenskooperationen auch praxisnah umsetzen“, sagt Andrea Franke.
© Tobias Rücker
BO-Manager hilft bei der Berufswahl
Seit einem Jahr arbeitet die Schule zusammen mit der IHK Berlin, der Bildungsorganisation Teach First Deutschland und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie im Pilotprojekt „BOOM – Berufsorientierung organisiert und modular“ an der Optimierung der schulischen Berufsorientierung. Dazu haben die Partner eine neue Stelle an der Pilotschule geschaffen – den BO-Manager. Die zunächst für zwei Jahre eingesetzte Stelle soll das BO-Management an der Schule optimieren und damit dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler in für sie passende Berufsfelder finden, die am Arbeitsmarkt auch nachgefragt werden.
Der Ansatz soll helfen, dem anhaltenden Fachkräftemangel beizukommen. Laut einer 2023 veröffentlichten Bertelsmann-Studie haben 55 Prozent der 14- bis 25-Jährigen in Deutschland Schwierigkeiten, sich bei berufsorientierenden Angeboten zurechtzufinden. Die Vertragslösungsquote bei Ausbildungen in Deutschland liegt bei etwa 30 Prozent. In Berlin konnte knapp die Hälfte der angebotenen Ausbildungsplätze im Ausbildungsjahr 2023/24 nicht oder nur mit großem Aufwand besetzt werden. Fazit: Junge Menschen finden immer weniger in Berufswege, die sie langfristig verfolgen können oder wollen, obwohl die Wirtschaft Nachwuchskräfte immer dringender benötigt.
Die Lösung: die Koordination der Berufs-orientierung an Schulen stärken. Diese umfasst ein umfangreiches Aufgabenportfolio. So muss bestimmt werden, welche Ziele die Schule mit der BO erreichen will und mit welchen Maßnahmen sie diese Ziele verfolgt. Steuerungsprozesse und Verantwortungsbereiche müssen definiert, durchgesetzt und langfristig implementiert werden, um eine Zielerreichung möglich zu machen. Die Wirkung all dessen auf die Schülerinnen und Schüler muss entlang von quantifizierbaren Kennzahlen kontinuierlich gemessen werden, um das Angebot in der Berufsorientierung fortwährend zu verbessern. Zudem sind Aufbau und Pflege von Kooperationen der Schule mit Unternehmen entscheidend, um den Schülerinnen und Schülern praxisnah, zum Beispiel durch Praktika, die Arbeitswelt nahezubringen.
Lehrkräfte und Beratungskräfte der Agentur für Arbeit erfüllen diese Aufgaben bereits mit großem Engagement, doch sie sind mit ihren Lehr- und Beratungstätigkeiten stark beansprucht. Die Idee des „BOOM“-Projekts ist deshalb, BO-Managerinnen und -Manager an Schulen einzusetzen. Sie sollen im Verbund mit Kollegium und Schulleitung einen zielorientierten Prozess entwickeln, um Strategie, Steuerung und Qualitätssicherung der Berufsorientierung nachhaltig und schulindividuell zu optimieren.
Digitale Tools ergänzen das Angebot
An der Willy-Brandt-Teamschule funktioniert das bereits. Neben der Erstellung eines neuen BO-Konzepts hat die Schule neue Partnerschaften mit Unternehmen geschlossen, um diese über gemeinschaftlich durchgeführte Maßnahmen frühzeitig mit potenziellen Nachwuchskräften in Verbindung zu bringen. Digitale Tools wie die Berufswahl-App wurden eingeführt, um die Berufsorientierung an die Lebenswelten der Jugendlichen anzupassen. Die Schule sammelt nun regelmäßig Feedback von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zu einzelnen BO-Maßnahmen, um datengestützt zu entscheiden, wie die Berufsorientierung verbessert werden kann.
Andrea Franke zieht Bilanz: „Nur wenn wir Berufsorientierung attraktiv machen und junge Menschen für ihre berufliche Zukunft erlebnis-orientiert begeistern, können wir dem Fachkräftemangel effektiv begegnen. Unser BO-Manager hilft uns, diese Bedürfnisse mit gezielter Analyse zu erkennen, innovative Projekte umzusetzen und deren Wirksamkeit messbar zu machen.“
von Yannick Walther