Branchen
Das Dilemma der Nachhaltigkeit
Zero Waste und Permakultur – viele Gastronominnen und Gastronomen leisten einen ökologischen Beitrag. Aber sie sehen sich mit Hindernissen konfrontiert.
David und Jasmin Suchy, Gründer des Zero-Waste-Restaurants Frea, bleiben trotz Herausforderungen optimistisch
© Juni Fotografen
Ob Fachkräftemangel, Umsatzsteuererhöhung oder steigende Kosten – die rund 15.000 gastronomischen Betriebe in Berlin stehen vor vielfältigen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Zahlen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg bestätigen den Verdacht: Nach einem stetigen Anstieg des realen Umsatzes in der Berliner Gastronomie führte die Pandemie zu einem drastischen Rückgang im Jahr 2020, als der Umsatz auf nur noch 60 Prozent (im Vergleich zu 2015) fiel. Seit 2021 ist zwar wieder ein positiver Trend zu erkennen, mit 80 Prozent im Jahr 2023 hat dieser aber noch lange nicht den Ausgangswert erreicht.
Wie gehen Gastronomien, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verpflichten, mit diesen Schwierigkeiten um? Sind sie stärker betroffen als andere, oder haben sie möglicherweise sogar Vorteile? Drei Unternehmen gewähren Einblicke in ihre Erfahrungen.
Kundinnen und Kunden verhaltener
Frea, das weltweit erste pflanzenbasierte Zero- Waste-Restaurant in Berlin-Mitte, verfolgt einen Ansatz der Kreislaufwirtschaft. „Unser Ziel ist es, Lebensmittelverschwendung und Verpackungsmüll zu vermeiden“, erklärt Jasmin Suchy, Inhaberin und Geschäftsführerin von Frea. Dafür kompostiert das Unternehmen Lebensmittelreste in ihrer eigenen Maschine namens Gersi und gibt den daraus gewonnenen Bodenersatzstoff an Lieferanten weiter.
Trotz der Herausforderungen bleibt das Unternehmen optimistisch. „Besonders betroffen sind wir von den steigenden Kosten für Waren und Energie. Der Fachkräftemangel erschwert zudem die Rekrutierung und erhöht den Druck auf unser bestehendes Team.“ Die Preise mussten durch die Steuererhöhung leicht angehoben werden, so Suchy. „Wir merken, dass unsere Kundinnen und Kunden verhaltener geworden sind, was den Konsum betrifft. Wir bleiben jedoch positiv, dass es sich langsam einpendeln wird.“
Das Engagement für Nachhaltigkeit unterstütze dabei und wirke sich laut Suchy eher positiv auf die Betriebskosten aus. Außerdem führe es zu einem positiven Kundenfeedback und habe die Marktposition gestärkt.
Kosten gestiegen, Margen gesunken
Schwierige Zeiten für Martin Höfft, Inhaber des Café Botanico
© MyHappyFood
Nicht so optimistisch stuft Martin Höfft, Inhaber des Café Botanico in Neukölln, die Lage ein. Das „Garden-To-Table-Restaurant“ mit eigenem Permakulturgarten baut auf einem für Berlin einzigartigen Konzept auf und setzt mit seinem lokalen Anbau auf einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz.
Trotz des Engagements sieht sich Höfft mit einer immer prekärer werdenden Lage konfrontiert. „Die Situation ist katastrophal“, sagt er. „Am schlimmsten: Steuer, Inflation, Energie. Die Kosten sind gestiegen und die Margen gesunken, da man natürlich nicht alles auf die Preise umlegen kann“, erklärt er resigniert. Für Höfft ist klar, dass Betriebe mit Nachhaltigkeitsfokus besonders anfällig sind. „Wir haben eh schon höhere Kosten und müssen uns für die hohen Preise rechtfertigen, die die Konsumenten unmöglich voll übernehmen können.“
Dennoch betont Höfft die Bedeutung seines einzigartigen Konzepts und die Sympathie, die es bei der Kundschaft weckt: „Wir haben genug Gäste – kommen aber dennoch nicht auf unsere Kosten.“
Sozial-ökologische Standards fördern
Auch Peter Duran, Geschäftsführer des Cafés Isla, ebenfalls in Neukölln, spricht von der schwierigen Lage, in der sie sich zum ersten Mal seit Längerem befinden. Nach jahrelang gestiegenen Umsätzen sind diese seit dem letzten Herbst rückläufig – nicht nur bei ihnen, sondern in ihrem gesamten Umfeld. Das Café bezieht hochwertige Produkte, zum Beispiel saisonal, regional, zertifiziert, und versucht, diese vollständig und kreativ zu verarbeiten, damit so wenig Verschwendung wie möglich entsteht.
Was macht sein Unternehmen nachhaltig? „Zutaten sorgfältig verarbeiten, Bestand vernünftig verwalten, Umsätze beobachten, um zu sehen was sich gut verkaufen lässt, und Verschwendung vermeiden“, erklärt Duran. Dennoch betont er, dass Gastronomien mit Nachhaltigkeitsfokus besonders unter den wirtschaftlichen Herausforderungen leiden. Durch die bereits höheren Kosten stehen sie vor einem Dilemma. Die Kunden erwarten Qualität, aber sind auch preissensibel, trotz der stets positiven Resonanz auf das nachhaltige Engagement.
Die Einblicke zeugen von der harten Realität, mit der nachhaltige Unternehmen in der Branche konfrontiert sind. Dabei spielen sie eine wichtige Rolle für eine Transformation der Wirtschaft. Die Bedeutung sozial-ökologischer Innovationen sollte politisch stärker anerkannt und gefördert werden. Maßnahmen gegen bürokratische Hürden und zur Förderung sozial-ökologischer Standards könnten sie unterstützen und zur Förderung nachhaltiger Wirtschaft beitragen.
von Saskia Lössl