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Logistiker auf Flächensuche

Der Neubau von Lagerhallen geht dramatisch zurück. Die Nachfrage von Handels- und Transportfirmen bleibt jedoch hoch – und damit auch das Mietniveau.
Wenn man in Berlin über die Entwicklung von Gewerbeflächen spricht, geht es meist um Büros und Produktionsflächen. Weniger im Fokus sind Logistikflächen – die jedoch sehr begehrt sind. Produktions- und Handelsunternehmen benötigen Lager, Transportfirmen brauchen Platz für ihre Fuhrparks. Der wachsende Anteil des E-Commerce trägt zudem entscheidend zur steigenden Nachfrage bei. Denn viel mehr Waren müssen zwischengelagert werden. So ist es keine Überraschung, dass das Kulturkaufhaus Dussmann ein neues Lager im Nordosten von Pankow eröffnet hat. Im vergangenen Jahr habe man rund 25 Prozent mehr Bestellungen über den Onlineshop als im Vorjahr abgewickelt, teilt Dussmann mit. Die wachsende Nachfrage in allen Warenbereichen erfordere deutlich mehr Lagerfläche, die im Stammhaus an der Friedrichstraße nicht verfügbar ist. „Mit der Investition in ein neues Logistikzentrum rüsten wir uns für weiteres Wachstum in den kommenden Jahren und stärken unsere Marktposition als Medienkaufhaus“, sagt Thomas Burger, Geschäftsführer von Dussmann das Kulturkaufhaus.
Ein anderes Beispiel: Nahezu verfünffacht hat sich zuletzt die Lagerfläche des Naturkostgroßhändlers Midgard, einer 100-prozentigen Tochter der Bio Company. Am neuen Standort in Berlin-Alt-Hohenschönhausen stehen dem Unternehmen nun 10.000 Quadratmeter zur Verfügung. Der Mietvertrag läuft über 15 Jahre.
Der wachsende Bedarf an Logistikflächen stellt auch traditionelle Gewerbestandorte vor Herausforderungen, wie das Beispiel Motzener Straße zeigt. Dort hat sich der niederländische Lebensmittellieferdienst Picnic auf einem früheren Industrieareal eingemietet, das nun als Umschlagplatz für die Endkundenbelieferung dient. Das eigentliche Logistikzentrum von Picnic entsteht in Ludwigsfelde. Dennoch bedeuten die neuen Nachbarn zusätzliche Wirtschaftsverkehre, die das Gewerbegebiet an die Belastungsgrenze bringen. Das Unternehmensnetzwerk Motzener Straße startete daher im März das Pilotprojekt „SLiM Smarte Logistik in Marienfelde“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte Forschung (IFAF), an dem auch die IHK Berlin beteiligt ist. Dabei werden Stückgut-Lieferungen (Pakete und Paletten), die für Unternehmen im Gebiet bestimmt sind, bei einer Spedition im Güterverteilzentrum Großbeeren gebündelt und gesammelt zugestellt. Der Feldversuch in dem Industriegebiet ist Teil der Entwicklung einer Transferroadmap zur Umstellung von Lieferprozessen.
Der aktuelle Marktreport des ­Maklerunter- nehmens „Engel & Völkers“ zu den ­Industrie- und Logistikflächen in der Metropolregion Berlin beziffert den Flächenumsatz für Industrie- und Logistikflächen im vergangenen Jahr auf 400.000 Quadratmeter, ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Rekordjahr 2022 mit knapp 1,1 Mio. Quadratmetern, aber immer noch weit mehr, als von Experten vorhergesagt. Von den 400.000 Quadratmetern entfielen 21 Prozent auf den Handel, während 42 Prozent der Flächen von Unternehmen aus dem Bereich Transport und Logistik angemietet wurden. Mehr als die Hälfte der neu angemieteten Flächen liegt im Umland, vor allem im Süden. „Die anhaltende Marktsituation aus begrenztem Flächenangebot und hoher Nachfrage hat auch im Jahr 2023 zu einem Anstieg des Mietniveaus geführt“, heißt es im Report.
Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, da 2023 nur 89.000 Quadratmeter an neuen Lager- und Logistikflächen neu entwickelt wurden, ein dramatischer Rückgang gegenüber 2022. Dass Neubau kaum stattfindet, sollte nicht verwundern, denn der Platz in der Region ist begrenzt, und wenn Flächen dazukommen, dann in Bereichen, wo sich mehr Geld verdienen lässt. So liegt die Spitzenmiete für Büros mittlerweile bei über 40 Euro pro Quadratmeter, bei einem Flächenumsatz von rund 600.000 Quadratmetern.
Der Fokus der Immobilienbranche richtet sich vermehrt auf die Entwicklung im Bestand. Große Gewerbeareale müssen dabei auch im Hinblick auf Nachhaltigkeitskriterien ertüchtigt werden, worauf Kreditgeber und Mieter stark achten.
von Dr. Mateusz Hartwich